Im Herbst 1912 wird die Einführung des Breitensportordens in Deutschland beschlossen – ein Blick zurück.
Der Fitnessorden ist in Deutschland außerordentlich populär. Etwa zwei Millionen Menschen versuchen sich jährlich an seinen Disziplinen. Vor hundert Jahren, im November 1912, wurden die Bedingungen für die Verleihung der Auszeichnung fixiert. Die Erfolgsidee wurde allerdings importiert. In den Vereinigten Staaten und in Schweden gab es schon einige Jahre zuvor ein Breitensportabzeichen.
An der Public School Athletic League in New York wurde schon seit 1904 das Mehrkampfabzeichen „Athletic Badge“ an Schüler verliehen und in Schweden führte der Stadtverordnete Emil Löfvenius aus Norrköping, Vorstandsmitglied des schwedischen Reichsverbandes für Leibesübungen, die sogenannte „Idrottsmärke“ ein, ein Sportabzeichen für vielseitige Leistungen.
Der deutsche Sportfunktionär Carl Diem lernte die „Idrottsmärke“ während seiner Reisen nach Schweden kennen. So war er anlässlich der Olympischen Spiele 1912 in Stockholm. Die Idee eines Breitensportordens faszinierte ihn: „Der Gedanke, eine öffentliche Auszeichnung für Körpertüchtigkeit zu schaffen, leuchtete mir ein, denn damit wurde der viel benutzte Begriff der Harmonie in fassliche Maße gebracht.“ Zurück in Deutschland schlug er dem Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen die Übernahme vor.
Weil die Olympischen Spiele 1916 – später verhindert durch den Ersten Weltkrieg – vom Internationalen Olympischen Komitee nach Berlin vergeben wurden, ist das Thema Sport in Deutschland populär und so trifft Diem mit seinem Vorschlag auf großes Interesse.
Widerstand der Turner
Ein großer möglicher Stolperstein: Die Turner waren zunächst dagegen. Ein Widerstand von Gewicht. Die zu dieser Zeit sehr starke Turnerschaft lehnte Ehrenpreise außer dem Eichenkranz grundsätzlich ab. Außerdem befand sie die für das Abzeichen vorgesehenen Turnübungen als ungenügend.
Trotzdem beschließt am 10. November 1912 die Hauptversammlung des Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele – eine der ersten Dachorganisationen des deutschen Sports – die Bedingungen für die Verleihung der Auszeichnung. Noch trägt sie den sperrigen Namen „Auszeichnung für vielfältige Leistung auf dem Gebiet der Leibesübungen“. Die Bezeichnung „Sportabzeichen“ wird zu diesem Zeitpunkt vermieden, um die Turner nicht zu brüskieren.
Im Wesentlichen sollen sich die Bedingungen am schwedischen Vorbild orientieren. Diem schreibt dazu in seiner Autobiografie: „Die von den Schweden erdachten Bestimmungen habe ich viel studiert, und bin schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass sie gut abgewogen und für uns zu übernehmen seien.“
Im März des folgenden Jahres stehen die Bedingungen im Stadion-Kalender, dem amtlichen Organ des Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele. Die Anforderungen sind anspruchsvoll: So müssen Männer in der Gruppe 2 im Weitsprung 4,75 Meter erreichen und in Gruppe 3 den 100-Meter-Sprint in 13 Sekunden bewältigen. Außerdem finden sich damals noch Sportarten wie Fechten, Golf, Fußball und Eishockey in den Auszeichnungsbedingungen.
Am 7. September 1913 ist es dann soweit: die erste offizielle Verleihungsfeier findet im Deutschen Stadion anlässlich des ersten Berliner Jugendspielfestes statt. Von den Frauen ist in der frühen Phase des Deutschen Sportabzeichens keine Rede. Erst etwas über zwei Jahre nach Gründung der Weimarer Republik werden auch sie die Möglichkeit erhalten, das Deutsche Sportabzeichen abzulegen.
(Quelle: wirkhaus)