Erweitertes Führungszeugnis – erster Schritt zum Kinderschutz?

Durch den Aufwand für die Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis im Sport gerät die Auseinandersetzung mit dem Schutz von Kindern in den Hintergrund, meint Autorin Elena Lamby.

Mit der Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis sind Sportvereine und -verbände überfordert. Foto: picture-alliance
Mit der Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis sind Sportvereine und -verbände überfordert. Foto: picture-alliance

Das erweiterte Führungszeugnis erfährt eine hohe Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion um den Kinderschutz in Sportvereinen in Deutschland. Vor allem weil seit dem Jahr 2012 die Einsichtnahme in Führungszeugnisse über eine Vereinbarung mit den öffentlichen Trägern vor Ort für Sportvereine und -verbände rechtlich verpflichtend werden kann (Paragraph 72a Sozial-gesetzbuch VIII).

Regelmäßig wird dabei die Einführung des erweiterten Führungszeugnisses für alle Übungsleiter/ innen als ein erster Schritt für mehr Kinderschutz im gemeinnützig organisierten Sport hervorgehoben (undefinedzuletzt in den Handlungsempfehlungen des dritten Kinder- und Jugendsportberichts). Für viele scheint diese Empfehlung auf den ersten Blick einleuchtend zu sein. In der Praxis der Sportvereine und -verbände wirft sie jedoch viele – teilweise auch noch völlig ungelöste – Fragen auf. Dabei gerät das eigentliche Anliegen, den Schutz von Kindern zu verbessern, leicht aus dem Blick.

Die Deutsche Sportjugend (dsj) jedenfalls setzt sich seit Jahren für einen Kinder- und Jugendschutz ein, der mit einer klaren und nach außen sichtbaren Haltung gegen sexualisierte Gewalt, Doping, Diskriminierung und für Transparenz im Trainingsalltag eine Kultur der Aufmerksamkeit fördert. Kinderschutz und Kinderrechte im Sport zum Thema in Vereins- und Verbandsgremien, in der Aus- und Fortbildung, in Elterngesprächen und nicht zuletzt im Kinder- und Jugendsportangebot selbst zu machen, unterstützt die Entwicklung einer Haltung, die vor allem auch das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Blick hat.

Die aktuellen Erfahrungsberichte aus der Praxis der Sportverbände und –vereine bestätigen jedoch, dass die Einführung der Einsichtnahme von erweiterten Führungszeugnissen diesen Prozess der Auseinandersetzung im Kinder- und Jugendsport teilweise blockiert:

  • Viele Vereine sind mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben zum erweiterten Führungszeugnis (§ 72a Abs. 5 SGB VIII) und der damit einhergehenden Unsicherheit gegenüber den datenschutzrechtlichen Bedingungen überfordert.
  • Aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands, den die Einsichtnahme der erweiterten Führungszeugnisse mit sich bringt, wird auf weitere Präventionsmaßnahmen und so auf umfassende Schutzkonzepte verzichtet.
  • Aus arbeitsrechtlichen Gründen ist die Verpflichtung der Vereine und Verbände, sich von allen hauptberuflichen Mitarbeiter/-innen gem. § 72a Abs. 2 SGB VIII ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen zu lassen, nicht in jedem Fall umsetzbar.

Diese negativen Wirkungen der gesetzlichen Regelungen zum erweiterten Führungszeugnis auf den Kinderschutz sollten dringend geklärt werden. Dies ist auch die Kernaussage des dsj-Kommentars zum Bericht der Bundesregierung zur Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes, den der dsj-Vorstand am 4. März 2016 beschlossen hat.

Da der Evaluationsbericht nicht alle der oben genannten Umsetzungsprobleme des gemeinnützig organisierten Sports mit dem § 72a SGB VIII abbildet, hat die dsj sich erneut aktiv in die Diskussionen zur Weiterentwicklung des Gesetzes eingebracht. Bereits im Dezember 2014 hatte sie mit einem Forderungspapier – unterstützt vom DOSB-Präsidium und der Konferenz der Landessportbünde – darauf aufmerksam gemacht, dass eine Anpassung des im Rahmen des BKiSchG neu gefassten § 72a SGB VIII an die Realitäten des Kinder- und Jugendsports notwendig ist.

(Autorin: Elena Lamby/Referentin der Deutschen Sportjugend)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Mit der Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis sind Sportvereine und -verbände überfordert. Foto: picture-alliance
    Mit der Einsichtnahme in das erweiterte Führungszeugnis sind Sportvereine und -verbände überfordert. Foto: picture-alliance