"Hilfreiche Geister" – Geschichte der Ehrenamtlichen Helfer bei Olympischen Spiele

Als Ehrenamtliche in der Uniform der Volunteers Athen 2004: OK-Vorsitzende Angelopoulos-Daskalaki und IOC-Präsident Rogge.
Als Ehrenamtliche in der Uniform der Volunteers Athen 2004: OK-Vorsitzende Angelopoulos-Daskalaki und IOC-Präsident Rogge.

Ehrenamtliche Helfer (Volunteers) spielen mittlerweile eine zentrale Rolle bei der Organisation der Olympischen Spiele. Zugleich verkörpern sie die Ideale der Olympischen Bewegung. Ihre Bedeutung ist mit der Entwicklung der Spiele selbst enorm angewachsen, ihre Aufgaben haben sich ausdifferenziert. Ein aktueller Artikel von Chris Kennet vom Olympischen Studienzentrum in Lausanne beleuchtet ihren Beitrag zur Geschichte der Olympischen Spiele.

 

Mit der Ausweitung des Olympischen Programms, der Anzahl der Teilnehmer, der Offiziellen, Journalisten und Zuschauer wurde der Bedarf an freiwilligen Helfern immer größer. Die Komplexität der Organisation Olympischer Spiele am Beginn des 21. Jahrhunderts erhöht die Nachfrage nach Volunteers mit angemessenen Fähigkeiten und entsprechender Erfahrung. Gleichzeitig wurden angemessene Selektionssysteme und Trainingsprozesse für die Helfer notwendig. Erst sie vermochten einen optimalen Beitrag der Freiwilligen bei den Olympischen Spielen zu garantieren.

 

Die Ideale der freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer basieren auf der Idee eines altruistischen Beitrags zur Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Im Sport hat die Idee der Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit zur weltweiten Organisation von Sportclubs und Sportveranstaltungen geführt. Auch Pierre de Coubertin, Begründer der modernen Olympischen Bewegung und Olympischen Spiele, war am Ende des 19. Jahrhunderts von dieser Idee der Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit beseelt.

 

Die Rolle der Volunteers bei den Olympischen Spielen hat sich mit der Zeit gewandelt und war stets abhängig vom konkreten historischen und kulturellen Kontext, in dem die Olympischen Spiele stattfanden und der Identität ihrer jeweiligen Gastgeber.

 

Anlässlich eines Olympischen Symposiums in Lausanne wurde im Jahr 1999 ein Dokument mit dem Titel „Die Entwicklung der Ehrenamtlichenbei den Olympischen Spielen“ veröffentlicht, in dem die Geschichte der Ehrenamtlichen Helfer und ihre Bedeutung für die Olympischen Spiele exakt nachgezeichnet wird („The evolution of the volunteers at the Olympic Games“).

 

Folgt man diesem Papier so gehen die Anfänge auf die Olympüischen Spiele in Stockholm (1912), Antwerpen (1920), Paris (1924) und Amsterdam (1928) zurück, für die die Helfer aus sportfernen Organisationen, insbesondere der Pfadfinder-Bewegung rekrutiert wurden. Diese jungen Leute gingen während der Spiele relativ einfachen Aufgaben nach. Sie überbrachten Botschaften, hissten Fahnen und sorgten für Sicherheit und Ordnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Teilnahme der Pfadfinder als ehrenamtliche Helfer bei den Olympischen Spielen an. Folgt man dem offiziellen Bericht jener Olympischen Spiele, so halfen 1952 in Helsinki 2.191 Mädchen und Jungen aus dieser Bewegung, Vier Jahre später waren es 1956 in Melbourne bereits 3.500.

 

Schon bei den Winterspielen in Oslo übernahmen die Ehrenamtlichen komplexere Aufgaben bei der technischen Vorbereitung. Auch 1960 in Squaw Valley und Rom arbeiteten Freiwillige als Übersetzer und Logistik-Manager beim Transport von Teilnehmern der Olympischen Familie. In Rom wurden erstmals 155 ehrenamtliche Helfer zur Betreuung der Presse eingesetzt, eine Aufgabe, die spätestens ab den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts immer wichtiger wurde.

 

Das Jahr und die Winterspiele von 1980 markieren eine Umstellung beim Einsatz der Ehrenamtlichen. Im offiziellen Bericht der Spiele wird eingeräumt: „Ohne die 6.700 Personen starke Armee der Freiwilligen hätten diese Spiele nicht stattfinden können.“ Eine Einschätzung, die auch für die Arbeit der 4.000 Ehrenamtlichen in Sarajevo vier Jahre später Gültigkeit besitzt. Mehr und mehr wuchsen Ehrenamtliche Helfer aus einer Nebenrolle in eine Schlüsselfunktion bei der Durchführung der Olympischen Spiele.

