"Ich erwarte von Deutschland eine aktive Beteiligung am Internationalen Jahr des Sports"

Deutschland gehört zu einem Kreis von Ländern, die im internationalen Kontext eine Vorreiterrolle einnehmen, sagt Adolf Ogi, der als UNO Sonderberater für das Internationale Jahr des Sports und der Leibeserziehung verantwortlich ist.

Im Interview äußert sich der ehemalige Bundespräsident der Schweiz zu den Erwartungen, die er an Deutschland stellt und zur Rolle des Sports in der Friedensförderung.

   Welche Rolle nimmt der Sport in der Friedensförderung ein und welche Vorteile hat er gegenüber der Politik? Was kann er beispielsweise in Krisengebieten wie etwa Israel und Palästina bewirken?

 

Adolf Ogi: Der Sport kann dort in die Bresche springen, wo die Politik mit ihren herkömmlichen Mitteln der Friedensförderung nicht weiterkommt. Da der Sport im Gegensatz zur Politik als „harmloser“ gilt, kann er unvoreingenommen und unparteiisch seine brückenschlagende Wirkung ausspielen. Der Sport kann also – wie schon im historischen Cricket-Match zwischen Indien und Pakistan vor einigen Monaten – der Politik quasi den Weg bereiten.

 

 "Oft ist der Sport gerade für Kinder die einzige Möglichkeit, für ein paar Minuten aus ihrem traumatisierten Zustand herauszukommen."

 

     Welche Hilfestellungen sind Ihrer Meinung nach in den Krisengebieten wichtig, die aus anderen Ländern kommen müssen?  

Adolf Ogi: Sobald die existenziellen Grundbedürfnisse sicher gestellt sind, kann der Sport zum Zug kommen. Ich habe selbst gesehen, was Sport in Krisengebieten auslösen kann. Oft ist der Sport gerade für Kinder die einzige Möglichkeit, für ein paar Minuten aus ihrem traumatisierten Zustand herauszukommen. Zudem ist der Sport ein relativ kostengünstiges Mittel zur Entwicklungsförderung. Die Geberländer würden gut daran tun, Sport systematischer in ihre Entwicklungsprogramme zu integrieren.

 

    Was erwarten Sie von Deutschland im Internationalen Jahr des Sports und der Leibeserziehung auf nationaler Ebene? Was erhoffen Sie sich von Deutschland im internationalen Kontext?

Adolf Ogi: Ich erwarte von Deutschland eine aktive Beteiligung am Internationalen Jahr des Sports und der Leibeserziehung, wobei ich keine Zweifel habe, dass dies der Fall sein wird. Deutschland zeigt seit Jahren sowohl auf der Ebene der Regierung als auch auf der Ebene der Zivilgesellschaft grosses Engagement. Da bereits ein nationales Komitee für die Planung und Durchführung der Aktivitäten in Deutschland existiert, bin ich mir gewiss, dass das Jahr zu einem grossen Erfolg wird. Mit diesen Vorraussetzungen gehört Deutschland zu einem Kreis von Ländern, die im internationalen Kontext eine Vorreiterrolle einnehmen. Es wäre wünschenswert, dass sich daraus Kooperationen und nachhaltige Partnerschaften im Bereich von Sport und Entwicklung ergäben.

 

     Welche nächsten Schritte sind für die teilnehmenden Länder als Vorbereitung für das UNO Jahr wichtig?  

Adolf Ogi: Der erste Schritt ist die Bildung nationaler Komitees. In einem zweiten Schritt sollten sämtliche Interessengruppe aus dem Sport sowie der Entwicklungs- und Friedensförderung in die Planung und Umsetzung der Aktivitäten eingebunden werden. Regierungen und ihre Ministerien, Sportverbände, NGOs und die Wirtschaft müssen Partnerschaften bilden. Dann ist die Koordinierung mit den verschiedenen Organisationen des UNO-Systems und anderen Entwicklungsorganisationen wichtig. Wenn alle Beteiligten nach gemeinsamen Richtlinien handeln, wird das Internationale Jahr des Sports und der Leibeserziehung Kräfte entfalten, die weit über das Jahr 2005 hinaus wirken werden.