Der kleine Eintrag illustriert: Als Teil der Zivilgesellschaft leisten viele der rund 90.000 Sportvereine ihren Beitrag weit über das rein sportliche Angebot hinaus. Längst haben sie die Grenzen von bloßer Leibesertüchtigung, Freizeitspaß und Fitness gesprengt und sind weit in andere Sphären der Gesellschaft vorgedrungen und zählen dort zu den Stützen.
Aktuell lässt sich diese tragende Rolle am besten am Thema Ganztagsschulen illustrieren. Dieses Bildungs-Modell würde ohne die Mitwirkung der Sportvereine nicht funktionieren. Wenngleich es sicherlich zu weit ginge, dass künftig Vereine über Zusatz- und Nachmittagsangebote hinaus den Sportunterricht selbst unter ihre Fittiche nähmen - wie jetzt erstmals in Weinheim knapp 20 Kilometer nördlich von Heidelberg. Übungsleiter der TSG Weinheim stemmen für ein Privatgymnasium in der Stadt ab sofort den Sportunterricht.
Der organisierte Sport als ideenreicher Träger von Bildungseinrichtungen
Die Weinheimer Kooperation mag eine neue Qualität darstellen. Keineswegs neu jedoch ist die Betätigung des Sports und seiner Vereine in der Bildung. Seit rund 20 Jahren schon, als erstmals Kindergärten in die Regie des organisierten Sports übergingen und sich erstmals Sportvereine als kompetente Betreiber von Kindertagesstätten, den sogenannten Kitas, entpuppten, wurden die Trägerschaften sukzessive und von der breiteren Öffentlichkeit fast unbemerkt erweitert. Mittlerweile existiert zwischen Alpen, Nord- und Ostsee ein Netz von Kitas, Horten, Kindersportschulen und Kinder-Bewegungshäusern, Jugendclubs und sogar einer Grundschule, bei denen der Sport in Gestalt seiner Vereine, der Deutschen Sportjugend oder den Landessportbünden als Träger und Regisseur wirkt.
Wie viele dieser Bildungseinrichtungen aktuell in der Hand des Sports liegen, darüber gibt es keine exakten und flächendeckenden Untersuchungen. Über die Bestandteile dieses großen Mosaiks gibt es mitunter nicht einmal in den jeweiligen Bundesländern eine komplette Übersicht. Doch selbst die nur annähernde Vorstellung von der Vielzahl dieser besonderen Strukturelemente reicht aus, um deren Bedeutung für das deutsche Bildungs- und Erziehungssystem zu ermessen und die Rolle, in die der Sport hier mehr und mehr schlüpft.
Einige besonders prägnante Beispiele sollen in der DOSB-Presse in den kommenden Wochen näher vorgestellt werden. Beispielsweise das Konzept der Sportjugend Berlin, die in der Hauptstadt insgesamt 21 Kitas betreibt; beispielsweise das Bewegungshaus mit Kinderkrippe und einem bilingualen Kindergarten unter dem Dach des ASC Göttingen; beispielsweise die in Regie der Freiburger Turnerschaft von 1844 funktionierende Grundschule im Breisgau als eines der weithin sichtbaren Leuchttürme beim gesellschaftspolitischen Thema „Der Sport als Träger von Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche“.
Großvereine und Städte als Motor und Vorbilder
Allein von den 167 Großvereinen mit mehr als 2.500 Mitgliedern, die dem Freiburger Kreis angehören, betreibt eine große Anzahl eigene Einrichtungen nach dem Motto „Sport-Kitas und mehr“. „Mindestens 50 Prozent unserer Mitgliedsvereine machen das bereits“, sagt Geschäftsführerin Doris Büttner und plädiert dafür, diesem wenig bekannten Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Mitunter gibt es auch Rückschläge wie jüngst in Thüringen, wo der Landessportbund sich von seinen drei Kitas in Erfurt trennen musste, die der LSB rund acht Jahre unter seinen Fittichen hatte. Ursache waren finanzielle Probleme, weil manche Eltern ihre Beiträge schuldig blieben. In Suhl hingegen plant der Stadtsportbund, einen eigenen Jugendclub zu eröffnen, wie sie in Bremen mit den Jugendtreffs „Block Diek“ und Horn-Lehe von der Bremer Sportjugend oder dem TV Eiche Horn im Norden bereits existieren.
In Hamburg gibt es fast ein halbes Dutzend Jugend-Clubs unter dem Dach des Sports und dazu ein Dutzend Kitas. Schleswig-Holstein bringt es aktuell auf vier Kindergärten des Sports, Nordrhein-Westfalen allein in Trägerschaft von Sportorganisationen in Bielefeld und Borken auf mehr als zehn. Die Sportjugend Brandenburg unterhält in Potsdam einen Schulhort, in Sachsen-Anhalt verweist die Sportjugend auf ihre spezielle Bildungs-Freizeitstätte in Schierke am Fuße des Brockens. Weichen für die Zukunft wurden kürzlich in Nürnberg gestellt, wo der ATV Frankonia von der Stadt den Zuschlag für den Bau einer eigenen Kindersportschule erhielt, um Steppkes im Alter ab zwei Jahren bis zum Ende der Grundschule durchgehend sportliche Angebote zu unterbreiten.
Qualitätssiegel und ein DOG-Projekt als flankierende Maßnahmen
Flankiert werden diese vielfältigen Strukturelemente in der Bildungslandschaft der Länder von ungezählten inhaltlichen Kooperationen des Sports mit Krippen, Kitas, Schulen oder Freizeiteinrichtungen. Für diesen Aspekt steht beispielsweise der Begriff von den „Bewegungsfreudigen Tageseinrichtungen“, für die etwa der Landessportbund in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2000 ein eigenes Qualitätssiegel eingeführt hat. Rund 300 dieser Gütesiegel konnten bislang an Einrichtungen in ganz unterschiedlicher Trägerschaft vergeben werden. „Es geht um die Inhalte und den Stellenwert des Sport“, lautet die Devise dieser Qualitätsoffensive. Unter welcher Trägerschaft dies umgesetzt wird, ist dabei sekundär. In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist auch eine Initiative der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG), die 2003 in Zusammenarbeit mit den Universitäten in Karlsruhe und Konstanz das Projekt „Kinder bewegen“ initiierte. Seither wurden insgesamt 27 Kindergärten im Bundesgebiet finanziell unterstützt.
Mit den Beihilfen konnten vor allem Übungsleiter bezahlt werden, die die Kinder zu regelmäßiger sportlicher Betätigung animieren und frühzeitig für den Sport begeistern sollen. Kombiniert wurde die Idee mit dem Ansatz, jeder dieser Kitas einen Spitzensportler als Paten zur Seite zu stellen, um bei den Kleinen olympische Träume zu wecken und diese in Gestalt von sogenannten Kindergarten-Olympiaden zu fördern. Zum Projekt gehörte ebenso ein Handbuch, welches die Kita-Erzieherinnen befähigen soll, das sportliche Moment nun eigenständig weiter zu pflegen.
Denn angelegt war die Förderung innerhalb des Projekts, das nunmehr zu Ende geht, für jede Kita nur auf drei Jahre und als „Hilfe zur Selbsthilfe“ gedacht. Einige Einrichtungen - etwa ein Kindergarten in Berlin-Moabit - haben diese Phase genutzt, um neue Partner zu finden oder das Projekt in modifizierten Kooperationsformen mit der DOG-Dependance vor Ort weiterzuführen.