Eine Gesellschaft lebt davon, dass Menschen sich einbringen

Claudia Roth, Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verrät, warum sie die „Sterne des Sports“ unterstützt.

Claudia Roth hält ehrenamtliches Engagement für unbezahlbar. (Foto: Bundestags-Büro Claudia Roth MdB)
Claudia Roth hält ehrenamtliches Engagement für unbezahlbar. (Foto: Bundestags-Büro Claudia Roth MdB)

Frau Roth – Sie waren schon mehrmals bei der feierlichen Preisverleihung der „Sterne des Sports“ in Gold dabei. Warum haben Sie sich Zeit für diese Veranstaltung genommen – Sie bekommen doch wahrscheinlich unzählige Einladungen zu Terminen?

Mit den „Sternen des Sports“ werden die Helferinnen und Helfer gewürdigt, die im Kleinen und in vielen tausend Stunden pro Jahr unsere Gesellschaft mitgestalten. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung. Sie haben aber Recht, wegen Terminschwierigkeiten konnte ich nicht immer dabei sein.  Aber ich werde mich bemühen, auch künftig möglichst oft dabei zu sein.

Die „Sterne des Sports“ sind 2004 von den Volksbanken, Raiffeisenbanken und dem Deutschen Olympischen Sportbund ins Leben gerufen worden, um das ehrenamtliche Engagement in den Sportvereinen zu belohnen. Warum glauben Sie, ist diese öffentliche Anerkennung so wichtig?

Als Vorsitzende einer leidenschaftlich streitenden Partei weiß ich, wie wichtig das Ehrenamt ist und dass vieles nur durch das Engagement unserer Mitglieder möglich wird. Bei Sportverbänden ist das ganz ähnlich. Ehrenamtliche Mitglieder übernehmen hier verantwortungsvolle Aufgaben: sie trainieren Kinder und Jugendliche, organisieren Projekte und Veranstaltungen, bringen Leben in den Verein und halten ihn zusammen. Dieses Engagement ist nicht selbstverständlich, aber als tragende Säule immens wichtig für die Vereine und auch für das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland.

Wo sehen Sie die gesellschaftliche Aufgabe von Sportvereinen?


Sportvereine leisten unter anderem in den Bereichen Integration, Bildung und Gesundheit einen wichtigen Beitrag. Sport ist viel mehr als Spiel und Bewegung. Durch ihn werden die Anerkennung von Regeln, Respekt und Fairness - gegenüber sich selbst, den sportlichen Gegnern und den Mitmenschen - Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in andere Menschen sowie Teamwork spielerisch vermittelt. Man lernt beim Sport, mit Niederlagen umzugehen und dass es sich lohnt, nie aufzugeben. Im Verein erfahren die Menschen von Kindesbeinen an, dass man Einfluss nehmen und sich beteiligen, dass man etwas erreichen kann, wenn man gemeinsam für Ziele einsteht und diese beharrlich verfolgt. Die Menschen werden geradezu aufgefordert, sich einzubringen, damit der Verein lebt. Hier gibt es Parallelen zur gesamten Gesellschaft. Denn in Sportvereinen begegnen sich Menschen und gestalten ihr Umfeld und damit einen Teil der Gesellschaft gemeinsam.  

Im vergangenen Jahr haben zwei Sportvereine aus Hannover mit einer Kooperation im Bereich „Umwelt- und Klimaschutz“ gemeinsam den vierten Platz bei den „Sternen des Sports“ in Gold geholt. Beide Vereine hatten ihre Vereinsheime energetisch saniert und bieten jetzt gemeinsame Ferienprogramme unter dem Titel „ecoKids“ an, bei denen Kinder zum Beispiel aus Zahnpasta und Hibiskussaft eine Solarzelle basteln. Was halten Sie von dieser Kombination Sport und Umweltschutz?

Die Verbindung von Sport und Umweltschutz, wie in diesen beiden Projekten, ist das ganz große Anliegen, für das ich mich engagiere. Denn unsere Lebensgrundlage muss jetzt geschützt werden! Ich freue mich sehr, dass in den letzten Jahren immer mehr Initiativen und Projekte hier ansetzen.
Das gilt für kleinere, lokale Projekte genauso wie für Großveranstaltungen. Green Goal 2011, das Umweltprogramm der Frauen-Fußball-WM, hat mir und vielen Fans, Spielerinnen und Offiziellen noch einmal deutlich gemacht, wie viel Einsparpotenzial im Sport liegt. Klimafairness und Umweltfreundlichkeit ist eben auch da möglich, wo man sie nicht gleich vermutet. Das Bewusstsein dafür ist im Sport wie auch in der ganzen Gesellschaft zwar vorhanden, aber noch deutlich ausbaufähig. Das zu fördern ist mir ein großes Anliegen.

Wo können Sportvereine aus Ihrer Sicht noch mehr für den Umweltschutz und ein besseres Klima tun?

