Engagementpolitik: Chancen und Risiken für den Sport

Am 7. und 8. Oktober tagten in Leipzig überwiegend hauptamtliche Vertreter des DOSB und seiner Mitgliedsorganisationen zum Thema „Neue Engagementpolitik – auch für den Sport?“.

Talkrunde mit Sebastian Braun, Werner Ballhausen, Gabriele Freytag, Karin Fehres und Christoph Linzbach (v.li.). Foto: DOSB
Talkrunde mit Sebastian Braun, Werner Ballhausen, Gabriele Freytag, Karin Fehres und Christoph Linzbach (v.li.). Foto: DOSB

„Ehrenamt ist gesund!“ prangt auf der Projektionsfläche im Kongresssaal des Hotels Lindner. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Arbeitstagung schmunzelten über die Überschrift einer aktuellen Meldung in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, die Christian Siegel vom DOSB in seiner Bestandsaufnahme zur Situation im organisierten Sport zeigte . Gleichzeitig nickte die Mehrheit zustimmend.

Manfred Spitzer, Hirnforscher an der Psychiatrischen Uniklinik Ulm, hat nämlich herausgefunden, dass ehrenamtliches Engagement die Lebensqualität erhöht und „in manchen Fällen sogar Medizin ersetzen“ könne. Unabhängig davon, ob freiwilliger Einsatz z.B. Bluthochdruck zu senken vermag, steht fest: Ehrenamt und Engagement sind die wichtigsten Ressourcen des gemeinwohlorientierten Sports. Sie bilden die Grundlage für Entstehung und Weiterentwicklung von Sportvereinen und -verbänden und deren Aktivitäten. Die Landessportbünde und die meisten Sportfachverbände haben deshalb bereits in ihrer Satzung den Zweck und die Aufgabe verankert, „das Ehrenamt zu pflegen und zu fördern“.

Netzwerk von Ehrenamtsbeauftragten im DFB

Der Deutsche Fußballbund (DFB) war 1997 mit der erstmaligen Vergabe seines Ehrenamtspreises in die Offensive gegangen. „Wir haben die Rückmeldung unserer Vereine erhalten, dass sie immer öfter Probleme haben, neues Personal zu gewinnen und auch erfahrene Leute zu binden“, begründete Willi Hink in seinem Vortrag die Maßnahmen des DFB zur Unterstützung der Fußballvereine. Der Direktor für Amateursport im DFB nannte die Felder, auf denen man Erfolge erzielen möchte: „Wir bauen eine bundesweite Struktur zur Ehrenamtspflege auf und werden sie da, wo es sie gibt natürlich auch erhalten. Eine wichtige Rolle spielt dabei das enge Netzwerk von Ehrenamtsbeauftragten auf allen Strukturebenen des Verbandes. Sie sind die Ansprechpartner für Information und Qualifizierung der Mitarbeiter.“ Mittel- bis langfristig ließen sich durch den intensiven Dialog die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement verbessern, sagte Hink.

Auf Augehöhe mit der Politik

Eberhard Kundoch vom Landessportbund Nordrhein-Westfalen (LSB NRW) stellte die landesweiten Handlungsprogramme und Projekte vor, die der LSB seit 1993 entwickelt hat. Er brachte zusätzlich die Politik als strategischen Partner in die Debatte. Das LSB-Vorstandsmitglied forderte „eine vertrauensvolle Kooperation auf Augenhöhe“, in der der organisierte Sport seine Eigenständigkeit behielte: „Wir brauchen staatliche Förderung aber keine staatliche bzw. kommunale Steuerung.“

Damit spielte Kundoch auf die kurz vor der Tagung veröffentlichte, gemeinsame Pressemitteilung des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMA) an, in der die erste Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung vorgestellt wurde. Die Förderung der Zusammenarbeit von Staat, Wirtschaft und Stiftungen „für mehr Engagement und Innovation“ nimmt darin besonders großen Raum ein.

Bürgerschaftliches Engagement als eigenes Politikfeld

Karin Fehres, Direktorin Sportentwicklung im DOSB, vermisst die Einbindung der großen Organisationen der Zivilgesellschaft, deren „biggest player“ mit zehn Prozent Anteil von Freiwilligen schließlich der organisierte Sport sei. „Es darf nicht so sein, dass die Bundesregierung die Zivilgesellschaft auf strategische Partnerschaften mit Stiftungen und der Wirtschaft reduziert“, sagte sie.

