Vom 26. bis 28. September 2008 findet in Halle (Saale) die Frauen-Vollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes statt. Im gastgebenden Landessportbund Sachsen-Anhalt ist seit Mai 2008 mit Silke Renk-Lange eine ehemalige Speerwerferin der Weltklasse als Vizepräsidentin für den Bereich Frauen und Gleichstellung zuständig. In einem Interview mit der DOSB Presse äußert sich Silke Renk-Lange über ihre Motivation, ehrenamtlich Verantwortung für den Sport zu übernehmen und ihre Erwartungen an die Frauen-Vollversammlung Ende September.
DOSB PRESSE: Frau Renk-Lange, Ihr Olympiasieg im Speerwerfen von 1992 ist gewiss vielen noch in Erinnerung. Was macht die Goldmedaillengewinnerin von Barcelona Silke Renk-Lange heute?
RENK-LANGE: Erst einmal bin ich im ganz normalen Leben angekommen. All das, was ich aus meiner aktiven Sportlerzeit mitgenommen habe, an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, war ein Prozess über mehrere Jahre und auch nicht immer leicht. Mit Halle habe ich sozusagen meine zweite Heimat gefunden und möchte hier meinen Lebensmittelpunkt setzen - und gefreut habe ich mich vor allem im letzten Jahr darüber, dass mein langjähriger Lebensgefährte und ich uns endlich getraut haben. Schon zwei Jahre vor Beendigung meiner sportlichen Laufbahn konnte ich mit der Energieversorgung Halle einen verständnisvollen Arbeitgeber und als Frau ein interessantes Arbeitsfeld finden. Über die Stationen Vertrieb und Marketing habe ich meinen jetzigen Wirkungskreis im Facility Management gefunden. Hier bin ich für das Technologie- und Gründerzentrum zuständig und gewährleiste gemeinsam mit meinen Kollegen die Medienversorgung von Laboren, Büros oder Reinräumen. Was den Sport angeht, habe ich mit Mountainbike fahren, Inlineskaten und Walking andere Sportarten gefunden, die ein guter Ausgleich zu meiner Arbeit sind.
DOSB PRESSE: Was hat Sie bewogen, sich beim Landessporttag des LSB Sachsen-Anhalt im Mai 2008 für das Vizepräsidentenamt Frauen und Gleichstellung zu bewerben?
RENK-LANGE: Es gab für mich zwei Kernpunkte. Ich fand es den Versuch wert, auf Grund meiner sportlichen Vergangenheit und der jetzigen Lebensperspektive dem Sport einen Input geben zu wollen. Zum anderen habe ich über viele Jahre eine tolle Unterstützung aus allen Bereichen der Sportselbstverwaltung erhalten. Erst diese Rundumbetreuung ermöglichte es mir, sorgenfrei und professionell zu trainieren und so sportliche Höchstleistungen zu erzielen. Als Präsidiumsmitglied des Sportvereins Halle habe ich bereits erste Einblicke in die Anforderungen eines solchen Ehrenamtes. Und nachdem mich auch einige Vertrauenspersonen ermutigten, habe ich für mich zur Kandidatur entschieden. Ich sagte mir: Du hast so viel bekommen, dann nutze die Gelegenheit, um wieder etwas zurück zu geben. Dass ich die Mitglieder gleich im ersten Anlauf davon überzeugen konnte, mein Engagement für diesen Bereich zu nutzen, hat mich überrascht, aber auch ein klein wenig stolz gemacht.
DOSB PRESSE: Wie ist es ihrer Meinung nach aktuell um die Lobby für Frauen und Mädchen im Breiten- und im Leistungssport in Sachsen-Anhalt bestellt, und welche Ergebnisse wurden erzielt?
