Frauen entdecken immer mehr eine Vorliebe für das nasse Element

Frau Hu lernt schwimmen. „Strecken - und eins, und zwei, langsam“, kommt das Kommando von Schwimmlehrer Paul. Frau Hu ist konzentriert, zieht Arme und Beine lehrbuchmäßig an.

Schwimmen ist ein beliebter Sport. Copyright: picture-alliance
Schwimmen ist ein beliebter Sport. Copyright: picture-alliance

„Und eins - jawohl weiter so.“ Frau Hu atmet gleichmäßig - eins und zwei. „Nicht schneller werden.“ Frau Hu ist plötzlich aus dem Rhythmus, wird hektisch, schluckt Wasser, schlägt um sich und kämpft sich an den Beckenrand. „Keine Panik, gleichmäßig durchatmen“, beruhigt Übungsleiter Paul Frau Hu, die sich japsend an der Ausstiegsleiter festhält.

Frau Hu holt etwas nach, was  sie schon immer machen wollte: Schwimmen. „Leider hatte ich nie Gelegenheit, schwimmen zu lernen. Aber jetzt will ich es einfach können“, sagt die 70-jährige Chinesin. Zusammen mit vier anderen Frauen ist sie damit eine Trendsetterin: Denn viele Zeitgenossen, vor allem Frauen, entdecken das Wasser als ihr Element. Den Trend zu Schwimmkursen und variantenreichen Aquafit-Angeboten bestätigen Bademeister, Sport- und Badeämter, Vereine und der Deutsche Schwimm-Verband (DSV).

Viele Anfragen für Schwimmkurse

Die 69-jährige Gisela Warnow schwört auf ihre Wassergymnastik. „Da fühle ich mich immer wohl.“ Wolfgang Lehmann, Referent für Breiten-, Freizeit- und Gesundheitssport im DSV, registriert vermehrt Anfragen. „Wir haben da keine Statistik, aber zum Thema Anfängerschwimmen oder Nachfragen, wo kann ich im Urlaub schwimmen oder außer  Brustschwimmen auch andere Stilarten lernen, kommen immer wieder.“

Mardjan Karimi wollte nicht immer nur zusehen, wenn ihre Familie und Freunde im Meer tobten. „Bei einer Kanutour war es dann soweit. Die anderen hatten Spaß, bei einer Rast von einem Baumstamm ins Wasser zu springen. Meine Freundin Jenny und ich waren wieder nur Zuschauer“, erinnert sich Mardjan. Kaum zuhause, wurde ein Schwimmkurs bei einem Verein gebucht. „Nach einem 20-Stunden-Kurs konnten wir schwimmen. Die 120 Euro waren gut investiert“, sagt sie. Ein zweiter Kurs folgte, und nun ziehen sie nahezu regelmäßig als Vereinsmitglieder ihre Bahnen. Eine weitere Erfolgsmeldung: Auch die Ehemänner stürzen sich nun einmal die Woche mit ihren Gattinnen in die Fluten. Kurse sind nicht selten ausgebucht - vor allem wollen viele aus Gesundheitsgründen durchs Naß pflügen. Birgit Abel erzählt: „Ich bin vorher sehr viel gejoggt, nun machen meine Gelenke nicht mehr mit. Ich brauche aber Bewegung. Ja, dann suchte ich eine Alternative. Die hieß: schwimmen. Das musste ich aber erst mal lernen.“ Seit drei Jahren besucht sie nun regelmäßig das Schwimmbad und bestätigt, dass mehr und mehr Frauen hier erst auf- und dann im wohltemperierten Wasser abtauchen.

