Für hartes Anti-Doping-Gesetz und durchgreifende Sportgerichte

DOSB-Generaldirektor Michael Vesper hat einen Beitrag zum Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes für die FAZ geschrieben, der in leicht gekürzter Form erschienen ist. In seiner ganzen Länge gibt es ihn hier:

Michael Vesper sieht vor allem die Bestimmungen zum sogenannten „Selbstdoping“ im geplanten Anti-Doping-Gesetz kritisch. Foto: picture-alliance
Michael Vesper sieht vor allem die Bestimmungen zum sogenannten „Selbstdoping“ im geplanten Anti-Doping-Gesetz kritisch. Foto: picture-alliance

Es ist ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält und doch ganz falsch ist: dass der Sport nämlich gegen ein hartes Anti-Doping-Gesetz sei. Das Gegenteil ist richtig. Der DOSB, das Dach des organisierten Sports in Deutschland, tritt seit seiner Gründung für einen entschiedenen Kampf gegen dieses Übel ein. Das haben wir immer wieder deutlich gemacht, etwa in dem Beschluss unserer Mitgliederversammlung vom Dezember 2013, in dem wir ausdrücklich ein Anti-Doping-Gesetz fordern.

Selbstverständlich weiß der Sport, dass er den Kampf gegen Doping nicht allein erfolgreich führen kann. Er braucht die Unterstützung des Staates mit seinen Ermittlungs- und Sanktionsmöglichkeiten. Der Sport kann weder Telefone überwachen noch Wohnungen durchsuchen. Um den Sumpf auszutrocknen und die Helfer strafrechtlich zu verfolgen, brauchen wir Polizisten, Staatsanwälte und mit der Materie vertraute Richter, die schnell urteilen.

Deshalb begrüßen wir, dass die Bundesregierung jetzt den Entwurf eines Anti-Doping-Gesetzes vorlegt, der die unterschiedlichen Bestimmungen zusammenführt und wichtige Neuregelungen anpackt. So soll künftig die NADA gestärkt werden, indem ihr Ermittlungsergebnisse von Staatsanwaltschaften zur Verfügung gestellt werden. Die Schiedsgerichtsbarkeit soll gesetzlich verankert, die Rechtsprechung auf mit der Materie vertraute Gerichte konzentriert werden.

Verurteilung nur bei Nachweis des Vorsatzes möglich

Einen einzigen Punkt sehen wir kritisch: Die Bestimmungen zum sogenannten „Selbstdoping“. Sie sollen Härte und Entschlossenheit signalisieren; in Wahrheit ist zu befürchten, dass sie den Anti-Doping-Kampf schwächen. Wie das?

Vor staatlichen Gerichten gilt die Unschuldsvermutung. Niemand, der eines Vergehens beschuldigt wird, muss sich selbst belasten. Er kann die Aussage verweigern und auch die Herausgabe belastenden Materials, etwa einer positiven Dopingprobe. Verurteilt werden kann er nur, wenn ihm Vorsatz nachgewiesen wird. Nicht er muss seine Unschuld beweisen, sondern der Staatsanwalt seine Schuld, und der Richter muss von dieser Schuld überzeugt sein, bei bestehenden Zweifeln muss er den Sportler freisprechen. Selbst im Falle einer Verurteilung wird er gegen einen Ersttäter nicht die mögliche Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis verhängen, sondern eine Geldbuße oder allenfalls eine Bewährungsstrafe. Und das alles geschieht, wie wir aus dem Alltag unseres Rechtssystems wissen, erst nach vielen Monaten, bei mehreren Instanzen sogar nach mehreren Jahren.

Der Sport kann unverzüglich und empfindlich strafen

Demgegenüber kann der Sport eines besser als der Staat: nämlich die dopenden Sportler mit aller Härte unverzüglich und empfindlich bestrafen. Wer dopt, wird sofort gesperrt. Für zwei Jahre, nach dem neuen Anti-Doping-Code sogar vier Jahre, kann er von allen nationalen und internationalen Wettbewerben ausgeschlossen werden. Für Profisportler mit einer begrenzten Karrierezeit ist das die Höchststrafe, ein Berufsverbot, das sie empfindlich trifft, härter jedenfalls als eine Geldbuße oder eine Bewährungsstrafe, die nach jahrelangen Gerichtsverfahren verhängt würde.

