FAQs zum Entwurf für ein Sportfördergesetz

Seit dem 1. März ist der erste Entwurf für ein sogenanntes Sportfördergesetz öffentlich. Was das für den Sport bedeutet, wo Probleme liegen und wie es weitergeht.

Mit der Reform soll es der deutsche Sport bei Olympischen Spielen im Sommer wieder unter die Top 5, im Winter unter die Top 3 und im nicht-olympischen Sport bei den World Games ebenfalls unter die Top 3 schaffen. Foto: picture-alliance
Mit der Reform soll es der deutsche Sport bei Olympischen Spielen im Sommer wieder unter die Top 5, im Winter unter die Top 3 und im nicht-olympischen Sport bei den World Games ebenfalls unter die Top 3 schaffen. Foto: picture-alliance

Seit mehr als zwei Jahren arbeiten der organisierte Sport unter dem Dach des DOSB, das Bundesinnenministerium (BMI) und die Länder intensiv an einer Reform des Leistungssportsystems und der Spitzensportförderung in Deutschland. Ziel ist es, den deutschen Leistungssport, seine Athlet*innen und Verbände wieder in die Weltspitze zu führen – konkret bei Olympischen (Sommer)Spielen wieder unter die Top 5, im Winter weiterhin unter die Top 3 aller Nationen und im nicht-olympischen Sport bei den World Games ebenfalls unter die Top 3.

Vergangene Reformen haben das bis heute größtenteils leider nicht geschafft, bei Olympischen (Sommer)Spielen war der Trend an gewonnenen Medaillen in letzter Zeit sogar rückläufig. Deshalb braucht es Verbesserungen im aktuellen System und daran arbeiten wir.

Am 1. März 2024 wurde der 52-seitige sogenannte Referentenentwurf des BMI für ein neues Sportfördergesetz in die Ressortabstimmung gegeben und infolgedessen öffentlich. Mit diesem Gesetz sollen viele der gemeinsam geplanten Veränderungen verbindlich festgeschrieben werden. Allerdings löst dieser erste Entwurf große Irritationen aus, da viele Dinge, die in den letzten Jahren in enger Zusammenarbeit besprochen und erarbeitet wurden, in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt oder sogar ignoriert und übergangen wurden.

Wir haben deshalb für euch die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengetragen, um zu zeigen, wie es aktuell um den Prozess steht und wie es weitergeht.

Einmal von vorne: Wieso braucht es überhaupt ein Sportfördergesetz?

Kurze Antwort in drei abstrakten Worten: Planungssicherheit, Bürokratieabbau, Leistungsfähigkeit.

Es gab in Deutschland bisher noch nie ein Gesetz, das die Förderung des Spitzensports und die Verantwortung des Bundes für die Spitzensportförderung klar festgeschrieben hat. Mit jeder Bundesregierung mussten wir die Höhe und die Bedingungen der Förderung für den Leistungssport in Deutschland neu aushandeln. Das kostet viel Kraft und Zeit und verhindert eine gute, langfristige Planung. Ein Sportfördergesetz hilft deshalb bei der Planungssicherheit, weil es eine Förderung des Leistungssports verbindlich festschreibt und nicht mehr abhängig macht von z.B. politischen Unwägbarkeiten.

Als wichtiger Teil – vielleicht sogar das Herzstück – des Sportfördergesetzes gilt die Gründung einer unabhängigen Spitzensport-Agentur. Durch die zentrale Zusammenlegung vieler Aufgaben in dieser Agentur soll das Personal in Sportverbänden entlastet werden. Sie sollen weniger Zeit am Schreibtisch mit Förderanträgen und Verwaltungsaufgaben und dafür mehr Zeit mit und für Athlet*innen verbringen können, um die es letztendlich geht. Die Agentur soll also dabei helfen, unnötige Bürokratie im System abzubauen bzw. zwingend nötige Verwaltungsaufgaben dorthin zu verlagern.

