Fairplay-Preis für André Wrede und Josef Giesen

Für ihr vorbildliches Handeln erhielten André Wrede (re.) und Josef Giesen den diesjährigen Preis für Fairplay und Toleranz des für den Sport zuständigen Bundesinnenministeriums (BMI).

Strahlen um die Wette: die Fairplay-Preisträger Josef Giesen (li.) und André Wrede. Copyright: picture-alliance
Strahlen um die Wette: die Fairplay-Preisträger Josef Giesen (li.) und André Wrede. Copyright: picture-alliance

„Aus, aus, aus. Der Ball war im Aus!“ Dies etwa hatte André Wrede im Sommer vorigen Jahres in Anlehnung an die berühmt gewordene Radio-Reportage vom Finale der Fußball-WM 1954 laut und deutlich über das Spielfeld gerufen. Genau gesagt: Am 8. August 2009 im Spiel seiner A-Junioren vom SV Lengede in der ersten Runde des Bezirkspokals gegen die Elf vom BSC Acosta Braunschweig. André Wredes Jungs lagen mit 0:1 zurück und hatten gerade den Ausgleich erzielt, doch ihr Trainer reklamierte gegenüber dem Schiedsrichter lautstark: Kein Tor, kein Tor!

Der lange Pass, der dem Treffer vorausging, hatte bereits die Seitenauslinie überrollt, bevor der Lengeder Linksaußen den Ball unter Kontrolle bringen konnte. André Wrede hatte dies sofort angezeigt – Ball im Aus. Doch statt Einwurf für die gegnerische Mannschaft zu geben, ließ der Schiri weiterspielen. Sekunden später kamen die Lengeder Junioren zum Ausgleich. Als der Schiedsrichter den Treffer anerkennen will, interveniert André Wrede erneut und heftiger als kurz zuvor. Er ruft den Referee zu sich an die Seitenlinie und gibt ihm nochmals zu verstehen, dass der Ball zuvor regelwidrig außerhalb des Spielfeldes gewesen ist und das Tor für seine Truppe deswegen nicht zählen könne. Der Schiedsrichter revidiert daraufhin seine Entscheidung. Die Partie zwischen den beiden Teams aus Niedersachsen wird beim Stand von1:0 für Braunschweiger fortgesetzt. Lengede verliert schließlich mit 1:2 und scheidet aus.

„Manche konnten das nicht ganz verstehen.“

„Im ersten Moment waren einige in der Mannschaft ziemlich sauer. Manche konnten das nicht ganz verstehen. Es gab natürlich Diskussionen“, so einer der Lengeder Juniorenspieler in Erinnerung an diese denkwürdige Szene. „Doch im Endeffekt geht Fairplay vor. Man möchte als Spieler und Sportler ja auch selbst so behandelt werden.“ Eine pädagogisch wertvolle Einsicht, die nun gewissermaßen wie die faire Tat an sich auf nationaler Ebene ihre verdiente Würdigung fand. Für sein vorbildliches Handeln erhielt André Wrede den diesjährigen Preis für Fairplay und Toleranz des für den Sport zuständigen Bundesinnenministeriums (BMI).

Wie seit 2006 üblich wurde die Preisskulptur aus Bronze, die von dem behinderten Schüler Bernd Brust der Würzburger Christophorusschule stammt und den Trost des Siegers an den Verlierer versinnbildlicht, im Rahmen des „Festes der Begegnung“ der Stiftung Deutsche Sporthilfe verliehen. „André Wrede hat der eigenen und der gegnerischen Mannschaft und den Zuschauern gezeigt, dass es Wichtigeres gibt als den Erfolg um jeden Preis“, erklärte Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im BMI, in Mannheim. Gerade Trainer und Übungsleiter seien im Sinne von Fairplay als Vorbilder, Leitbilder und Multiplikatoren prädestiniert. Die ihnen anvertrau-ten Kinder und Jugendlichen orientierten sehr stark an den Maßstäben und Verhaltensweisen ihrer Trainer und Übungsleiter. „Werte zu vermitteln, das ist eine Kernaufgabe des Sports“, sagte Cornelia Rogall-Grothe. Sie hoffe, dass Wredes Verhalten „viele Nachahmer findet“.

Dieselbe Erwartung ließe sich in Bezug auf den Behindertensportler Josef Giesen formulieren, der in Mannheim ebenfalls mit dem diesjährigen Fairplay-Preis des BMI geehrt wurde. Der 48-jährige Emsländer vom VfL Herzlake, der Contergan geschädigt mit einer Fehlbildung der Arme leben muss, hat als Biathlet und Skilangläufer nicht nur zahlreiche Medaillen bei Weltmeisterschaften und Paralympischen Spielen gewonnen. Giesen hat zugleich mehrfach wahre sportliche Größe und Respekt vor seinen Gegnern demonstriert und gezeigt, wie sich auch ein paralympischer Spitzensportler für die Gesellschaft, insbesondere für benachteiligte Kinder, einsetzen kann. Vor sechs Jahren bestieg er den Kilimandscharo, wobei jede 100 Höhenmeter durch Sponsoren mit einem zuvor festgelegten Betrag unterstützt wurden. Durch diese Aktion wurde die Arbeit des Kinderschutzbundes Emsland Mitte und des nordischen Behinderten-Skisports unterstützt.

Wie großartig, vorbildlich und fair man mit einer Platzierung umgeht, die gemeinhin mit dem Wörtchen undankbar bedacht wird, führte Giesen in diesem Jahr bei den Paralympischen Spielen in Vancouver vor Augen. In einem der dramatischsten Momente dieser Paralympics von 2010 kämpfte er auf der Zielgeraden gegen den Ukrainer Grygorii Vovchynskyi um die Bronze-Medaille. Der Kontrahent holt Meter um Meter auf und schiebt sich mit kraftvollen Stockschüben immer näher an Giesen heran, der in diesem Moment wenig entgegensetzen kann, weil er aufgrund der Fehlbildung seiner Arme in der Loipe ohne Stöcke auskommen muss und nur in der Art eines Eisschnellläufers skaten und auf die Kraft seine Beine vertrauen kann. So gelingt es ihm nicht, seinen Vorsprung über die Ziellinie zu retten. Er verfehlt Bronze schließlich um sieben Zehntel Sekunden. Auf dieses Ergebnis angesprochen, erklärt Josef Giesen: „Ich bin glücklich. Ich trauere nicht Bronze hinterher. Der Ukrainer war im Zielspurt schneller als ich. Am Ende war es ein gerechtes Resultat.“


  • Strahlen um die Wette: die Fairplay-Preisträger Josef Giesen (li.) und André Wrede. Copyright: picture-alliance
    Strahlen um die Wette: die Fairplay-Preisträger Josef Giesen (li.) und André Wrede. Copyright: picture-alliance