 

So waren es im Jahr 1984 schon fast 30.000 Volunteers, die einer ganzen Bandbreite von Aufgaben während der Spiele nachgingen und z.B. bei der Organisation von Kunst-Festivals und bei der Durchführung der Eröffnungs- und Schlussfeier halfen. Während in Seoul (1988) etwas weniger Volunteers zum Einsatz kamen, wuchs die Zahl in Barcelona 1992 weiter, und zwar auf 34.548, an. Die für Sportinteressierte immer gefragter werdenden Funktionen ehrenamtlicher Helfer wurden gleichzeitig zum Gemeinschaft stiftenden Ausdruck nationaler Identität. Dies gilt auch für Olympische Winterspiele, wo sich in Nagano (1998) die Zahl der Helfer gegenüber Lillehammer (1994) auf 32.579 verdreifachte.

 

Die öffentlichen Bewerbungs-Aufrufe führten bei allen Olympischen Spielen danach zu mehr Bewerbungen um Helferfunktionen als zur Verfügung stehenden Aufgaben. Die Selektionsprozesse zur Auswahl der 46.967 Freiwilligen für die Olympsichen Spiele in Atlanta oder der 46.967 Volunteers der Olympischen Spiele Sydney zeigen das gewaltige Potential an ehrenamtlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, das dem privaten Sektor zur Verfügung gestellt werden kann. Allerdings ist mittlerweile auch ein hohes Maß an Organisation notwendig, die Ehrenamtlichen zu rekrutieren, auszuwählen, auf ihre Aufgaben vorzubereiten und ihr Engagement zu überprüfen.

 

Im offiziellen Bericht der Olympischen Spiele 2000 kann man nachlesen, dass sich immerhin 75.000 Personen für 46.967 Freiwilligen-Jobs in Sydney bewarben. 500 eigens ausgebildete Studenten wählten die Helfer mittels Interviews für ihre Tätigkeiten aus. Das Resultat war ein Freiwilligen Programm, von denen viele Beobachter meinen, dass es den entscheidenden Beitrag zum Erfolg der Olympischen Spiele 2000 gewesen sei.

 

Nur wenige Monate später wurden von Februar 2001 bis Januar 2002 in Salt Lake City ca. 26.000 Volunteers auf ihre Aufgabe bei den Olympischen Winterspielen vorbereitet. Einen neuen Rekord stellten dann die Olympischen Spiele 2004 in Athen auf, für die sich nicht weniger als 160.000 Bewerber für 60.000 Volunteer-Positionen bewarben. Ähnlich wie in Sydney leisteten auch diese Helfer wieder einen fundamentalen Beitrag zur Durchführung und zum Gelingen der Spiele.

 

Eine spezielle Helfer-Uniform, ergänzt mit Pins aus der ganzen Welt, sorgt mittlerweile für eine leichte Identifikation und ein Wir-Gefühl von Stolz und Zusammengehörigkeit unter den Volunteers.

 

Die Erfolgsgeschichte geht weiter. Mit Beginn des Countdowns für die Olympischen Winterspiele Turin 2006 haben sich wiederum 40.000 Volunteers für eine Funktion bei dieser Veranstaltung beworben. Eine eigene Homepage (www.noi2006.it) liefert zahlreiche Informationen und zeigt die Möglichkeit zur Bewerbung auf. Bei den Olympischen Spiele 2008 in Peking, einer der faszinierendsten Städte der Welt, wird die lange Geschichte der Ehrenamtlichen bei Olympischen Spielen eine erfolgreiche Fortsetzung finden.

 

Sie sind wichtiger geworden. In der Ausdifferenzierung und Spezialisierung ihrer Aufgaben werden die gestiegenen organisatorischen Anforderungen an die Spiele erkennbar.

 

Ökonomisch betrachtet leisten Freiwillige Helfer heute einen enormen Beitrag zur Kosteneinsparung. Darüber hinaus jedoch verkörpern sie universelle Werte der Olympischen Bewerbung wie Friedfertigkeit, Solidarität, Freundschaft, gegenseitige Achtung und Verständigung sowie erfolgreiches multikulturelles Miteinander.

 

Doch auch wenn die Olympische Bewegung nach wie vor auf den Altruismus ihrer Helfer baut, ist ein ehrenamtliches Engagement bei Olympischen Spielen durchaus Gewinn bringend. Sie bergen die Möglichkeit, an einem unvergesslichen Erlebnis teilzuhaben, neue Fertigkeiten zu erlernen, Berufserfahrung zu sammeln, Menschen aus aller Welt zu treffen, den Hochleistungssport und seine Protagonisten hautnah zu erleben, am größten Sportereignis der Welt teilzuhaben und ein Teil der Sportgeschichte zu sein. Für viele ehrenamtliche Helfer Olympischer Spiele werden Olympische Spiel auf diese Weise zu einem Schlüsselerlebnis für ihr künftiges Leben.

 

Für die Olympische Bewegung wird es künftig darum gehen, die Ehrenamtlichen und ihre Potentiale nicht allein für die Mitwirkung an Olympischen Spielen, sondern für die Olympische Idee und die Olympisches Bewegung selbst zu gewinnen.


  • Als Ehrenamtliche in der Uniform der Volunteers Athen 2004: OK-Vorsitzende Angelopoulos-Daskalaki und IOC-Präsident Rogge.
    Als Ehrenamtliche in der Uniform der Volunteers Athen 2004: OK-Vorsitzende Angelopoulos-Daskalaki und IOC-Präsident Rogge.