Durch die Planungssicherheit in der Förderung des Leistungssports und weniger Bürokratie dank einer unabhängigen Spitzensport-Agentur könnten die Verbände und die Athlet*innen sich also wieder mehr auf ihren Sport konzentrieren und alles an Leistung rausholen, was in ihnen steckt.

So viel zur Theorie.

Wo genau liegt das Problem bei dem aktuellen Gesetzentwurf?

Die größten Baustellen sehen wir aktuell bei den drei Themen „Unabhängigkeit der Spitzensport-Agentur“, „Kooperation zwischen Politik und Sport auf Augenhöhe“ sowie Bürokratieabbau.

Eine unabhängige Agentur kann nur unabhängig arbeiten, wenn sie unabhängig ist. So weit so verständlich.

Im jetzt vorliegenden Referentenentwurf sichert sich das BMI über den Stiftungsvorsitz allerdings ein Vetorecht und damit die Kontrolle über die Ausrichtung und Entscheidungen der Agentur zu. Wirklich unabhängig kann die Agentur dann nicht mehr arbeiten und sie läuft zudem Gefahr, Spielball von unterschiedlichen Interessen zu werden, statt Entscheidungen auf sportfachlicher Basis und damit im besten Sinne des Sports zu treffen.

Um das zu verhindern war auch vereinbart, dass sich Politik und Sport in der Agentur auf Augenhöhe begegnen und jeder seine Expertise einbringt. Laut aktuellem Gesetzentwurf soll nun aber nur der Sport Kompetenzen abgeben, das BMI eignet sich dafür sogar neue Kompetenzen an. Damit widerspricht das BMI deutlich den bisherigen Vereinbarungen. In einem gemeinsam von BMI, DOSB und Ländern ausgearbeiteten Kurzkonzept aus dem September 2023 heißt es wörtlich: „In der Sportagentur begegnen sich der organisierte Sport und die staatlichen Akteure auf Augenhöhe und gleichberechtigt. Die Unabhängigkeit der Sportagentur in ihren fachlichen Entscheidungen ist für alle Beteiligten eine der wesentlichen Grundvoraussetzungen. Insbesondere wird die Sportagentur die Förderentscheidungen eigenständig und fachlich unabhängig treffen.“

Dass der Politik ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern wichtig ist, können wir nur befürworten. Einen gewissen Grad an Kontrolle durch die Politik braucht es deshalb in der Agentur, weil hier Steuergelder zum Einsatz kommen. Allerdings ist die Balance aus nötiger Flexibilität beim Einsatz von Ressourcen und Kontrolle im aktuellen Gesetzentwurf nicht ausgeglichen. Der Spitzensport ist ein hart umkämpftes Feld, bei dem man nicht mit strikten Vorgaben und wenig Flexibilität an die Weltspitze kommt. Man sieht bei bestehenden Stiftungen wie beispielsweise der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), dass diese Abwägung gut möglich ist. Wir fordern deshalb im Sport nichts, was nicht an anderer Stelle schon existiert und funktioniert.

Ein weiterer Schmerzpunkt für alle Beteiligten ist das leidige Thema Bürokratie. Alle sind sich einig, dass im aktuellen System ein zu hohes Maß an Bürokratie herrscht, was dazu führt, dass Sportverbände oftmals von der eigentlichen Arbeit mit den Athlet*innen abgehalten werden, weil sie sich mit Verwaltungsaufgaben beschäftigen müssen. Ein Grund hierfür ist unter anderem die zu hohe Anzahl von beteiligten Organisationen bei der Vergabe von Fördermitteln. Diese wollte man unbedingt reduzieren, indem man die neue unabhängige Spitzensport-Agentur ins Leben ruft, die bestehende Organisationen bei bestimmten Aufgaben ablösen kann und damit Ressourcen bündelt.

