Glücksspirale-Skulptur dreht sich wieder

Nach 40 Jahren dreht sie sich wieder: Die Skulptur der Spirale, die den Olympischen Spielen von München 1972 ein Gesicht gab, wurde aus der Asservatenkammer geholt und restauriert.

Restauratorin Delia Müller-Wüsten mit der Glücksspirale.  Foto: FH Klön CICS HOM
Restauratorin Delia Müller-Wüsten mit der Glücksspirale. Foto: FH Klön CICS HOM

Das Objekt:

Lautlos und leicht schwingen die vier Scheiben. Manchen schwindelt es beim Betrachten der ineinander wirbelnden, spiralförmigen schwarzen Muster. Auf die meisten Menschen aber wirkt es beruhigend, wenn die hintereinander gelagerten Acrylglasflächen immer langsamer pendeln, schließlich ruhen und das zeigen, was sie gemeinsam bilden: das Logo der Olympischen Spiele von München 1972. So hat es sich der Grafiker Otl Aicher einst vorgestellt, als er ein luftiges Gesamtkunstwerk konzipierte. Und so ist es nicht nur erhalten geblieben als farbiges Symbol der „Glücksspirale“, die Sport, Denkmalschutz und Wohlfahrt fördert. Nach fast 40 Jahren ist es auch wieder als bewegliche Skulptur zu bewundern. 

Die Geschichte:

So viele Zufälle: Sie begannen, nachdem Aichers Ausschreibung ohne Ergebnis versandet war, einem Mitarbeiter der junge Kinetik-Künstler Hans-Michael Kissel über den Weg lief und ihn zu einem Entwurf ermunterte. Mit Aichers Zustimmung fertigte Kissel „unter extremem Zeitdruck“ drei Skulpturen der drehenden Spirale auf der einzig dafür geeigneten Produktionsstraße des Unternehmens Röhm & Haas, dessen Gründer einst das Patent auf Plexiglas angemeldet hatte. Heute gehört das Unternehmen zum Evonik-Konzern. 

Während der Spiele stand der Prototyp des transparenten Objektes auf seinem schlichten Holzkasten, der Elektronik und Motor verbirgt, im VIP-Raum des Olympiastadions, als Symbol und Autogrammwand zugleich. Willy Brandt hat sich auf dem Seitenteil verewigt, Willi Daume und IOC-Präsident Avery Brundage ebenso wie Altbundestrainer Sepp Herberger. Nur Spaniens Königin habe sich geziert, erzählt Kissel. 

Permanent umhegte er seine Apparatur in diesen Tagen. Immer wieder musste er den Holzkasten für den Sicherheitsdienst öffnen – bis die Spiele tatsächlich vom Terror getroffen wurden und niemandem mehr der Sinn nach Leichtigkeit und Kunst stand. Kissel verlor die drei Exemplare seines Werkes aus den Augen. Sie verschwanden in Asservatenkammern, bis die Kunstbeauftragte bei Evonik, Birgitta Janke, eines wiederentdeckte und restaurieren ließ. 

Der Künstler:

Der Bildhauer Hans-Michael Kissel, 1942 geboren, hat sein Atelier in Ladenburg bei Heidelberg. Seit 1970 bearbeitet er ein „umfangreiches Spektrum vielfältiger, zuweilen abenteuerlicher Gestaltungsaufträge“. Seine auch technisch anspruchsvollen Großskulpturen in Frankfurt, Leipzig oder Berlin verkörpern, wie er sagt, „die Poesie der schwebenden Bewegung“. Otl Aichers Auftrag an ihn, „den Anfänger“, empfindet er noch heute als „Ritterschlag“. 

Die Restauratorin:

Für Delia Müller-Wüsten, Studentin bei Professorin Friederike Waentig am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft der Fachhochschule Köln, geriet die Arbeit am olympischen Kunstwerk zur einmaligen Chance und zur Herausforderung, „wegen der großen Materialvielfalt“. Nicht alles im Antrieb der vier Scheiben ließ sich erhalten, obgleich der TÜV dem Elektromotor weiterhin beste Konstitution attestiert. Der Kompromiss zwischen dem Wunsch, das rund zweihundert Kilogramm schwere Original zu erhalten, und dem Auftrag, die Bewegung für den täglichen Gebrauch in der Lobby des Evonik- Sitzes wiederherzustellen, ist gelungen. Und Delia Müller-Wüsten freut sich sehr über ihren „Beitrag zur Erinnerung an München 1972“. 

(Quelle: DOSB/Faktor Sport)


  • Restauratorin Delia Müller-Wüsten mit der Glücksspirale.  Foto: FH Klön CICS HOM
    Restauratorin Delia Müller-Wüsten mit der Glücksspirale. Foto: FH Klön CICS HOM
  • Künstler Hans-Michael Kissel. Foto: picutre-alliance
    Künstler Hans-Michael Kissel. Foto: picutre-alliance