Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr! - Statt eines Jahresrückblicks - Briefwechsel von Dr. Klaus Steinbach

NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach. Copyright NOK.
NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach. Copyright NOK.

Das Olympische Sportjahr 2004 geht zu Ende, die Redaktionen feilen an ihren Jahresrückblicken. Da wir davon ausgehen, dass Sie die Fakten, Bilder oder O-Töne des Sports 2004 längst beieinander haben, verzichten wir unsererseits darauf, Ihnen noch einmal aufzulisten, was Sie bereits kennen.

 

Folgenden Briefwechsel möchten wir Ihnen jedoch nicht vorenthalten:

 

Der 13-jährige Christoph Steinert aus Waldburg bei Ravensburg möchte es Ihnen nachtun und aus der schönsten Nebensache der Welt einen Beruf machen.

 

Er hat uns geschrieben, NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach hat ihm geantwortet. Beide Briefautoren würden sich über eine Veröffentlichung freuen.

 

Das NOK-Presseteam dankt für das kollegiale Miteinander, ob in Athen oder in Deutschland und wünscht Ihnen ein erholsames Weihnachtsfest und ein gutes und gesundes Neues Jahr.

 

 

Waldburg, 14.12.2004

 

Liebes NOK,

 

Ich habe diesen Text selbst verfasst und ich fände es ganz toll, wenn Sie ihn bitte durchlesen würden. Ich verfolge mit größtem Interesse den internationalen Sport und vor allem Olympische Spiele faszinieren mich. 2006 würde ich vielleicht als mini Sport-Reporter nach Turin reisen. Das wäre mein großer Traum. Selbst mache ich auch viel Sport (Klettern, Fußball, Langlauf,…) und will später unbedingt Sportreporter werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Christoph Steinert, 13 Jahre

 

 

Das Sportjahr 2004

 

Die großen Sportereignisse im Jahr 2004 sind vorbei und es ist an der Zeit ein Fazit für das Sportjahr mit Olympia und Fußball-EM zu ziehen.

 

Es gibt genug negative Menschen in Deutschland die sagen würden, dass alles eine große Enttäuschung war. Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der EM in der Vorrunde ausgeschieden. Olympia mit einer sehr mittelmäßigen Medaillenbilanz! Erfolge gab es ausschließlich in Randsportarten (Kanu, Reitsport) und in den Kerndisziplinen Schwimmen, Leichtathletik und Turnen gab es in 76 Entscheidungen schwache 7 Medaillen. Unsere Skiadler Sven Hannawald und Martin Schmitt enttäuschten bei Weltcups und der Vier-Schanzen- Tournee auf ganzer Linie.

 

Jan Ullrich kam bei der Tour de France nicht einmal auf das Podest und ihn und Armstrong trennten Welten.

 

Doch trotzdem brauchen wir uns vor den großen Sportnationen nicht zu verstecken. Wir haben mit Michael Schumacher den ganz unbestritten besten Formel-1 Rennfahrer der Welt in unseren Reihen. Und auch wenn es ernüchternd klingt, sich bei einer Fußball-Europameisterschaft schon in der Vorrunde zu verabschieden, so waren die Spiele auch nicht ganz so schlecht, wie sie gemacht wurden. Mit dem berühmten Quäntchen Glück wäre das Viertelfinale locker drin gewesen.

 

Außerdem kann uns die junge Mannschaft von Jürgen Klinsmann noch viel Freude bereiten. Das Wort Randsportarten bei Olympia ist relativ. Ist es nicht eine riesengroße Leistung die Birgit Fischer noch im zarten Alter von 42 Jahren zu ihren großen Erfolgen verhilft? So ist es doch auch großartig, dass wir die alles überragende Kanunation in der Welt sind. Hierfür gibt es nicht genügend Superlative zu finden.