Laut aktuellem Gesetzentwurf ist derzeit jedoch geplant, die bisherige Struktur weitgehend unverändert zu lassen. Das würde dazu führen, dass das hohe Maß an Bürokratie, das aktuell besteht, bleibt bzw. im schlimmsten Fall sogar noch weiter ausufert. Denn wenn alle bestehenden Organisationen weiterhin an Fördervergaben beteiligt sind und zusätzlich noch eine neue Agentur ins Spiel kommt, dann hat man am Ende nicht für eine schlankere Struktur und mehr Effizienz gesorgt, sondern einfach nur einen neuen Player in den Raum geworfen. Das hieße für Verbände und die verantwortlichen Personen im Sport keine Verbesserung in diesem Bereich.

Das ursprüngliche Ziel – die Förderprozesse effizienter zu machen – wird durch den aktuellen Entwurf deshalb leider nicht erfüllt. Es droht sogar eine Verschlechterung gegenüber dem Status Quo.

Beschwert sich der DOSB jetzt nur, weil er seine Macht im System erhalten will?

Ganz klare Antwort: Nein. Oder noch klarer: Im Gegenteil, wir möchten sogar Verantwortung abgeben, nämlich an die unabhängige Spitzensport-Agentur. Diese Agentur würde in Zukunft Aufgaben übernehmen, die aktuell von uns als DOSB bearbeitet werden.

Es geht bei dieser Reform auch gar nicht um den DOSB. Es geht um den gesamten Sport, um die Förderung der Athlet*innen, die Arbeit der Verbände, von Sportdirektor*innen und von Bundestrainer*innen. Diese Gruppe haben wir vor Augen und möchten sie unterstützen.

Wir äußern uns lautstark, weil wir sehen, dass der Gesetzentwurf in die falsche Richtung steuert und den beteiligten Personen und damit dem Leistungssport in Deutschland nicht helfen würde.

Besteht noch Hoffnung auf eine gute Lösung?

Ja, auf jeden Fall. Der erste Entwurf des Gesetzes geht nun in die Abstimmung und ist keinesfalls die finale Version. Wir arbeiten zusammen mit der Politik in bestehenden Arbeitsgruppen weiter an der geplanten Reform. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass bis zum Sommer 2024 ein Entwurf im Bundeskabinett vorliegt, damit das Gesetz im Herbst vom Bundestag verabschiedet werden kann.

Bis dahin werden wir uns als DOSB weiter in die Diskussion einbringen, konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreiten und versuchen, ein gutes Ergebnis für den Sport, die Athlet*innen und alle beteiligten Personen zu erzielen. Leider ist der Auftakt in diesen Prozess mit dem vorliegenden Gesetzentwurf jetzt nicht einfacher geworden.

Grundsätzlich ist es wichtig, dass wir mit der Reform und dem Sportfördergesetz so schnell wie möglich vorankommen, damit Klarheit herrscht für Verbände und Athlet*innen. Wenn wir das schaffen, dann können wir guter Dinge in die sportliche Zukunft blicken und unser Ziel von Top 5- bzw. Top 3-Platzierungen bei Olympischen Spielen und World Games auch erreichen.

Was ist seit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs für das geplante Sportfördergesetz passiert? (Stand: 18.03.2024)

Hier findet ihr eine Zusammenstellung ausgewählter Presseberichte zu Stellungnahmen zum Referentenentwurf für das Sportfördergesetz in chronologischer Reihenfolge:

Freitag, 1. März:

Samstag, 2. März:

Sonntag, 3. März:

Dienstag, 5. März:

Sonntag, 10. März:

Montag, 11. März:

Dienstag, 12. März:

Mittwoch, 13. März:

Freitag, 15. März:

Sonntag, 17. März:

Montag, 18. März:

(Quelle: DOSB; aktualisiert am 18.03.2024)


  • Mit der Reform soll es der deutsche Sport bei Olympischen Spielen im Sommer wieder unter die Top 5, im Winter unter die Top 3 und im nicht-olympischen Sport bei den World Games ebenfalls unter die Top 3 schaffen. Foto: picture-alliance
    Mit der Reform soll es der deutsche Sport bei Olympischen Spielen im Sommer wieder unter die Top 5, im Winter unter die Top 3 und im nicht-olympischen Sport bei den World Games ebenfalls unter die Top 3 schaffen. Foto: picture-alliance