Die Wertigkeit des Themas „Sport und Umwelt“ nimmt im internationalen Kontext einen immer bedeutenderen Stellenwert ein. Das IOC betrachtet schon seit einigen Jahren Umwelt, neben Sport und Kultur, als dritte Säule der olympischen Bewegung. Olympische Spiele sind aber nicht nur für die Wettkämpfe von enormer Bedeutung. Olympische Spiele sind in ihrer heutigen Dimension mit enormen Zuschauerzahlen, Warenbewegungen und Energiebedarf und nicht zuletzt Investitionen mit weitreichenden ökonomischen Verflechtungen und mit städtebaulichen Infrastrukturprojekten, verbunden. Es geht also um weit mehr als um den Bau von Sportstätten und die Wettkämpfe selbst.
Olympische Spiele verknüpfen Sport, Ökonomie und Ökologie, beeinflussen die weitere Entwicklung der Ausrichterstadt und die Lebensbedingungen sowie das Gestaltungspotenzial weit über die Spiele hinaus. Derartige Großereignisse stellen immer Weichen in einer Stadt; sie sind bedeutungsvoll für zukünftige Generationen! Deshalb war es nur konsequent, wenn 1999 das Internationale Olympische Komitee (IOC) ein eigenes Konzept zur Nachhaltigkeit der olympischen Bewegung, die Olympic Movements AGENDA 21, entwickelte.
Luftverschmutzung besorgniserregend
Knapp ein Jahr vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking fand im Oktober die 7. IOC-Weltkonferenz für Sport und Umwelt in Peking statt. Die Konferenz war von A bis Z perfekt organisiert und vermittelte überzeugend, dass an einer erfolgreichen Durchführung und Organisation der Spiele keine Zweifel bestehen können. Doch wie sieht es mit den Vorbereitungen hinsichtlich des Umweltprogramms aus? Wie „grün“, wie ökologisch, wie nachhaltig werden die Olympischen Spiele 2008 von Peking?
Als Bewertungsgrundlage dienen die Vorortbesichtigungen, die Konferenzbeiträge und Diskussionen und der aktuelle Bericht der UNEP (Beijing 2008 Olympic Games - An Environmental Review). Die Umsetzung des angekündigten und sehr anspruchsvollen Umweltprogramms ist sehr beeindruckend, entspricht einem hohen technischen Standard und umfasst ein Gesamtvolumen von 12 Mrd. US-Dollar! Die vielfältigen Anwendungsfelder dieses Programms beziehen sich u. a. auf Müllvermeidung und -Management, Staubvermeidung bei den Großbaustellen, ÖPNV, Wassermanagement (Recycling, wasserdurchlässige Steine), Ausweisung und Neugestaltung grüner Naherholungsgebiete (Grünbrücken), Energieeffizienz (einschl. Verwendung von Biomasse), Solar-, Photovoltaik- und Windtechnologie, Schutz der Biodiversität (Verlegung von Laufstrecken wegen bedrohter Tierart), Umweltbildung in und mit Schulen (Wasserspartag; 550 „Olympic Model Schools“), Nachnutzung der Sportinfrastruktur (als Kindergarten) bis hin zum Appell, bei den offiziellen Empfängen auf den Verzehr bedrohter Tierarten (Haifischflossen) zu verzichten.
Eindeutig kritisch zu bewerten sind die Luftverschmutzung, der Ausgleich von Treibhausgas-Emissionen und der Bereich des ÖPNV. Besorgniserregend ist insbesondere der Faktor Luftverschmutzung, obwohl die Zahl der Tage mit „blauem Himmel“ (entsprechend dem Nationalen Standard) in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist (um 18% auf 241 Tage im Jahr 2006). Trotz erheblicher Anstrengungen (wie Verlagerung von Schwerindustrie, Umstellung von Kohle auf Gas, Modernisierung von Kfz-Motoren (Gas, EURO III Kat etc.), deutliche Verringerung von SO2 etc.) besteht umfassender weiterer Handlungsbedarf. Von Bedeutung sind insbesondere Feinstaub Partikel (PM10), deren Konzentration z. T. 100% über WHO-Grenzwerten liegen und gesundheitsgefährdend sind. Während der Konferenz lag ein sehr dichter Smog über der Stadt, Autobahnen und Flughafen wurden teilweise geschlossen, die Behörden empfahlen alten Menschen und Kindern, in den Häusern zu bleiben. Die Sichtweite betrug teilweise deutlich unter 100 Meter! Der Unterschied zwischen den beeindruckenden umweltpolitischen Leistungen einerseits und der Luftverschmutzung hätte größer nicht sein können!
Deutlicher Perspektivenwechsel zu ganzheitlichen Nachhaltigkeitsprogrammatik
In einigen Vorträgen wurde deutlich kritisiert, dass für eine wahrnehmbare Verbesserung der Luftverschmutzung 5 Jahre zu spät angefangen wurde. Darüber hinaus erschwert die geographische Lage und v.a. die wirtschaftliche Dynamik Pekings mit zweistelligen Wachstumsraten das Gesamtbild: In Peking werden täglich 1.000 Autos neu zugelassen. Es gibt zudem ein gigantisches Bauvolumen, welches mit 4.000 Baustellen, zahlreichen großformatigen Projekten und über 10 Mio. qm etwa so groß ist wie das gesamte Bauvolumen in der EU - mit erheblichen Staubemissionen. Zu hinterfragen sind auch die verschiedentlich angedeuteten „Relocation“-Maßnahmen: Fest steht, dass für die umfangreichen Bauvorhaben, Bürgerinnen und Bürger Pekings in mehr als geringfügigem Umfang umgesiedelt wurden. Dimensionen und Details hierzu wurden jedoch bei der Konferenz nicht in bewertungsfähiger Tiefe dargestellt. Wenn „Nachhaltigkeit“ sich richtigerweise nicht nur auf die Umwelt bezieht, sondern auch auf ökonomische und soziale Dimension, dann besteht hier weiterhin Klärungsbedarf.
Deutlich wurde auf der Pekinger Konferenz aber der Perspektivenwechsel: Von einzelnen Umweltschutzmaßnahmen zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsprogrammatik, die neben einer Wahrnehmung und Umsetzung im Sinne der Agenda 21, auch die frühzeitige und umfassende Beteiligung von NGOs (in Peking u.a. Greenpeace, WWF, Green Olympic Village) in eine aktive Kooperation einfordert und einen Zeitraum von 50 Jahren und mehr betrachtet. Sport ist, das wurde wohl selten so klar wie an den Konferenztagen in Peking, ein sehr geeignetes, vielleicht sogar das ideale Bildungs- und Kommunikationsmedium für die Anliegen von Nachhaltigkeit und Umweltschutz!
Prof. Dr. Franz Brümmer ist Mitglied im Präsidialausschuss des DOSB und Präsident des Verbandes Deutscher Sporttaucher.