Fußball trägt in Afghanistan zum Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen bei

Holger Obermann berichtet von einem Fußballturnier mit Mannschaften aus der Provinz - Bisher schon 80.000 Zuschauer

Erstmals Fußballturnier mit Mannschaften aus der Provinz – Bisher schon 80.000 Zuschauer

Wenn es in Afghanistan um Fußball geht, reduzieren sich die Ressentiments der ethnischen Gruppen auf ein Minimum. Erstmals seit Jahrzehnten findet im Olympic-Stadion von Kabul ein Fußball-Turnier statt, an dem mit Kunduz, Takhar, Jalalabad, Parwan und Herat Auswahlmannschaften aus den Provinzen des Landes teilnehmen.

 

Die Resonanz bei den Fußballfans in der Hauptstadt Kabul ist überwältigend: zu den bisherigen Spielen kamen im Schnitt 10.000 Zuschauer, 80.000 in 8 Tagen, die keinen Eintritt zahlen aber oft Zweistundenmärsche in Kauf nehmen mußten. Beliebtestes und auch billigstes Verkehrsmittel ist und bleibt natürlich das Fahrrad, mit dem die Parkplätze vor dem Stadion, in dem während des Taliban-Regimes noch Hinrichtungen stattfanden, gefüllt sind.

 

Sportlich dominierten natürlich bisher die beiden Auswahlmannschaften Kabuls, doch auch die Teams aus Jalalabad, Kunduz, vor allem aber Herat spielen, immer gemessen am Wiederaufbau des Fußballs vor erst eineinhalb Jahren einen relativ guten Fußball, allerdings mehr geprägt von Einsatz und Motivation als Technik und Taktik.

 

Herat, die zweitgrößte Stadt Afghanistans, ist ein durchaus ernst zunehmender Gegner für die Teams aus Kabul. Während des Bürgerkrieges und danach, während des Taliban-Regimes hielten sich die besten Spieler dieser Region im Iran auf, wirkten dort teilweise aktiv in der 1. Liga mit. 20 Mannschaften haben sich in Herat, im Westen Afghanistans, in den letzten Monaten etabliert. Trainer und Schiedsrichter haben Interessengemeinschaften gebildet.

 

Die Rivalität zu den Mannschaften aus Kabul war schon am zweiten Spieltag zu spüren. Als beim Stand von 2:1 für Kabul Arman (die Hoffnung) der aus der Hauptstadt stammende Schiedsrichter Herat einen Elfmeter verweigerte – der im übrigen berechtigt gewesen wäre, verließ Herat 20 Minuten vor Spielende das Spielfeld. Nach einer fünfstündigen Sitzung mit allen Verantwortlichen hatte sich dann alles wieder in Wohlgefallen aufgelöst. Herats Präsident akzeptierte die Entscheidung. Und das spontane Vorhaben, sofort nach Hause zu fahren, wurde aufgegeben. Wie aus internen Kreisen zu vernehmen war, hatten sich Politiker eingeschaltet, die wohl für das happy-end als Schlichter verantwortlich waren. Man hält eben doch zusammen im Fußball. Und als ob nichts gewesen wäre, pfiff der geschmähte Schiedsrichter dann auch, wie angesetzt, das nächste Spiel der Elf aus Herat, diesmal ohne Probleme.

 

Einer der Stammgäste bei den Spielen ist übrigens Kabuls Bürgermeister Anwar Jegdalek, auch Präsident des Olympischen Komitees. Er gilt als der starke Mann nicht nur des Sports und was er sagt, hat Gewicht. Voll des Lobes ist er bisher über die Arbeit des deutschen Fußball-Projektes in Kabul, wünscht, dass es weiter geht als nur ein halbes Jahr und will notfalls Afghanistans Präsident Kazai einschalten, um das Projekt zu verlängern. Sorgen macht er sich, wie viele andere, um die Sicherheit im Stadion bei den zu erwartenden Massen, die bei den Halbfinal- und Endspielen ins Stadion strömen werden. Da es noch keine Sicherheitszäune gibt, können die Zuschauer wie in den Pausen von Leichtathletik-Veranstaltungen den Innenraum betreten. Dann ähnelt das alles einem großen Picknick mit hunderten von miteinander kommunizierenden Freunden. Bisher konnte die Volksseele zwar immer noch beruhigt werden, wenn sich auf dem kümmerlichen Rasen etwas tat, was den Zuschauern nicht passte, doch alles in allem gleicht diese Arena einem "Hexenkessel".

 

Von einer Infrastruktur ist auch im Innenraum des Stadions keine Spur. Es fehlen sowohl Umkleideräume wie sanitäre Anlagen. Der afghanische Fußball-Präsident, Abdul Alim Kohestani – General im Krieg gegen die Taliban – versprach allerdings schnelle Hilfe.

 

Schon in Kürze sollen auch Gelder aus dem FIFA-Goal-Programm für die Renovierung des Stadions verwendet und auch die defekten Lichtmasten im Stadion repariert werden. Sehr zu schätzen weiß man in Afghanistan auch die materielle Hilfe des deutschen Projekts, die gemeinsam von der Bundesregierung, dem NOK für Deutschland und dem Deutschen Fußball-Bund im Juni dieses Jahres etabliert wurde. Allerdings: Für das Kontingent der 200 Bälle und acht kompletten Spielkleidungen für das Turnier kommen deutsche Sponsoren wie Adidas, Siemens oder LTU auf, die ihr Engagement auch in Zukunft fortsetzen wollen. Der von DaimlerChrysler gestiftete Minibus für den Fußball-Bund wird übrigens am Endspieltag seiner Bestimmung übergeben vor 20.000 Zuschauern im vollbesetzten Stadion und sicher mit viel Prominenz. Geschmückt mit Kunststoff-Girlanden und einer deutschen Flagge in den Landesfarben wird er kurz vor Spielbeginn eine Ehrenrunde drehen, ehe der in Übergröße angefertigte Wagenschlüssel dem Präsidenten des Fußballverbandes übergeben wird.

 

Die Afghanistan-Hilfe mit Sitz in Paderborn stiftete für das erste Turnier in Afghanistan seit 20 Jahren mit Mannschaften aus den Provinzen einen Silberpokal. Initiatorin war Frau Prof. Dr. Schoeler, die Präsidentin der Vereinigung.

 

Fazit: Fußball ist in Afghanistan auf dem besten Weg, die Popularität der sechziger und siebziger Jahre zu erreichen, in denen die Nationalmannschaft führend in der südasiatischen Region war. Und als Ausdruck für Hoffnung und Lebensfreude gilt er bereits heute allemal.