Für immer ein Echo vom Königssee

Nachruf auf Sepp Lenz, einen außergewöhnlichen Trainer und Menschen - von Klaus Angermann.

Josef "Sepp" Lenz verstarb am 4. Mai. Foto: picture-alliance
Josef "Sepp" Lenz verstarb am 4. Mai. Foto: picture-alliance

Das Berchtesgadener Land und die Rodelwelt haben Abschied genommen von Josef Lenz, den sie alle nur „Sepp“ nannten, den Pionier und Erfolgstrainer des deutschen Rennschlitten-Sports. Er war im Alter von 88 Jahren bereits in der Nacht zum 4. Mai ruhig eingeschlafen und wurde nun, zu Beginn dieser Woche, bestattet auf dem Bergfriedhof von Schönau am Königssee; ganz in der Nähe seines Mentors Richard Hartmann.

Mit diesem, dem ehemaligen Rodel-Präsidenten, auch sein Schuldirektor, ist Lenz 1968/69 in die Sportgeschichte eingegangen - als „Baumeister“ der ersten Kunsteis-Rodelbahn der Welt. 20 weitere sind dieser richtungweisenden Sportstätte gefolgt, in Europa, Amerika und Asien.

Im Verlauf von 50 Jahren wurde die Bahn am Königssee für den internationalen Kufensport so etwas wie eine Kultstätte - vergleichbar mit St. Moritz, dem Holmenkollen oder den Biathlon-Arenen von Ruhpolding und Oberhof. Auch ein modernes Wahrzeichen der Region Berchtesgaden; wertvoll für den Sport, für Wirtschaft und Tourismus, besonders im Winter.

Vor zwei Jahren von Naturgewalten im oberen Teil jäh zerstört, soll der Eiskanal am Nordufer des Königssees in naher Zukunft wieder aufgebaut werden, nach vielem Für und Wider, beschloss kürzlich der Kreistag für das Berchtesgadener Land.

Diese lang erhoffte Nachricht hat Sepp Lenz leider nicht mehr erreicht, den verehrten Medaillenschmied der deutschen Rodler; mit „Ruderprofessor“ Karl Adam und Bahnrad-Legende Gustav Kilian einer der ersten Bundestrainer überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland, 1966.

Richard Hartmann, der schon Erwähnte, hatte dank guter Kontakte in die damalige Bundeshauptstadt Bonn erreicht, dass seinem ehemaligen Schüler und jungem Vereinskollegen im WSV Königssee das Vertrauen geschenkt wurde.

Der verdienstvolle Funktionär war von Lenz' Talent überzeugt - dem gelernten Sattler, Bootsführer und Trompeten-Bläser des berühmte Echos vom Königssee; zudem auch schon 1960 Initiator der Ur-Rennrodelbahn, gebaut aus Eisziegeln und Schnee. Und ein erfolgreicher Rodler. Dessen Karriere beim Olympia-Einstand der Schlittenfahrer 1964 in Innsbruck durch einen kapitalen Sturz früh zu Ende gegangen war.

Umso länger und erfolgreicher währte dann die Laufbahn von Lenz als Trainer. 29 Jahre! Erfolgsjahre mit Generationen von Rodlern, die er betreute und in dieser Zeit gewonnenen 96 Medaillen aus Edelmetall.

Symbolhaft für diese Ära steht vor allem der Name Georg Hackl. Lenz war der sportliche Zieh-Vater des deutschen Rodel-Idols, deren beider Talente sich ideal ergänzten. Ihr „Geheimnis“: die Kenntnisse um Schlittenmaterial und Eisbeschaffenheit, ihr tage- und nächtelanges Tüfteln in Werkstatt und Windkanal, das handwerkliche Können sowie das gemeinsame Ergründen von Aerodynamik und der idealen Fahrlinie auf den Rodelbahnen der Welt.

Trotz der spürbaren Zuneigung zum Musterschüler war Lenz ein Lehrmeister für alle, die ihm anvertraut wurden.

Stellvertretend für diese Generationen stehen Namen wie Christa Schmuck und Elisabeth Demleiter; wie Leonhard Nagenrauft oder Josef Fendt, der spätere so erfolgreiche Lenker des Weltverbandes. Ebenso Thomas Schwab, der heutige Vorsitzende und Sportdirektor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland. Mit einem Muster-Diplom der Deutschen Sporthochschule Köln ausgestattet beerbte er 1995 Sepp Lenz als Trainer, nachdem dieser im Dezember 1993 bei einem tragischen Unfall in der Eisbahn von Winterberg einen Unterschenkel verloren hatte.

Dank medizinischer Kunst und kolossalem Willen betreute Lenz damals schon zwei Monate später, Anfang Februar '94, die deutschen Rodler bei den OLWS in Lillehammer, mit Prothese und auf Krücken gestützt - „seine“ letzten drei Medaillen. Gold, Silber, Bronze.

Danach übergab Lenz das Trainer-Zepter an seinen Schüler Thomas Schwab, der es 13 Jahre später, 2008 an Norbert Loch weiterreichte, der es bis heute in der Hand hält.

Beide Nachfolger setzten die von Lenz eingeleitete Erfolgsgeschichte fort: Deutschlands Rodler sind als Team die Nummer 1 der Welt. Und die zuverlässigsten Wintersport-Medaillensammler des Deutschen Sports. 

Um das Lebenswerk von Josef „Sepp“ Lenz abzurunden, erinnert ein zweimaliger DDR-Doppel-Olympiasieger an die beispielgebende Rolle des Bayern auch bei der Wiedervereinigung, der Thüringer Norbert Hahn: „Er war zu uns sofort kollegial, kameradschaftlich, väterlich. Aus zwei Nationalmannschaften hat er eine geformt. Das hat bis heute Bestand. Wenn wir Sepp Lenz und den Hackl Schorsch nicht gehabt hätten, wäre der deutsche Rodelsport nicht das, was er bis heute ist.“

Ein ganz persönliches Schlusswort darf sich der Autor erlauben: Sepp Lenz war auch für den jungen Journalisten ein Lehrmeister. Als ich 1964/65 fürs ZDF zum ersten Mal an den Königssee kam, erlernte ich bei ihm und Altmeistern wie Hans Plenk und Fritz Nachmann (Rottach Egern) das ABC des Rodelsports. Später wurden wir sogar persönliche Freunde; gingen bis zum letzten Sommer jedes Jahr gemeinsam wandern, feierten besondere Jubiläen.

Sepp Lenz, kann ich sagen, war der wertvollste Freund, den mir der Sport geschenkt hat. Von dem ich mich verabschiede mit dem Satz, den er so oft zu mir gesagt hat: „Habe die Ehre!“

(Autor: Klaus Angermann)


  • Josef "Sepp" Lenz verstarb am 4. Mai. Foto: picture-alliance
    Schwarz-weiß Porträt Sepp Lenz Foto: picture-alliance