 

So ist es doch auch toll, dass in Deutschland die besten Reiter der Welt leben wie z.B. Ulla Salzgeber, Ludger Beerbaum und Bettina Hoy (die in unserem Herzen Doppelolympiasiegerin ist). Außerdem haben wir tolle Typen in unserem Land wie ein Andreas Dittmer der nach einem enttäuschenden 2. Platz auf seiner Paradestrecke im Kanusport, über die ungeliebten 5OOm zu Gold paddelte. Und da gibt es auch noch einen Ralf Schuhmann der mit der Schnellfeuer-Pistole zum dritten Mal nach Barcelona und Atlanta Gold holte. Nicht zu vergessen eine Anna Dogonadze die auf dem Trampolin nach ihrem krankheitsbedingten Ausfall von Sydney und einem Bänderriss am Knöchel im Vorfeld von Athen zu Gold sprang. Auch zu beachten das tolle Abschneiden der Deutschen Judoka die

mit einmal Gold durch Yvonne Bönisch und dreimal Bronze eine bis dahin eher mittelmäßige Disziplin zu Erfolgen führt. Besonders stark aber das Abschneiden der Deutschen in Mannschaftsportarten. Unvergessen der sensationelle Sieg der deutschen Hockeyfrauen die wirklich aufopferungsvoll kämpften. Im Finale fertigten die Deutschen die Holländische Mannschaft ab, die in der Vorrunde gegen die Deutschen noch einen 4:1 Sieg eingefahren hatten. Auch die Deutschen Handballer schnupperten an Gold und mussten erst im Finale gegen Kroatien die Segel streichen. Vor allem im Krimi-Viertelfinale gegen Spanien zeigte die Mannschaft um den Weltklasse parierenden Torwart Henning Fritz eine hervorragende Leistung. Das tolle Ergebnis in Teamsportarten rundeten die Deutschen Springreiter, die Dressurequipe, die zahlreichen deutschen Schwimmstaffeln, die Fußballfrauen, die starken Kanuvierer, die Hockeyherren und der Bahn Dreier ab. Zudem

wachsen einige Talente in unserem Land heran wie z.B. ein Fabian Hambüchen der den Deutschen Turnsport endlich wieder zu Erfolgen führen könnte. Auch die stark kritisierten Leichtathleten haben eine Menge Potential in ihr Reihen.

 

Besonders hoch zu bewerten die starke Leistung der deutschen Behinderten-Sportler die bei den oft leicht belächelten Paralympics mindestens so große Leistungen bringen, wie die anderen Olympioniken. Bei der Tour de France konnte Jan Ullrich zwar nicht wirklich überzeugen, doch aus deutscher Sicht gab es dennoch positives zu vermelden. Da wäre erstens Jens Voigt der mit seinem riesigen Kämpferherz für Furore sorgte und die halbe Tour in Ausreißergruppen verbrachte. Und da wäre zweitens noch Andreas Klöden der einen völlig überraschenden zweiten Gesamtrang holte, und die Tour seines Labens fuhr. Auch im Wintersport gibt es vielen Grund zur Freude. Mit Ronny Ackermann, Ricco Groß, Martina Glagow und Rene Sommerfeld haben wir einige Goldanwärter für Turin 2006. Dazu kommen die starken Bobfahrer, Rodler und Eisschnellläufer die immer Garanten für den Erfolg sind. Aber auch neue Namen tauchen auf wie Georg Späth oder Stefan Lindemann der bei der Eiskunstlauf-WM in Dortmund völlig unerwartet Bronze gewann.

 

Wir können im großen und ganzen also sehr zufrieden sein mit dem deutschen Spitzensport und uns auf eine Zukunft mit vielen Erfolgen freuen.

 

Verfasser: Christoph Steinert (13)

 

 

Frankfurt, 20.12.2004

Lieber Christoph Steinert,

 

Hoffentlich ist es für Dich in Ordnung, wenn wir Dich noch duzen, aber im Sport ist das ja nichts Ungewöhnliches.

 

Wir vom Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland erhalten täglich sehr viel Post, darunter auch zahlreiche persönliche Anregungen oder Bitten, die wir nicht immer auch persönlich beantworten können. Manchmal aber eben doch.

 

Dein Brief hat uns sehr gefreut, denn wir denken, dass es Hunderttausende von Kindern und Jugendlichen in Deutschland gibt, die in der Familie, in der Schule, im Verein oder mit Freunden mit Sport aufwachsen und dort nicht nur, um in Deinen Sportarten zu bleiben, den Vorstieg im 6.Grad, beidfüssiges Flanken oder eine tolle Kondition erlernen oder sich erarbeiten, sondern auch gemeinschaftliche Erlebnisse haben, Grenzerfahrungen machen und eine gesunde Balance zwischen Körper, Seele und Geist erlangen.

