Feste feiern

Ohne Olympische Spiele wäre die Menschheit um ein Fest ärmer, das alle Völker eint, meint Prof. Hans-Jürgen Schulke, Vizepräsident von Special Olympics.

Die Flaggen der teilnehmenden Nationen bei der olympischen Schlussfeier. Foto: picture-alliance
Die Flaggen der teilnehmenden Nationen bei der olympischen Schlussfeier. Foto: picture-alliance

Der Mensch muss arbeiten, um zu leben. Die allermeisten jedenfalls. Oft ist das beschwerlich. Deshalb benötigt er Feiertage und Feste. Familienfeste, Schul- und Betriebsfeste, Stadtfeste, er hat seine religiösen Feste und Nationalfeiertage. Wir leben in einer globalen Gesellschaft. Haben wir auch Weltfeste? Da gibt es ein Weltjugendfestival, den Weltkongress der Lions, Weltmeisterschaften und Weltcups im Sport. Unbeschränkte Feierstimmung kommt nicht auf, sind diese Anlässe doch eher auf bestimmte Gruppen oder Regionen bezogen oder fachlich orientiert.

Tatsächlich gibt es nur ein Fest, dessen Idee für die gesamte Welt Gültigkeit hat, das an einem Ort und zu einem für alle verbindlichen Zeitpunkt stattfindet, an dem sich alle Länder der Welt unter den gleichen Regeln beteiligen und sie selbstverständlich verstehen, dessen Wettkämpfe und noch mehr die Zeremonien und Rituale Milliarden fesseln, an dem ganze Völkerscharen lebhaft Anteil nehmen: die Olympischen Spiele. Sie sind ein einzigartiges Fest aller Völker, faszinierende Leistungsschau und viel mehr noch Sinn-Bild für ein friedliches Zusammenleben. Sotschi hat das trotz vieler Fragezeichen eindrucksvoll bestätigt. Mit Schiller gesagt: Alle Menschen werden Brüder – Schwestern selbstverständlich eingeschlossen.

Auch die schönsten Feste sind nicht ungefährdet. Sie können verkehrt werden wie eine Zwangsheirat, missbraucht wie die Bartholomäusnacht und entleert wie vorweihnachtliche Betriebsfeiern. Das gilt auch für ein Weltereignis wie Olympische Spiele. Sie können ausgehöhlt werden, wenn sie ihren inneren Kern aufgeben: Der faire Leistungsvergleich als Erproben der psychosomatischen Potenziale sportlicher Aktivisten, eingebettet in die friedliche Begegnung von Menschen wie Nationen und ausgestaltet mit jeweils origineller kultureller Kreativität. Erlöschen können sie auch, wenn sie von außen politischen oder kommerziellen Interessen unterworfen werden sollen. Das auszubalancieren, ist permanente, höchst anspruchsvolle Aufgabe des IOC.

Kein Gremium wird diese Herausforderung fehlerfrei bewältigen können. Eine kritische Begleitung der Entscheidungsprozesse ist selbstverständlich und kann hilfreich sein. Das ist vornehme Aufgabe der Medien. Der Maßstab sollte dabei sein, den sinnbildlichen Wert dieses Weltereignisses zu stärken. Das ist nicht wenig in einer unbefriedeten Welt. Tagesaktuelle politische Positionen lassen sich mit den Olympischen Spielen nicht durchsetzen, würden sie überfordern. Schaut man in die gebloggten Kommentare der Sportinteressenten zu den vielen kritizistischen Berichten der Spiele von Sotschi, dann haben die meisten Menschen das gespürt.

Wenn jetzt der DOSB das Thema „Olympische Sommerspiele in Deutschland“ wieder gründlich prüfen und mit den potenziellen Ausrichtern Berlin und Hamburg sprechen will, so ist das auch ein Beitrag unseres Landes zu einer friedlicheren Welt. Das sollte vor allen Bedenken stehen, die in einer hektischen Informationsgesellschaft allzu schnell vorgetragen werden. Pragmatisch formuliert: Brauchen wir sie noch, die Olympischen Spiele? Eigentlich ist die Antwort einfach – ohne sie wäre die Menschheit ohne ein gemeinsames Fest. Die Welt wäre ärmer.

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Die Flaggen der teilnehmenden Nationen bei der olympischen Schlussfeier. Foto: picture-alliance
    Die Flaggen der teilnehmenden Nationen bei der olympischen Schlussfeier. Foto: picture-alliance