Sebastian Braun, Professor an der Humboldt-Universität Berlin, relativierte die Befürchtungen des Sports. Engagementpolitik begreife „Zivilgesellschaft“ und „bürgerschaftliches Engagement“ als ein umfassendes Konzept zur Reform des Systems der Institutionen in der Gesellschaft. „Es ist mittlerweile ein eigenes Politikfeld, das Strategien fördert, die das bürgerschaftliche Engagement insgesamt in den Mittelpunkt rückt, nicht nur im Sport“, so Braun.

Koordination aller Institutionen und Organisationen

Bürgerinnen und Bürgern eröffneten sich dadurch vielfältige Chancen im öffentlichen Raum mitzuwirken, meinte Werner Ballhausen, Koordinator des Bündnisses für Gemeinnützigkeit, dem neben anderen großen Organisationen der Zivilgesellschaft auch der DOSB angehört. Ballhausen sieht in der neuen Engagementstrategie der Bundesregierung einen Meilenstein im föderalistischen System: „Jetzt gilt es genau zu beobachten, wie die Abstimmung zwischen Bund, Ländern und der Zivilgesellschaft läuft. Koordination steht an erster Stelle, damit nicht alle nebeneinander vor sich hin wursteln.“

Christoph Linzbach vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) versteht das als „Selbstverpflichtung von uns“, appellierte aber an alle, „nicht in Konkurrenzen zu denken“. Linzbach, einer der Autoren der Nationalen Engagementstrategie, war zur Arbeitstagung des DOSB eingeladen und nahm neben Fehres, Ballhausen und Braun an einer Talkrunde teil, die von Gabriele Freytag, Direktorin der Führungsakademie des Sports, moderiert wurde.

Zuwendungsrecht muss entbürokratisiert werden

Die Podiumsteilnehmer diskutierten die Auswirkungen, Chancen und Herausforderungen der neuen Engagementpolitik auf und für den Sport. In einem Punkt waren sich alle einig: Das freiwillige Engagement leidet unter einem bürokratisierten Zuwendungsrecht: „ein dickes Brett, an dem wir gemeinsam bohren“, sagte Linzbach, verwies aber gleichzeitig auf die letzte Legislaturperiode, in der die Bundesregierung das Paket „Hilfen für Helfer“ verabschiedet hatte. Karin Fehres mahnte selbstkritisch an, der Sport müsse auch sein Selbstverständnis klarer entwickeln und die Chancen für Kooperationen, beispielsweise mit Freiwilligendiensten oder Schulen, stärker nutzen. Braun riet dem Sport, sein Qualifizierungspotential in Bereich Bildung stärker auszuschöpfen, das er seiner Ansicht nach noch nicht wirklich entdeckt habe: „Im Ehrenamt können Menschen lernen.“

Kommunikationsplattform für ein weites Handlungsfeld

Wie weit das Handlungsfeld Sportentwicklung aufgefächert ist, zeigten gegen Ende der Tagung die Arbeitsgruppen an den sogenannten „Thementischen“. Die Mitgliedsorganisationen hatten im Vorfeld die Gelegenheit, ein Thema von aktuellem oder grundsätzlichem Interesse vorzuschlagen. Zur Diskussion standen schließlich: das Engagement von Sportvereinen in der Ganztagsschule, E-Learning-Programme als Lernplattform, neue Formen der Mitgliedschaft, die Gewinnung Älterer für bürgerschaftliches Engagement, Dopingprävention und Prävention sexualisierter Gewalt. Vorgestellt wurde zudem ein Konzept für ein neues Informations- und Kommunikationsinstrument. Mitte 2011 soll unter der Federführung des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen und unter Mitwirkung des DOSB sowie der Führungsakademie ein digitaler Newsletter Inhalte zum Bürgerschaftlichen Engagement und zum Ehrenamt im Sport aufbereiten und zielgruppenspezifisch von den Sportvereinen bis zur Bundespolitik interessierte Empfänger erreichen. Nach und nach soll eine Plattform für den Austausch und Dialog geschaffen werden. Die Mitgliedsorganisationen des DOSB sind eingeladen, sich auch redaktionell zu beteiligen. Aber Vorsicht: Freiwilliger Einsatz im Sport kann zu einer erhöhten Lebensqualität führen. Ehrenamt ist gesund!