Diese Effizienz des sportrechtlichen Systems im Vergleich zum schwerfälligen Weg der staatlichen Rechtsprechung bezweifelt niemand. Aber, so lautet das Gegenargument, man kann das eine doch tun, ohne das andere zu lassen. Theoretisch ja, aber praktisch nein. Das belegen zwei gewichtige Überlegungen.

Gegenläufige Ergebnisse für dasselbe Delikt

Zum einen wäre die geradezu zwangsläufige Folge einer parallelen Sport- und Staatsgerichtsbarkeit für ein und dasselbe Delikt, dass beide Systeme gegenläufige Ergebnisse hervorbrächten. So würde beispielsweise ein Sportler, in dessen Urin ein verbotenes Dopingmittel gefunden wurde, von seinem Verband sofort für zwei Jahre gesperrt. In dem parallel laufenden Gerichtsverfahren könnte allerdings die Einrede, ein Unbekannter habe ihm das Dopingmittel in den Tee geschüttet oder in die Zahnpasta gespritzt, nicht widerlegt werden. Er würde dann nach vielen Verhandlungstagen möglicherweise freigesprochen. Vielleicht fiele der endgültige Urteilsspruch mit dem Ende der vom Sport ausgesprochenen Sperre zusammen.

Was täte der Sportler dann? Er würde mit dem rechtskräftigen Freispruch in der Tasche zu dem Verband gehen, der ihn gesperrt hat, und wegen des unberechtigten Berufsverbotes Schadensersatz und Verdienstausfall verlangen und einklagen. Nach dem ersten Fall, in dem ein Sportler mit diesem Vorgehen Erfolg hätte, würde der Verband es sich zweimal überlegen, ob er die Sperre ausspricht oder lieber das Gerichtsverfahren abwartet.

Zum anderen werden ohnehin zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren selten, um nicht zu sagen: nie nebeneinander geführt. In der Regel wird ersteres bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt, etwa in einem Disziplinarverfahren oder bei einem Verkehrsunfall. Übertragen auf die Verfolgung von Doping heißt das: Zunächst müsste der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet werden, bevor die (zivilrechtliche) Sperre in Kraft träte. Das wäre weder abschreckend noch praktikabel. Ergebnislisten von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen könnten so auf Jahre hin nicht abschließend festgestellt werden.

Parallelität zweier Rechtssysteme würde zu mehr Unsicherheit führen

Im Ergebnis würde die Parallelität zweier Rechtssysteme nicht mehr Sicherheit und Konsequenz im Anti-Doping-Kampf schaffen, sondern im Gegenteil zu mehr Unsicherheit führen. Die Legitimation des sportrechtlichen Sanktionssystems würde leiden, wenn sich Sanktionen des Sports und staatliche Strafen diametral unterschieden. Schon verlangen die ersten Rechtsanwälte, dass der Sport nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes seine Sanktionsmöglichkeiten reduzieren müsse.

Wer den Anti-Doping-Kampf fördern und stärken will, der sollte den Sport und die NADA bei der Verfolgung der Dopingtäter unterstützen und den Staat mit seinen Ermittlungsmethoden auf das Umfeld konzentrieren: auf die Ärzte, Händler, Betreuer, Beschaffer, ohne die Doping heute nicht möglich wäre. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, wir alle haben ein gemeinsames Interesse daran, Betrug durch Doping konsequent zu bekämpfen, und der Sport an erster Stelle: Denn Doping schadet der Integrität des sportlichen Wettbewerbs und zerstört damit das Fundament, auf dem der Sport sein ganzes Engagement baut.

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(Quelle: DOSB / Michael Vesper)


  • Michael Vesper sieht vor allem die Bestimmungen zum sogenannten „Selbstdoping“ im geplanten Anti-Doping-Gesetz kritisch. Foto: picture-alliance
    Michael Vesper sieht vor allem die Bestimmungen zum sogenannten „Selbstdoping“ im geplanten Anti-Doping-Gesetz kritisch. Foto: picture-alliance