Genau diese Frage stellen wir uns in der DFB-Kommission Nachhaltigkeit, in der ich für Umwelt- und Klimaschutz verantwortlich bin. Ein Ergebnis wird im Frühjahr des kommenden Jahres eine DFB-Umweltkampagne sein, mit der wir den Klima- und Umweltschutz vor Ort in den Vereinen voranbringen wollen. Auch hier gilt: Mit vielen kleinen Projekten kann viel erreicht werden. Es müssen ja nicht immer gleich Millionen Euro oder viele Tonnen Müll oder CO2 eingespart werden. Fahrgemeinschaften oder die Bevorzugung von Öffentlichen oder ökologischen Verkehrsmitteln, eine bessere Steuerung von Wasser, grüner Strom, mehr Mülltrennung und -vermeidung, energetische Sanierung und regionales Essen und Trinken – all das schützt Umwelt und Klima und viele dieser Maßnahmen zahlen sich am Ende sogar finanziell aus und werden die Schatzmeister begeistern.
Sinnvoll und wünschenswert wäre es beispielsweise, wenn Sportanlagen und dazugehörige Gebäude wie Vereinsheime energetisch saniert werden. Es gibt in diesem Bereich einen massiven Nachholbedarf. Der DOSB spricht von einem Sanierungsstau im Umfang von ca. 40 Milliarden Euro. Da die Mehrzahl der Sportanlagen in kommunaler Hand ist, kann man den schwarzen Peter aber nicht den Vereinen zuschieben. Die Kommunen sind hier gefordert. Doch die haben oft einfach kein Geld oder sie geben es für weniger sinnvolle Dinge aus. Eine Sanierung kostet zwar erst einmal Geld, amortisiert sich aber mittel- bis langfristig auf alle Fälle.

Warum braucht unsere Gesellschaft das ehrenamtliche Engagement?

Viele Aufgaben, die Ehrenamtliche wahrnehmen, sind im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar. Dies gilt natürlich nicht nur für den Sport. Die Menschen, die ehrenamtlich aktiv sind, übernehmen oft Aufgaben, für die niemand Geld bezahlen kann oder will. Unsere Gesellschaft wäre ohne dieses Engagement eine ganz andere, viel kältere und dumpfere. Es ist an der Zeit, dass bürgerschaftliches Engagement und die Wahrnehmung von Ehrenamt mit neuen politischen und gesetzgeberischen Initiativen einen würdigen Stellenwert im gesellschaftlichen Gefüge erlangen.

Zeit ist in unserer Gesellschaft ein knappes Gut. Wie können Sportvereine um ehrenamtliche Helferinnen und Helfer werben? Womit können Sie punkten?


Die Sportvereine sind nur überlebensfähig, wenn es Menschen gibt, die dafür ihre Freizeit zur Verfügung stellen. Geld kann man damit nicht verdienen. Die Währung ist Anerkennung, oder sollte es zumindest sein. Hier gibt es sicher noch Nachholbedarf. Eine Preisverleihung wie die „Sterne des Sports“ ist hierfür eine tolle Gelegenheit. Aber auch im Rest des Jahres sollte man den vielen Ehrenamtlichen vor Ort immer wieder deutlich machen, dass man ihre Arbeit zu schätzen weiß. Um neue Helferinnen und Helfer zu erreichen, muss man die Menschen direkt zu persönlichem Engagement aufrufen und auch immer wieder deutlich machen, dass der organisierte Sport in Deutschland ohne persönliche Beteiligung in dieser Breite und in der aktuellen Form nicht bestehen kann. Dabei muss man auch den Lebensrealitäten Rechnung tragen und für punktuelles, zeitlich variables oder stark begrenztes Engagement werben. Punkten können Vereine mit Qualifizierung und dem Erwerb von sozialen Kompetenzen. Aber auch das Gefühl dazuzugehören und gebraucht zu werden, ist ein wichtiges Argument.

Frau Roth – sind Sie Mitglied in einem Sportverein? Und wie halten Sie sich fit?

Ganz vorne steht da natürlich mein ehrenamtliches Engagement im DFB, das mir viel Freude bereitet. Außerdem bin ich Fördermitglied der Deutschen Sporthilfe und Mitglied in zwei Fußballclubs. Darüber hinaus engagiere ich mich für einzelne Sportprojekte, aber aktives Mitglied in einem Sportverein bin ich nicht. Dafür fehlt mir auch leider die Zeit.
Was meine eigene Fitness angeht, da hält mich mein Terminkalender ganz schön auf Trab.


  • Claudia Roth hält ehrenamtliches Engagement für unbezahlbar. (Foto: Bundestags-Büro Claudia Roth MdB)
    Claudia Roth hält ehrenamtliches Engagement für unbezahlbar. (Foto: Bundestags-Büro Claudia Roth MdB)