5 Fragen an den Ratsvorsitzenden der EKD, Prof. Dr. Wolfgang Huber
DSB PRESSE: Nach Ihrer Wahl zum Ratsvorsitzenden haben Sie erklärt, dass die Kirche nicht ein politischer Akteur unter anderen sei, sondern sich um Gottes Willen politisch einmischen sollte. Lässt sich der Satz auch auf den Sport übertragen – etwas frei formuliert: „Die Kirche an sich ist zwar nicht sportlich, aber sie soll sich um Gottes Willen in den Sport einmischen“?
HUBER: Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass die Kirche nicht sportlich sei? Die Kirche Jesu Christi ist seit über 2000 Jahren auf einem Marathon unterwegs. Sie trägt die Fackel des Evangeliums durch die Welt. Weder ist die Kirche als Läuferin in dieser Zeit müde geworden noch ist ihr die Fackel ausgegangen. Ich behaupte, dass es in der Weltgeschichte kaum eine Institution gibt, die so sportlich ist wie die Kirche. Schon der Apostel Paulus hat in seinem Brief an die Philipper geschrieben: „Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“ Wer könnte bei einem solchen apostolischen Vorbild sich beruhigt auf die faule Haut legen? Nein, das Christentum ist durch seine Botschaft von Natur aus eine dynamische Religion. Diese Dynamik muss und soll auch der Kirche inne wohnen. Aus diesem Grund führen wir gern fruchtbare Gespräche mit dem Sport. Die Freude an der Dynamik und an der Bewegung verbindet uns. Gespräche und Begegnungen finden auf allen Ebenen statt. Unsere Landeskirchen verfügen über Pfarrerinnen und Pfarrer, die als Sportbeauftragte im engen Kontakt mit den Sportlerinnen und Sportlern in Deutschland stehen. Wir begleiten nicht nur den Breiten- sondern auch den Spitzensport, und wir melden uns zu Wort, wenn wir das Gefühl haben, dass der Sport gerade im Leistungssport falsche Wege einschlägt. Ich bin dankbar, dass der Sport und die Kirche in den letzten Jahren viele gemeinsame Positionen vertreten haben. Ich denke hierbei besonders an die Bedeutung des Sonntags. Nur wenn der Sonntag frei von beruflichen Verpflichtungen bleibt, können die Menschen miteinander Sport treiben und in die Kirche gehen.
DSB PRESSE: Sie gelten innerkirchlich als jemand, der auch für die Stärkung der kulturprägenden Kraft des Protestantismus einsteht. Gibt es da eine sportbezogene Dimension?
HUBER: Fundamental für die Kultur der Moderne ist der Grundsatz von der gleichen Würde aller Menschen. Dieser Grundsatz wurzelt in der Unterscheidung zwischen der Person und ihren Taten; denn nur so lässt sich gleiche Würde denken. Dieser Ansatz ist zutiefst protestantisch, und er hat unsere Gesellschaft kulturell geprägt. Der Sport kann diesen Grundsatz erfahrbar machen, wenn er ihm sowohl im Breitensport als auch im Spitzensport Bedeutung zukommen lässt. Die kulturelle Aufgabe des Sports besteht unter anderem darin, dass er in seiner personalen Dimension der Entfaltung der persönlichen Würde dient. Er ist Ausdruck menschlicher Kreativität und Gestaltungskraft. Im Sport begegnet der Mensch sich selbst in der Einheit von Körper, Seele und Geist. Dass es zu diesen Begegnungen kommt, ist und bleibt der kulturelle Auftrag des Sports.
DSB PRESSE: Sie haben vor etwa drei Jahren zusammen mit dem Sportwissenschaftler und früheren DSB-Vizepräsidenten Prof. Dr. Ommo Grupe einen Sammelband mit dem Titel „Zwischen Kirchturm und Arena. Evangelische Kirche und Sport“ herausgegeben. Welche Verbindungen gibt es denn zwischen beiden?
HUBER: Große Leitlinien verbinden die Kirche und den Sport. Das gilt insbesondere für die von der Kirche und dem Sport ausdrücklich hervorgehobenen Aussagen zur Lebensbejahung. Beide Partner setzen sich für die Entfaltung des Lebens ein, drücken ihr Ja zu Pluralität und zum konstruktiven Diskurs aus und treten für die Wertschätzung der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.
DSB PRESSE: Welche konkreten Arbeitsvorhaben von Kirche und Sport stehen unter Ihrer Amtsführung als EKD-Ratsvorsitzender mit Priorität auf der Agenda?
HUBER: Es gilt die Partnerschaft zwischen Sport und Kirche weiter auszubauen. Sie ist noch längst nicht zur Normalität geworden. Das heißt, dass wir in Zukunft noch zielstrebiger als bisher tagespolitische und sportstrukturelle Themen gemeinsam angehen und lösen müssen. Die stärkere Förderung der Ganztagsschule legt es z.B. nahe, darüber nachzudenken, inwieweit Sportvereine und Kirchengemeinden gemeinsam Angebote für die Nachmittagszeit gestalten können. In meine Amtszeit fallen einige sportliche Großveranstaltungen. Die Olympischen Spiele werfen ihre Schatten, aber auch das Deutsche Turnfest im Jahr 2005 oder die Fußballweltmeisterschaft 2006 sorgen schon jetzt für Vorfreude. Diese Sportveranstaltungen werden ein großes gesamtgesellschaftliches Ereignis. Mein Interesse ist es, dass der Sport die Chance ergreift, die Kirche mehr als bisher einzubinden. Hierfür werde ich mich einsetzen. In Berlin wurde im letzten Sommer der Plan entwickelt, eine christliche Kapelle in den Räumen des Olympiastadions zu bauen. Der Plan ist laut Berliner Senat in der Umsetzung begriffen. Mir liegt dieser Raum der Stille am Herzen. Wir hören und lesen in den letzten Monaten immer häufiger von Spitzensportlern, die seelische Probleme unter dem ständigen Erwartungsdruck bekommen. Das Hören auf die befreiende Botschaft von Jesus Christus ist ein Weg für Sportlerinnen und Sportler, mit diesen Herausforderungen umgehen zu können. Hierzu braucht es Räume und Menschen, die einen Kontrapunkt zum Sportalltag setzen können. Wir sind in Deutschland in dieser Beziehung Entwicklungsland. Während in Amerika die Spitzenmannschaften aller Sportarten Seelsorgerinnen und Seelsorger als Mannschaftsbegleitung kennen, ist dies bei uns noch weitgehend fremd. Ich würde mich freuen, wenn der Sport um seiner selbst willen die Kenntnisse und Fähigkeiten unserer Pfarrerinnen und Pfarrer abrufen würde.
DSB PRESSE: Lässt es die neue berufliche Herausforderung und der damit verbundene enge Zeithaushalt eigentlich noch zu, dass Sie selbst weiter sportlich aktiv bleiben können?
HUBER: Ja, das muss sein. Ich jogge weiterhin regelmäßig. Sollte diese Regelmäßigkeit unterbrochen werden, so wäre dies ein schlechtes Zeichen. Um die Herausforderungen des neuen Amtes gut bewältigen zu können, bedarf es zweifelsohne einer körperlichen Fitness. Diese habe ich und diese möchte ich auch behalten. Im Februar werde ich auch wieder einmal zum Skifahren kommen. Darauf freue ich mich schon seit Wochen.