Einladung zum Staatsbesuch“ hieß auch: Zu Gast beim Sport

Jedes Jahr im August lädt die Bundesregierung interessierte Bürgerinnen und Bürger zum Tag der Offenen Tür in das Kanzleramt, die 13 Bundesministerien und in das Bundespresseamt nach Berlin ein: „Einladung zum Staatsbesuch“ lautete am letzten Wochenende das Motto für Besichtigungen, Ausstellungen, Führungen, Talkrunden, Themenparks, Informationsstände, Mitmachangebote. Fast durchgängig in allen Ministerien - soviel als ein bemerkenswertes Fazit vorweg - wurden auch Beiträge zum Thema Sport und Bewegung angeboten.

So gesehen waren die etwa 150.000 Besucherinnen und Besucher zwischendurch auch immer wieder zu Gast beim Sport, und zwar nicht nur vor den aufgestellten Monitoren, auf denen die Olympischen Spiele aus Athen live verfolgt werden konnten.

 

Während es im Kanzlerpark zum Expertentreffen zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Oliver Bierhoff, dem neuen Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft kam, präsentierte sich das Bundesministerium des Innern (BMI) ganz im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland: In Talkrunden mit dem derzeit verletzten Nationalspieler Arne Friedrich (Hertha BSC Berlin) und Jürgen Rollmann, dem Koordinator der Bundesregierung für die Fußball-WM 2006, warb Staatssekretär Dr. Göttrik Wewer, im BMI auch Chef der Abteilung „SH“ (Sport, Hilfen für deutsche Minderheiten), für das Kunst- und Kulturprogramm bei der WM 2006: „Die genauen Inhalte werden heute natürlich noch nicht verraten.“ Dafür wurden im Foyer einige der 4,4 Mio. offiziellen deutschen Sterling-Silber-Euro-Gedenkmünzen zum Verkauf angeboten, die das Bundesministerium der Finanzen Anfang des Jahres aus Anlass der Fußball-WM Deutschland 2006 in zweiter, streng limitierter Ausgabe herausgegeben hat. Im Innenhof des BMI gab es auch Vorführungen in Akrobatik, Fechten, Karate, Judo und Turnen in der Regie des Olympiastützpunktes Berlin zu sehen.

 

Bewegung und Ernährung waren die bestimmenden Themen („Kinder leicht – Besser essen. Mehr bewegen“) im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft von Renate Künast, die sich selbst kurzzeitig von den beiden Deutschen Meisterinnen im Fußball, Inken Becher und Karolin Thomas vom 1. FFC Turbine Potsdam, zusammen mit zahlreichen Kindern in die Bewegungen elementarer Ballführung einweisen und sogleich zum Mitmachen animieren ließ. Apropos Mitmachen: Da gab es Kletterwände, Hüpfburgen, Luftkissenrutschbahn, Fahrradrallye, Trampoline, Tischfußball, Torwände, Fitness-Check, Fußballgeschwindigkeits-Messanlage etc., die zwar nicht zur Grundausstattung der Ministerien gehören, aber die Kinder und Jugendlichen zum spielerischen Bewegen überall einluden – genau wie beim Projekt „1000 Schulen in Bewegung“, das mit einem eigenen Stand im Kanzlerpark vertreten war.

 

Wer es dagegen bei den Rundgängen durch die Regierungshäuser in den Stadtbezirken Mitte und Tiergarten mehr auf Druckerzeugnisse zum Nachlesen für zuhause abgesehen hatte, der konnte sich gleich beutelweise mit ministeriellen und anderen Publikationen eindecken, in denen Sport mal mehr und mal weniger zum Thema gemacht wird. Beispiele gefällig? In der Broschüre „Gesund altern. Prävention und Gesundheitsförderung im höheren Lebensalter“ vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung wird kurz und bündig für lebenslangen Sport plädiert: „Sport und Bewegung sind in jedem Alter sinnvoll und möglich.“ Im 104-seitigen „Ratgeber für Elternhaus und Schule: Begabte Kinder finden und fördern“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist zwar vorn von sportlicher Begabung ausdrücklich die Rede, später werden aber unter den gängigen Schüler- und Jugendwettbewerben z.B. die Mathematik-Olympiade und „Jugend musiziert“ genannt, nicht aber der Bundeswettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“. Fast noch druckfrisch von Juni 2004 ist die neue Broschüre „Leistung fördern“ über die Sportpolitik des BMI, die aber ebenso ein Bekenntnis zum Zusammenwirken von Leistungs- und Breitensport enthält: „Sportlicher Erfolg an der Spitze sendet wertvolle Impulse für die Verbreitung und Entwicklung des Sports an der Basis“, schreibt Minister Otto Schily im Vorwort.

 

Eine Frage bleibt: Wo war Bundespräsident Horst Köhler beim Staatsbesuch? Das Schloss Bellevue blieb diesmal wegen länger andauernder Renovierungsarbeiten geschlossen. Aber der Bundespräsident hatte ohnehin sein Interesse am internationalen Sport in den letzten Tagen gleich mehrfach unter Beweis gestellt: Er war schließlich selbst zu Gast beim Sport bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Athen und beim ersten Fußball-Länderspiel in der Ära nach Rudi Völler am vergangenen Mittwoch in Wien.