Integration durch Sport: Zur Nachahmung empfohlen

Es braucht nicht immer medienwirksame, große Kampagnen, um das Potenzial des Sports in Sachen Integration zu zeigen und Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hauptfarbe und Konfession zum „Integrationssport“ zu animieren.

Integration durch Sport wird bei den Mitternachtsturnieren groß geschrieben. Foto: IdS
Integration durch Sport wird bei den Mitternachtsturnieren groß geschrieben. Foto: IdS

Oft genug bewirken, nach außen hin eher unscheinbar, Impulse im kleineren Rahmen, dass diese Art der gemeinsamen sportlichen Betätigung vor allem auf lokaler und regionaler Ebene prächtig gedeiht.

Zwei Beispiele aus Frankfurt am Main beweisen dies: zum einen die Erfolgsgeschichte des organisatorisch etwas aufwändigeren „Mitternachtsports“ für Teenager, zum anderen die von sehr privaten Erlebnissen initiierte Geschichte von der Integration für Kids am grünen Tischtennis-Tisch. Zwei Initiativen, die zur Nachahmung bestens geeignet sind.

Mitternachtssport: Zum Auftakt kamen mehr als 150 jugendliche Kicker

Nun fliegen sie wieder, die Fuß- und Basketbälle zur Geisterstunde. Die von der Sportjugend Frankfurt organisierten und äußerst beliebten Mitternachts-Turniere starteten soeben in ihre nunmehr 15. Saison. Teenager, die mit Altersgefährten Spaß an der Kombination aus sportlicher Betätigung, Teamwork am Ball, Musik und ein bisschen Party haben, sind immer freitags gern gesehene Gäste in ausgewählten Sporthallen der Bankenmetropole. Insgesamt stehen den jugendlichen Sportlern 14 Hallen im gesamten Stadtgebiet zur Verfügung, so dass an jedem späten Freitagabend jeweils drei bzw. vier Turniere gleichzeitig angepfiffen werden können. „Die ersten Veranstaltungen im neuen Jahr waren sofort wieder gut besucht. Das zeigt, wie beliebt diese Reihe bei den Jugendlichen ist. Die meisten von ihnen kommen natürlich, um in den Teams mitzuspielen, aber viele bringen inzwischen auch Freunde und Bekannte als Zuschauer mit“, berichtet Organisator Stephan Wehner von der Frankfurter Sportjugend. Über 150 Jugendliche hatten sich allein bei den ersten drei Mitternachtsangeboten 2011 auf dem Fußballfeld in den spontan zusammengestellten Fünfer-Mannschaften getummelt.

Die Idee des Mitternachtssports unterm Hallendach, 1997 als Basketball-Event erstmals praktisch umgesetzt, wird mittlerweile klar vom Fußball als der beliebtesten Sportart hierzulande dominiert. Sogar ein eigenes Fußball-Turnier für Mädchen und junge Frauen gibt es inzwischen stets am vierten Freitag im Monat von 21.00 Uhr bis 1.00 Uhr in der Sporthalle Süd am Lokalbahnhof in Sachsenhausen. Basketball hingegen wird monatlich nur einmal im Stadtteil Eschersheim angeboten. Gespielt wird - mit Ausnahme der Winter- und der Sommerferien an den Schulen - rund um den Kalender, bis Mitte Dezember traditionell das große zentrale Jahresabschluss-Turnier mit den besten Teams aus allen Stadtteilen stattfindet. Was die Standorte betrifft, so hofft Stephan Wehner, in diesem Jahr die letzten „weißen Flecken“ auf der Frankfurter Landkarte tilgen zu können. Ihm ist sehr daran gelegen, dass demnächst noch drei weitere Stadtteile in den der Reigen des Mitternachtssports aufgenommen werden, um künftig monatlich 17 Turniere anbieten zu können - 16 für Kleinfeld-Fußball und eines unter´m Basketballkorb. Das Problem sei, die zusätzlichen Hallenkapazitäten aufzutreiben. „Normale Schulturnhallen sind für unseren Zweck leider zu klein“, sagt Stephan Wehner. „Was wir brauchen, sind Großsporthallen und die stehen leider nicht überall zur Verfügung.“

60 Helfer für Turnierleitung, Schiedsgericht und Aufsichtspersonal

Überdies geht es nicht ohne die rund 60 Helfer, die als Turnierleiter, Schiedsrichter oder Aufsichtspersonal unentbehrlich sind. Im laufe der Jahre sei eine „gute Truppe“ zusammengewach-sen. Fortbildungen in Sachen Gewalt-Prävention und Erste Hilfe gehören für die Helfer so selbstverständlich zum „Mitternachtssport“ wie die integrative Komponente bei dieser sportlichen Serie. Entsprechend werden die Turniere laut Stephan Wehner von allen städtischen Einrichtungen unterstützt, „die in Frankfurt mit Jugendlichen zu tun haben“. Beispielsweise überträgt das Schulamt den Organisatoren wegen der sehr späten Anstoßzeiten die Schlüsselgewalt für die Hallen. Ganz vorne dabei ist das Sportamt, das die unentgeltliche Nutzung der Sportstätten garantiert und außerdem einen Teil des kleinen Honorars für die Turnierleitung übernimmt. „Ohne dieses Netzwerk“, weiß auch Roland Frischkorn, der Vorsitzende des Frankfurter Sportkreises, „würde das alles nicht funktionieren.“