Über ehrenamtliches Engagement sprechen

Ein Kommentar von Detlef Kuhlmann

Das Ehrenamt gehört zum Sport wie das Resultat zum sportlichen Wettkampf. Gäbe es das ehrenamtliche Engagement nicht, wäre der organisierte Sport in unserem Lande nicht existent. Diese Allerweltsweisheit wird immer dann gern kundgetan, wenn es die vermeintliche Krise des Ehrenamtes alarmierend zu attestieren gilt oder wenn die ehrenamtliche Wertschöpfung mal wieder besonders bejubelt werden soll.

Wie dem auch sei: Das Ehrenamt als eine konstitutive Säule des bei uns in Vereinen und über Verbände inszenierten Sports liefert zwar nicht pausenlos neue Ergebnisse, wie das die sportlichen Ereignisse selbst unaufhörlich tun. Über ein sportliches Geschehen lässt sich herrlich kommunizieren – aber über das Ehrenamt? Zumindest aus den letzten Wochen sind ein paar medial verbreitete Meldungen über das ehrenamtliche Engagement bundesweit kommuniziert worden. Sie sollen dazu beitragen, dem Ehrenamt zu vermehrter Aufmerksamkeit, wenn nicht gar zu neuem Glanz zu verhelfen. Wer erinnert sich noch?

Da ging Ende September die bundesweite Aktionswoche des bürgerschaftlichen Engagements 2010 mit einer Rekordbeteiligung zu Ende. Mehr als 1.700 Veranstaltungen wurden angeboten, darunter auch solche aus dem Sport wie bei der DJK Eintracht Stadtlohn oder der Versehrten-Sport-Gemeinschaft Kohlscheid oder anderswo. Da hatte der Landessportbund Nordrhein-Westfalen der Woche eine Verjüngungskur verordnet nach dem Motto „Junges Ehrenamt – wir gestalten Zukunft!“. Da fand Anfang Oktober die Frauenvollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes statt, wo es einen Appell für deutliche Verbesserungen der Rahmenbedin-gungen des Ehrenamtes gab, damit Frauen und Männer ihren Beruf und die Familie noch besser mit dem ehrenamtlichen Engagement im Sport in Einklang bringen können. Und vor einer Woche diskutierten überwiegend hauptamtliche Vertreter des deutschen Sports auf einer Arbeitstagung des DOSB unter dem Motto „Neue Engagementpolitik – auch für den Sport?“ intensiv über die erste nationale Strategie der Bundesregierung.

Diese Beispiele belegen beiläufig, dass und wie über das Ehrenamt kommuniziert wird. Die Kommunikation zielt letztlich darauf ab, noch mehr Menschen zu gewinnen, die neben ihren eigenen sportlichen Aktivitäten (manchmal auch anstatt dieser) bereit sind, für andere im Sport da zu sein, eben auch mit ihnen zu kommunizieren: Kommunikative Kompetenz lautet neuer-dings demzufolge der Terminus technicus – jedenfalls laut einer Studie an der Universität Bielefeld und in der dort angenommenen Promotion: Kommunikative Kompetenz ist beispielsweise notwendig, um die Interessen und Erwartungen gerade junger Menschen zu verstehen, damit sie möglichst in Eigenregie im Sportverein ihre Ziele entwickeln und die anstehenden Aufgaben selbst realisieren.

Fazit: Ehrenamtliches Engagement ist – nicht zuletzt auch eine Frage der kommunikativen Kompetenz.


  • Talkrunde mit Sebastian Braun, Werner Ballhausen, Gabriele Freytag, Karin Fehres und Christoph Linzbach (v.li.). Foto: DOSB
    Talkrunde mit Sebastian Braun, Werner Ballhausen, Gabriele Freytag, Karin Fehres und Christoph Linzbach (v.li.). Foto: DOSB