Freie Bahn für die Schwimmausbildung

Schon vor Corona konnten nur 40 Prozent der Zehnjährigen sicher schwimmen. Heute dürften es nochmals deutlich weniger sein, warnt die DLRG-Präsidentin Ute Vogt zu Beginn der Freibad-Saison.

Nur sichere Schwimmer*innen sollten den Sprung ins Wasser wagen. Foto: picture-alliance
Nur sichere Schwimmer*innen sollten den Sprung ins Wasser wagen. Foto: picture-alliance

Die Sonne wärmt uns wieder und die Tage werden länger: Die Badesaison kann kommen. Für uns von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) beginnt damit die Zeit, in der wir verstärkt einer unserer Hauptaufgaben nachgehen: Unsere Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer sorgen für Sicherheit am und im Wasser. So können Millionen Menschen an den vielen Badestellen in Deutschland unbeschwert schwimmen und baden gehen.

Der Beginn der Badesaison ist für uns bei der DLRG jedoch auch zunehmend mit Sorgen verbunden. Denn eine sichere Freizeit am Wasser wird nicht allein durch Strukturen der Wasserrettung geschaffen. Kinder wie auch Erwachsene müssen wissen, wie sie sich richtig verhalten, um Risiken zu vermeiden. Und sie müssen sicher schwimmen können. Das ist die beste Vorbeugung vor dem Ertrinken. Doch leider sind viele Menschen keine sicheren Schwimmer mehr, allen voran der Nachwuchs. Das hat vor allem zwei Gründe: Die Zahl der Schwimmbäder in der Bundesrepublik schrumpft seit der Jahrtausendwende. Gegenüber dem Jahr 2000 haben wir heute rund 1.600 Bäder weniger, die für die Schwimmausbildung geeignet sind. Den Schulen und ausbildenden Vereinen wird so mehr und mehr die Grundlage entzogen. Der zweite Grund: Die Bäder, die wir noch haben, waren während der Pandemie über Monate geschlossen. Alle. 2020 hat die große Mehrheit eines ganzen Jahrgangs nicht schwimmen gelernt. Bis heute ist die Schwimmausbildung noch nicht überall wieder richtig angelaufen. Schon vor Corona konnten nur 40 Prozent der Zehnjährigen sicher schwimmen. Heute dürften es nochmals deutlich weniger sein.

Sichere Schwimmer sind übrigens Personen, die das Deutsche Schwimmabzeichen Bronze („Freischwimmer“) abgelegt haben oder aber die Anforderungen daran erfüllen. Weit mehr Kinder haben natürlich ein Seepferdchen-Abzeichen. Dieses bescheinigt allerdings nur eine Ausbildung wichtiger Grundfertigkeiten, die für das Schwimmen können entscheidend sind. Das Seepferdchen reicht nicht aus, um sicher allein zu schwimmen.

Was aber tun, um wieder mehr Kindern das Schwimmen beizubringen? Viele Ortsgruppen der DLRG werden neben den regulär stattfindenden Anfängerschwimmkursen in den kommenden Monaten zusätzliche Schwimm-Lern-Angebote schaffen - im Rahmen unserer Schwimmkampagne 2022 „Weil Schwimmen Leben rettet“, die der DLRG Bundesverband und die Landesverbände am vergangenen Wochenende auf den Weg gebracht haben. Damit wollen wir möglichst viele Jungen und Mädchen in Deutschland zu sicheren Schwimmerinnen und Schwimmern machen. Mit dem Vorhaben knüpfen wir an unsere Kampagne aus dem vergangenen Sommer an. Unsere örtlichen Vereine erhielten schon damals Unterstützung durch den DLRG Bundesverband, der Ausbildungsmaterial und finanzielle Mittel bereitstellte. So konnten 2.000 zusätzliche Kurse mit 24.000 Teilnehmern durchgeführt werden. Rund 10.000 Seepferdchen und 3.500 Freischwimmer zusätzlich zählten wir am Ende des Sommers. Und dennoch lagen die Ausbildungszahlen der DLRG im vergangenen Jahr (trotz starkem Anstieg gegenüber 2020) weiter unter dem Niveau von vor der Pandemie.

Auch abseits unserer bis zum Jahresende laufenden Schwimmkampagne werden im Sommer wieder bundesweit die Anstrengungen erhöht, um den Nachholbedarf zu verringern. Dabei wird neben der DLRG auch der Deutsche Schwimmverband wieder ebenso engagiert auftreten wie die Schwimmmeister und andere Akteure. Die Zahl der Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmer in Deutschland zu senken, wird allerdings nur gelingen, wenn der Schwimmunterricht in den Schulen flächendeckend stattfindet. Deshalb muss es das Ziel sein, dass dieser möglichst bis zum Jahr 2030 in allen Schulen wieder selbstverständlich geworden ist. Denn das Schwimmen ist eine Kulturtechnik wie das Lesen, Schreiben und Rechnen.

Am Ende der Grundschule sollen alle Schülerinnen und Schüler sichere Schwimmerinnen und Schwimmer sein. Darauf haben sich die Kultusministerinnen und -minister bereits im Jahr 2019 verständigt. Nun müssen Bund und Länder auch die Kommunen in die Lage versetzen, die notwendige Infrastruktur dafür vorzuhalten. Daher setzen wir uns dafür ein, dass sie gemeinsam einen bundesweiten Bäderbedarfsplan aufstellen und umsetzen. Die bisherigen Sportstättenförderungen, in denen Bäder aufgrund ihrer hohen Betriebskosten ohnehin oft das Nachsehen haben, greifen hier deutlich zu kurz.

Und was machen die Familien mit Nichtschwimmerkindern jetzt während der kommenden Bademonate? Trotzdem ins Wasser gehen! Sie sollen gemeinsam planschen, spielen und Spaß haben - aber immer in Griffweite. So gewöhnen sich die Kleinen wie von selbst an das nasse Element und das Schwimmenlernen fällt später leichter. Das Badevergnügen sollte aber ausschließlich in Schwimmbädern und an bewachten Badestellen stattfinden. Zudem sollten Mama, Papa, Oma oder Opa zusammen mit dem Nachwuchs die Baderegeln lernen beziehungsweise auffrischen und natürlich immer beherzigen.

Mit einem fröhlichen „Patschnass“ und guten Wünschen für eine unfallfreie Badesaison,

(Autorin: Ute Vogt, Präsidentin der DLRG)

In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.


  • Nur sichere Schwimmer*innen sollten den Sprung ins Wasser wagen. Foto: picture-alliance
    Drei Kinder springen mit einem Kopfsprung in ein Schwimmbecken. Foto: picture-alliance