Die Einladung für den Termin kam gleich von mehreren Seiten – vom Deutschen Eishockeymeister Eisbären Berlin, von der Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V. und von der Bundeszentrale für politische Bildung. Und sie hatte allein schon deshalb besondere Resonanz, weil der Vorsitzende der Vereinigung Gegen Vergessen dabei war. Denn der heißt Joachim Gauck und stellte sich drei Tage später der Wahl zum Bundespräsidenten. Die Einladung in die O² World, die Spielstätte der Eisbären, war der letzte Auftritt des „Bürgers Gauck“, wie dieser in seinen Anfangsworten betonte.
Angesichts der bevorstehenden Ereignisse sei dies „einer der ganz wenigen Termine gewesen, die man nicht aus meinem Ursprünglichen Programm gestrichen hat“, verriet Gauck. „Aber den wollte ich unbedingt machen, das ist eine Herzensangelegenheit.“ Es sei „total schön, dass dies mein letzter Auftritt als Bürger ist“. Das habe mit den Inhalten und der ganzen Entstehungsgeschichte der Vereinigung zu tun, deren Vorsitz er jetzt nach neun Jahren „mit Wehmut“ abgeben werde.
Rechtsextremen Aktivitäten in Vereinen vorbeugen
Zwei neue Internetportale wurden vorgestellt, die von der Vereinigung im Rahmen des Bundesprogramms Zusammenhalt durch Teilhabe am 15. März ins Netz gestellt wurden. Schon deren Namen zeigen deren Sinnstiftung und Ziel: www.sport-mit-courage.de heißt die eine Website, www.mach-den-unterschied.de die andere.
Die Projekte wurden in Zusammenarbeit mit dem Team der Eisbären Berlin erarbeitet und sind vor allem als Angebote für die Sportvereine in den neuen Bundesländern gedacht. Entwickelt wurden sie gemeinsam mit Partnern aus dem organisierten Sport, um rechtsextremen Aktivitäten in Vereinen vorzubeugen und das große integrative Potenzial zu nutzen, das dem Sport zugrunde liegt.
Projektleiter Martin Ziegenhagen sagte: „Fairplay bedeutet nicht nur spielen nach den Regeln. Fairplay bedeutet auch, den Gegner zu achten und als Mensch zu respektieren. In Sportvereinen muss ganz bewusst darauf geachtet werden, dass Ressentiments entgegen getreten wird.“ Die fünf ostdeutschen Landessportbünde (mit dem Berliner Landessportbund wird auf anderer Ebene ebenfalls eng kooperiert) haben im Rahmen des Bundesprogramms Zusammenhalt durch Teilhabe Ansprechpartner zu diesem Bereich benannt, die Vereinen bei Konflikten helfen und „Demokratietrainer“ vor Ort ausbilden. Das Portal „Sport mit Courage“ ist dafür das entsprechende Serviceangebot mit Materialien und praxisorientierten Informationen.
Richtiges Verhalten mit den Eisbären-Spielern lernen
Mehrere Junioren-Spieler der Eisbären und Vereins-Urgestein Sven Felski haben in Online-Filmen mitgewirkt, die jungen Sportlern Handlungsanleitungen geben und zeigen sollen, wie man sich in brenzligen Situationen richtig verhält. Situationen, wie im Sportalltag Mobbing, Rassismus, Intoleranz und Sexismus begegnet werden kann.
Gauck hat dazu eine Menge zu sagen, er ist per Wort und Beispiel ein idealer Demokratietrainer. Per Handschlag begrüßte er alle Puckakteure und sagte nach gemeinsamen Anschauen der Videos: „Männer, ich verstehe zwar nichts von Eishockey, aber das ist toll.“ Auch dass Felski, der nahezu 1.000 Spiele für seinen Verein ausgetragen hat, dabei ist, hält er für keine Selbstverständlichkeit: „Sie könnten ja stattdessen auch irgendwo sitzen und Werbeverträge unterschreiben.“
Im Sport könne man sehr viel fürs Leben lernen, befand Gauck. „Aber wenn da plötzlich auch noch politisches Interesse da ist – das ist ein großes Geschenk für die Gesellschaft.“ Felski, der seinen Sport mit ansteckender Leidenschaft betreibt, sieht darin einen engen Zusammenhang: „Wir Eisbären sprechen uns natürlich ganz klar gegen Rassismus, Diskriminierung und Rechtsextremismus sowie für Zivilcourage aus.“
Sport und seine Ideale können im Kampf gegen Rechtsextremmismus helfen
In seinem letzten Auftritt als „Bürger“ hat der ehemalige Pastor in seinen Aussagen durchaus schon präsidiale Züge. „Gegen Vergessen wollte sich mit ihrem Einsatz immer auch dafür einsetzten, dass die Bundesregierung in Sachen Rechtsextremismus nicht nur zuwartet und registriert, sondern dies als eine Aufgabe und Handlungsaufforderung begreift.“ Eine wache Bürgergesellschaft sei dringend notwendig und dies von der Politik aktiv unterstützt werden. „Man kann nicht alles zusammensparen.“
Der Sport und seine Ideale spielten dabei eine wichtige Rolle, sagt Gauck. Wenn dieser sich engagiere und demonstriere, „uns ist es nicht egal, wohin die Gesellschaft geht“, dann sei das großartig. Dass sich die aktuellen Angebote vorerst vor allem an die Ostbundesländer richten, sei zwar für den Moment insofern gerechtfertigt, dass es dort im Verhältnis zur Bevölkerung die meisten rassistischen Übergriffe gäbe, aber – so Gauck nachdrücklich -, das Programm reflektiere „kein spezielles Ostproblem, es gab nicht nur Rostock-Lichtenhagen, sondern auch Mölln“.
Gauck zeigt auch hier, warum er als Mann eindringlicher Worte gilt. Etwa wenn er sagt: „Je weiter die Zivilgesellschaft ist, desto offener ist sie“. Oder wenn er in der Reaktion auf Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit die mitunter reklamierte Hilflosigkeit gegen die Macht der vermeintlich „Stärkeren“ hervorhebt: „Ich habe immer eine Wahl!“
Sport sei eben doch nicht unpolitisch, sagt Joachim Gauck. „Man darf im Sport Kraft zeigen, man darf auch aggressiv sein. Aber man darf andere nicht kaputt siegen wollen und muss fair sein.“ Gerade in Teamsportarten sind für ihn die positiven Elemente erlebbar. „Dort spürt man, ich bin nicht alleine, und wir sind aufeinander angewiesen.'“
Sportler seien mit ihrer Haltung Vorbilder, und sie können – so Gauck – auch ihre Fans „vom Zuschauen zum Mitmachen“ bringen. „Wir schenken denen nicht unsere Angst, wir konfrontieren sie mit unserem Mut!“ - so lautet Joachim Gaucks Botschaft des Tages.
(Quelle: DOSB/Klaus Weise)