Schwimmen im Burkini

Auch immer mehr Musliminnen finden Interesse am Schwimmen. Doch bisher war das häufig problematisch - sie durften nahezu nur separat, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ins Becken. Das könnte nun anders werden. In Berlin genehmigte Innensenator Ehrhardt Körting, der gleich-zeitig für Sport zuständig ist, einen befristeten Versuch: Schwimmen im Burkini. Schon in anderen Bundesländern steigen muslimische Frauen mit dem besonderen Badeanzug ins Becken - und eine multikulturelle Stadt wie Berlin wollte da nicht hinten anstehen. Auf den ersten Blick sieht der Burkini - eine Wortkreation aus Burka und Bikini - wie ein neues Modell für Superman aus: Lange Ärmel, lange Beine und Kapuze sowie eine Tunika darüber - aus Stoff, Elasthan und Polyester werden die Burkinis mittlerweile angeboten. Ob man damit schwimmen kann? Ja man kann, bestätigen die Probandinnen. Und die Marktwirtschaft hat auch schon zugeschlagen: Im Internet sind verschiedene Modelle mehrerer Firmen ab 70 Euro zu finden. Trotz mancher Bedenken - etwa dass Frauen nicht dazu gezwungen werden dürften, in Ganzkörperbekleidung ins Bad zu gehen - würden die Nachteile schon dadurch aufgewogen, wenn ein paar muslimische Mädchen und junge Frauen dank des Burkinis schwimmen lernten, ließ der Berliner Innensenator laut der Nachrichtenagentur AP wissen.

Burkini hin, Badeanzug her - die Frauen freuen sich häufig nach dem Kurs aufs „Après Schwimmen“. „Die soziale Komponente, in diesem Fall das gemütliche Zusammensitzen nach den Wasseraktionen, ist auch für viele, nicht nur Ältere, ein ganz wichtiger Grund, sich für so ein Angebot zu entscheiden.“ sagt Lehmann. Manchmal kommt nach dem Kurs die Vereinsmitgliedschaft, um das fortsetzen zu können. Der Kontakt geht dann oft weit über den Sport hinaus. Gerade in Großstädten flüchten viele Alleinstehende aus ihrer Einsamkeit mit Hilfe des Sports, in diesem Fall des Schwimmens.

Dass schwimmen können auf jeden Fall hilfreich sein kann - auch auf beruflicher Ebene, das erfuhr die Filmschauspielerin Eva Mendes, die derzeit in „The Spirit“ auch als Wasserkünstlerin zu sehen ist. Doch da trügt der Schein: Die Hollywood-Akteurin kann nämlich gar nicht Schwimmen und hat panische Angst vor dem nassen Element. Die Unterwasserszenen wurden im Studio gedreht und das Meer nachträglich am Computer als Montage eingebaut, während Frau Mendes vor einer Windmaschine hing und Trockenübungen vollführte. Hätte es diese technischen Tricks nicht gegeben, „hätte ich entweder die Rolle zurückgeben oder Schwimmen lernen müssen“.

Tricks braucht Frau Hu nicht. Für sie wäre nur Schwimmen lernen in Frage gekommen. Sie wagt sich nun schon - nach zehn Stunden - ins Schwimmerbecken. Alleine. Ohne Paul, ohne Schwimmbrett. Nur in der Nähe des Beckenrandes muss es schon sein. Tief durchatmen. Abstoßen. Und sie zählt „eins und zwei, und eins und zwei...“ Sie lächelt der Zuschauerin am Beckenrand zu. Tatsächlich: Frau Hu kann schwimmen.

Für viele Migrantinnen wird allerdings der Zugang zum Schwimmen erleichtert, wenn Frauen diese Kurse anbieten. Sie fühlen sich oftmals wohler und nicht so beäugt. Bei einigen Migrantinnen-Gruppen wie z.B. gerade bei den religiös muslimischen Frauen wird das Schwimmen lernen nur von Frauen vermittelt. Das Netzwerkprojekt „Bewegung und Gesundheit: Mehr Migrantinnen in den Sport“ des DOSB und des Bundesgesundheitsministeriums unterstützt das Schwimmen lernen von Migrantinnen. Mit der DLRG als Kooperationspartnerin soll erreicht werden, mehr Migrantinnen für den Schwimmsport zu motivieren. Die Ergebnisse aus dem Netzwerkprojekt werden dann den Mitgliedsorganisationen sowie der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Weitere Informationen zum Netzwerkprojekt unter: Öffnet ein Fenster zum Versenden einer E-Mailzschippang@dosb.de.


  • Schwimmen ist ein beliebter Sport. Copyright: picture-alliance
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