Eine Herausforderung: Entwicklung der Leichtathletik in Tanzania

Seit 1. Februar 2008 läuft das Langzeitprojekt des DOSB zur „Entwicklung der Leichtathletik in Tanzania“. Finanziert wird das auf zwei bis vier Jahre angelegte Projekt aus Mitteln des Auswärtigen Amtes. Ein Bericht von Hans-Peter Thumm

Leichtathletik-Training in Tansania, Foto: H-P Thumm
Leichtathletik-Training in Tansania, Foto: H-P Thumm

Angesichts einer nur fragmenthaften Struktur des tansanischen Verbandes und  der folgenschweren Entscheidung des Erziehungsministeriums des Landes, den Schulsport inklusive seines Wettkampfsystems für sechs Jahre (2001-2007) vorübergehend auszusetzen, wird dieses Projekt zu einer Herausforderung.

Vor Jahren gab es in Tanzania legendäre Läufer wie Filbert Bayi, Weltrekordhalter 1974 - 1984 über 1500m, der heute Generalsekretär des tansanischen NOK ist; oder Suleiman Nyambui Hallenweltrekord 5000m/ 1979 in New York-Madisons Garden und Silbermedaillengewinner über 5000m bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau, heute Generalsekretär von Athletic Tanzania"; oder Juma Ikangaa, Gewinner der vier großen internationalen Marathons von 1978 - 1991 in Berlin (2x), Boston, Chicago und Tokio), heute Sportdirektor des Armeesports. Aus dieser Zeit ist zwar eine Laufszene übrig geblieben. Die sucht aber verzweifelt den Anschluss an die Giganten Kenia oder Äthiopien.

Von "leichtathletischer Kultur" noch weit entfernt

Mit Ausnahme von bescheidenen Ansätzen auf der Teilrepublik Sansibar ist
Tanzania weit von einer „leichtathletischen Kultur“ mit größerer Disziplinvielfalt entfernt. Mangels eines Clubsystems kann diese nur durch die landesweite Entwicklung der Sportart in den Schulen erarbeitet werden. Außerdem gilt es, die Leichtathletik auch als sportartübergreifende Grundlage zu begreifen, was selbst in Deutschland ein Defizit darstellt. Deshalb wurde in diesem Fall das DOSB-Projekt bewusst unter dem Ministerium für Erziehung angesiedelt. Der Verband sowie das Partnerministerium für Sport sind jedoch als weitere Partner stets miteingebunden und werden auch organisatorisch beraten. Ferner kooperieren wir mit den beiden Ausbildungsstätten für Lehrer mit der Fakulta Sport (Universität Dar es Salaam und Butimba-College am Victoria See).

Parallel zur generellen Projektstrategie stellt deshalb die „Reanimierung“ der Schulleichtathletik durch die dezentrale Ausbildung von Grund-und Real-schullehrern in allen Regionen des Landes die Priorität im ersten Projektjahr dar. In den bisher sieben Lehrgängen konnten rund 200 Kollegen auf Zanzibar und dem Festland in die Leichtathletik eingeführt werden. Weitere zehn solcher „Ele-mentarkurse“ sind derzeit in der Planung. Die Inhalte sind ausschliesslich auf die lokale Situation zugeschnitten. Nur die Teilnahme und der Nachweis einer anschliessend mindestens sechsmonatigen, leichtathletischen Schularbeit, be-rechtigen zur Zulassung für die nächst höhere Ausbildungsstufe innerhalb eines vom Experten konzipierten vierteiligen Systems.

Unvorstellbare Mühen für kurze Wege in der Regenzeit

Lediglich 13 500 Kilometer sind in diesem rund 72 000 Kilometer großen
Straßennetz asphaltiert. Tanzania ist mit 953 000 Quadratkilometern fast drei Mal so groß wie die Bundesrepublik. Es ist leicht vorstellbar, wie die Einsätze während oder nach der Regenzeit aussehen. Acht- bis elfstündige Fahrten mit dem vollbeladenen Projektfahrzeug (alle Leichtathletik-Geräte müssen im Moment noch mitgeführt werden) für nur 250 Kilometer lange Abschnitte sind kein Zuckerschlecken.

Aber auf andere Weise wäre die „Leichtathletik“ z.B. zu bestimmten Schul-bezirken nahe den Grenzen zu Sambia, Mozambique ,Ruanda oder Burundi einfach nicht „transportierbar“. Kurz gesagt: Es ist die Entwicklung der Sportart „pur“, wie wir Trainer es nur noch aus den Anfängen unserer Sportförderung in Afrika vor rund 40 Jahren gewohnt waren.

Dazu sind der theoretische Unterricht in normalen Klassenzimmern oder die Praxis auf ausgewiesenen Grasflächen an Schulen ebenso selbstverständlich wie eine unsichere Stromversorgung. Die wenigen leichtathletischen Anlagen der 60iger Jahre sind verrottet. Mittel zur Instandhaltung oder gar Erneuerung stehen im Moment nirgendwo zur Verfügung. Dafür herrscht aber in allen Lehrgängen eine geradezu familiäre Atmosphäre.

Zentrale für die schulische Leichtahtletik gefordert 

Angesichts der infrastrukturellen und logistischen Hindernisse ist der Wunsch
nach einer „Zentrale fuer die schulische Leichtathletik“ naheliegend. Im Nachbarbezirk Dar Es Salaams’, im 39 Kilometer entfernten Kibaha, scheint dieser Traum jetzt Wirklichkeit zu werden. Die ebenfalls jahrelang vernachlässigten Sportanlagen zweier dort ansässigen Sekundarschulen bieten die Chance für künftige, teilweise zentrale Ausbildungsmaßnahmen der Lehrer, Trainer – und Kampfrichter des Verbandes, die Organisation notweniger Wettkämpfe sowie das Training und die schulische Ausbildung von gesichteten Talenten. Es ist zwar noch ein langer Weg, aber auch ein Hoffnungsschimmer, der Leichtathletik neben ihrem „Mekka der Langstreckler“ in Arusha eine weitere Heimat zu geben.   

Nahezu alle Spitzenläufer Tansanias sind in der Region "Kilimanjaro" geboren und aufgewachsen. Arusha bietet dieselben physiologischen Höhenvorteile wie das kenianische Eldoret (Training zwischen 1400-2400m Höhe). In den letzten Jahren sind dort verschiedene "Laufschulen" entstanden, welche begabte Jugendliche fördern und eine schulische Ausbildung anbieten. Alle Schulen müssen allerdings privat finanziert werden. Die derzeit bekannteste Schule ist die „Tanzania Sportakademie Arusha“, mit rund 50 jungen Athleten. Aus ihr kommt auch der Weltmeister im Halbmarathon 2005, Fabian Joseph, und die afrikanische Vizemeisterin über 10 000m (2007) . In den letzten zwei Jahren wird Arusha auch von den Weltklasseläufern aus Katar und Bahrein zur Saisonvorbereitung genutzt.

Steckbrief Hans-Peter Thumm:

  • Geb. 22.11.1945 in Stuttgart
  • Studien zum Sport- und Techniklehrer,
  • Studium zum Diplomtrainer in Köln, 2.Schwerpunkt: Handball
  • 1970 - 1980 Trainer verschiedener Spitzenathleten
  • Seit 1980 als Experte für die „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit" ( früher) und NOK (jetzt DOSB) primär in Ländern Asiens und Afrikas eingesetzt
     

  • Leichtathletik-Training in Tansania, Foto: H-P Thumm
    Leichtathletik-Training in Tansania, Foto: H-P Thumm