RENK-LANGE: Das ist eine sehr komplexe Frage, die an dieser Stelle nicht umfassend beantwortet werden kann. Ausdrücklich erwähnen möchte ich hier die engagierte Arbeit meiner Vorgängerin im Amt der Vizepräsidentin im LSB, Anke Frohn, die sehr viel dafür getan hat, das der Bereich „Frauen und Gleichstellung“ zunehmend mehr die Aufmerksamkeit bekommt, die notwendig ist, um mehr Chancengleichheit auch im Sport zu erreichen. Daran nahtlos anzuschließen ist eine große Herausforderung, und ich bin froh, dass ich mir ihrer Unterstützung gewiss sein kann. Durch ihren persönlichen Einsatz und die Anerkennung unter den Frauen in den Gliederungen konnte in der Sportwelt Sachen-Anhalts einiges auf die Beine gestellt bzw. verankert werden. Wir haben seit Gründung des LSB einen Präsidialbereich für Frauen, seit September 2006 erweitert um den Bereich Gleichstellung, um deutlich nach außen ein Signal zu setzen, dass dem LSB Sachen-Anhalt das Thema Frauen und Gleichstellung gleichwertig wichtig zu anderen Schwerpunkten ist.
Unser Frauenförderplan, das Gleichstellungspolitische Strategiepapier und entsprechende Maßnahmepläne zur Umsetzung schaffen die Grundlage, um interessen- und bedürfnisorientierte Angebote zur Mitgliedergewinnung allgemein und speziell für Frauen und Mädchen zu entwickeln und zu realisieren, um die Anzahl der Frauen in den Führungspositionen aller Gremien zu erhöhen, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an sportlichen und gesellschaftlichen Veranstaltungen und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen umzusetzen. Um dieses Ziel zu erreichen bedarf es der Unterstützung aller im Sport tätigen, egal auf welcher Ebene und in welcher Funktion. Ich persönlich wünsche mir, dass es uns in den nächsten Jahren gelingt, noch mehr Frauen für eine ehrenamtliche Mitarbeit in den Führungsgremien des Sports zu gewinnen. Denn nur so können wir unser Mitbestimmungsrecht besser wahrnehmen. Und was speziell den Leistungssport betrifft, sind uns die Erfolge unserer Sportlerinnen in Peking bei den Olympischen Spielen noch frisch in Erinnerung. Besonders konnten wir uns über die Goldmedaille unserer Rennkanutin Conny Waßmuth und die Bronzemedaille unserer Ruderin Manuela Lutze freuen. Aber genauso stolz sind wir auf die zahlreichen erfolgreichen Olympiateilnahmen wie zum Beispiel von Wasserspringerin Katja Diekow, die sich ja noch einige Jahre dem sportlichen Wettkampf stellen kann. Nicht zu vergessen ist an dieser Stelle, dass Handbikerin Andrea Eskau bei den Paralympics die Goldmedaille im Straßenrennen gewonnen hat.
DOSB PRESSE: Vom 26. bis 28. September 2008 sind Sie quasi Gastgeberin für die Frauen-Vollversammlung des DOSB. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dieser Veranstaltung?
RENK-LANGE: Zunächst wird es ja für mich die erste Teilnahme an einer Frauenvollversammlung sein, und ich bin sehr gespannt auf die Gespräche und den Gedankenaustausch untereinander. Als Gastgeber freuen wir uns im LSB darüber, dass unsere Bewerbung für die Ausrichtung Erfolg hatte und wir ca. 130 Frauenvertreterinnen aus der gesamten Bundesrepublik in Halle begrüßen können.
Wir empfinden es als besondere Wertschätzung, dass Frau Dr. Gerlinde Kuppe, Ministerin für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, Frau Dagmar Szabados, Oberbürgermeisterin der Stadt Halle, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Dr. Thomas Bach, und der Präsident des DFB, Dr. Theo Zwanziger, die Veranstaltung mitgestalten und unterstützen. Das Motto „Gender und Diversity - Konkurrenz oder Verstärkung? - Frauen im DOSB positionieren sich" nutzt das oberste Gremium der Frauen unter dem Dach des DOSB, um sich in Diskussionen und Workshops auszutauschen und eine entsprechende Kommunikations-grundlage zu erarbeiten bzw. zu verinnerlichen.
Letztendlich meine ich, setzen wir Frauen durch solch eine Veranstaltung ein Signal, dass wir uns mit den sich ständig veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und Anforderungen ausein-andersetzen und uns fair und fundiert für unsere Belange einsetzen.