 

Aber wenige sprechen oder schreiben über diese Erfahrungen, und noch weniger machen das mit soviel Engagement und Talent wie Du.

 

Es gibt zum Jahresende zahllose Sportjahresrückblicke. Deiner ist etwas Besonderes, und in Eurem Vereinsheft oder in einer Schülerzeitung wäre der Artikel sicher gut untergebracht - etwas, was man von einem 13-jährigen nicht ohne weiteres erwarten kann.

 

Du bist übrigens nicht der Einzige, der die vielfältige und faszinierende Welt des Sports durch Wort oder Bild auch Dritten zugänglich machen möchte.

 

Wir vom NOK haben nämlich nicht nur die Aufgabe, für gute Rahmenbedingungen für Sportlerinnen und Sportler zu sorgen, die Mannschaft zu nominieren oder sie bei Spielen gut zu betreuen. Wir haben nicht nur die Verantwortung, den Kampf gegen Doping so voranzutreiben, dass wir in Turin und Peking noch mehr Betrüger erwischen als in Athen. Und wir haben nicht nur die Aufgabe, in Gesprächen mit unseren Partnern vom Deutschen Sportbund nach Wegen zu suchen, wie man gemeinsam den deutschen Sport noch leistungsfähiger machen kann. Und natürlich versucht ein NOK auch immer wieder, Olympische Spiele nach Deutschland zu holen, das ist in diesem Jahr für die Leipziger leider gescheitert, aber Deutschland wird immer wieder neue Anläufe unternehmen.

 

Wir haben aber auch die Vorgaben der Olympischen Charta, das ist so etwas wie unsere Schulordnung. Die Charta verpflichtet uns, die olympischen Ideale, den Geist von Fair Play, von friedlichem sportlichen Wettstreit zwischen den Völkern zu verbreiten, also dafür zu sorgen, dass möglichst viele Sportfans bei aller Begeisterung nicht vergessen, das Sport mehr ist als eine möglichst schwierige Tour in Deinem Klettergarten, ein 1:0 gegen Euren Tabellennachbarn oder eine neue Bestzeit.

 

Und bei keinem sportlichen Ereignis kommt dieses „mehr“ so zum Ausdruck wie bei Olympia, Du spürst ja selbst an Dir und Deinem Schreiben, wie lebendig die Bilder von Athen noch vor Deinem geistigen Auge sind.

 

Die Sportler sagen das auch, vielleicht erinnerst Du Dich an Nadine Kleinert, die im Kugelstoßen erst Bronze und dann, nach der Doping-Disqualifikation der russischen Konkurrentin, Silber gewonnen hat und sagt: “Die Medaille von Athen bedeutet mir so viel wie alle anderen Medaillen zusammen.“ Und das sind bei Nadine ganz schön viele. Mir geht es nicht anders, ich habe bei Olympia als Schwimmer in München und Montreal je eine Medaille gewonnen und zehre noch heute davon.

 

Und deshalb ist es gut, nicht nur Sport zu treiben, sondern auch über Sport zu reden oder gar zu schreiben. Ich kann Dir leider keinen Platz als „mini-Reporter“ in Turin versprechen, dafür wird es dort vor allem in den Bergen viel zu eng werden. Aber vielleicht darf ich Dir einen Tipp geben, damit sich Deine Chancen auf eine spätere olympische Berichterstattung erhöhen. Wenn Ihr an Eurer Schule eine Schülerzeitung habt, dann biete dort Deine Dienste an. Und wenn Dir das Spaß macht, dann bemühe Dich bei Deiner Tageszeitung oder Eurem Lokalsender um ein Praktikum – immer wieder, auch wenn es nicht auf Anhieb klappt. Mit dem Beruf ist es nämlich wie mit Olympia – Du musst es immer wieder versuchen, und die Besten sind oft auch die Hartnäckigsten. Und wenn Du nebenher immer noch Zeit für Sport hast, dann würde mich das sehr freuen.

 

Dir, Deiner Familie und Deinen Sportkameraden wünsche ich ein ruhiges und besinnliches Weihnachtsfest und ein gutes und gesundes Neues Jahr.

 

Dr. Klaus Steinbach


  • NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach. Copyright NOK.
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