Integration: Mit Tischtennis Freunde gewinnen

Für die Tischtennis-Kinder braucht es solch großer Netzwerke nicht, wie Mate Pasalic berichte. Als Teenager kam er vor knapp 20 Jahren mit seinen Eltern aus Kroatien nach Deutschland. Die deutsche Sprache war dem 15-Jährigen damals ein fremdes Wesen. Weder warteten gleichaltrige Cousins oder Cousinen in der neuen Heimat auf ihn noch hatte er hier Freunde. Allein und in fremder Umgebung machte sich Mate in Frankfurt am Main tagtäglich auf in die Parks der Stadt und zu den steinernen, wetterfesten Tischtennisplatten, die dort auf Hobbyspieler warteten. „Tischtennis, das ist damals die einzige Form gewesen, in der ich mich ausdrücken konnte“, erinnert sich Mate Pasalic heute, da er der deutschen Sprache mächtiger ist und sie gekonnter einsetzt als so mancher Einheimischer. Die tagtäglichen Ausflüge in die Parks zum sportlichen Treiben mit den kleinen Zelluloidbällen bedeuteten dem Zugereisten sinnvolles Freizeitvergnügen, bedeuteten dem Jungen soziale Kontakte und erste Artikulation in Sprache seiner Wahlheimat. „Auf diese Weise habe ich Freunde gewonnen. Diese Tischtennisplatten sind für mich der größte Integrationsfaktor gewesen“, weiß Mate Pasalic.

An seine ganz persönliche Lebensgeschichte knüpfte er nun an. Inzwischen 34 Jahre alt, diplomierter Soziologe und seit einigen Jahren als Betreuer im Frankfurter Kinderhaus Innenstadt beschäftigt, entdeckt er nun all die sozialen und integrativen Kräfte des kleinen weißen Balles seinen Schützlingen. Wenn Mate Pasalic und sein Kollege Willi Schellen zu Tisch bitten, dann greifen ihre Zöglinge aus aller Herren Länder nicht zu Messer und Gabel. Begeistert nehmen die 6- bis 12-Jährigen dann neuerdings einen Tischtennisschläger in die Hand. Gespielt wird hinter den bunt bemalten Fensterscheiben inzwischen jeden Tag. Besonders eifrig dienstags, wenn Mate Pasalic mit den Mädchen und Jungen trainiert, ihnen einige Tricks beibringt und auf das nächste Spiel in der von ihm initiierten Frankfurter Kinderliga vorbereitet. An dem neuen, nach den Sommerferien gestarteten Turniersystem beteiligen sich auf Anhieb sechs Kinderhäuser und Kitas aus ganz Frankfurt. Weitere bekundeten schon Interesse und befänden sich für die nächste Saison „in der Warteschleife“.

Die Kinderhaus-Liga sorgt für reges Treiben an der einst verwaisten Platte

„Mit dem Tischtennis habe ich hier im Kinderhaus angefangen. Wenn wir jetzt gegen andere spielen, dann trifft man vielleicht auch andere Freunde.“ Die 11-jährige Kübra, die das sagt, ist eifrig bei der Sache wie zwei Dutzend weitere Mädchen und Jungen. Kapitän Kazim, der in seiner Freizeit aktiv dem Fußball nachjagt, kennt bereits auf die kleinen Tücken des Wettkampfes. „Bei uns hier kenne ich ja alle. Wie gut die anderen sind, das weiß man nicht“, so der 10-Jährige. „Da kann man schnell überrascht werden.“ Zum besonderen Erlebnis avancieren für die Tischtennis-Kids die gemeinsamen Fahrten zu den Auswärtsspielen „Allein das wird die Truppe noch mehr zusammenschweißen“, ist Mate Pasalic überzeugt. Für ihn geht seine Idee einer „Kinderhaus-Liga“ in Frankfurt weit über das Moment des sportlichen Vergleichs hinaus.

„Bis jetzt haben wir mit den Kindern meistens nur Fußball gespielt und alles gewonnen, was es im Vergleich mit anderen Kindereinrichtungen in der Stadt zu gewinnen gibt“, sagt der Mann, der noch immer die kroatische Staatsbürgerschaft und den kroatischen Pass besitzt. „Wir haben aber beobachtet, dass es Kinder gibt, die sich beim Fußball nicht so zuhause fühlen und eher Abseits standen. Auch sie sollen ja Spaß am Sport haben und da haben wir uns eine Alternative überlegt, bei der Mädchen und Jungen sowie kleine und größere Kinder gemeinsam spielen können.“ Was lag näher, als die grüne Platte ins Zentrum zu rücken? Viele Kinder möchten zur Liga-Mannschaft gehören, also schwingen Viele die Tischtennis-Kelle. Von den 30 bis 60 Mädchen und Jungen, die hier betreut werden, sind inzwischen 20 bis 30 eifrig am kleinen Zelluloidball aktiv. Der faire Umgang untereinander ist Mate Pasalic dabei ebenso wichtig, wie über das kleine sportliche Erfolgserlebnis das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl zu stärken.

Was den „Zugewinn“ für die Kinder anlangt, hat er das Potential auf einem Blatt Papier in 14 verschiedene Kategorien gefasst. Sie reichen von der „Aufwertung der Frauenrolle“, weil Mädchen und Jungen gemeinsam spielen können, über den „leichten Einstieg“ und „Teamgeist“ bis hin zu „Sozialkompetenz“ und dem „Spaßfaktor“. Beispielsweise achtet Mate Pasalic sehr genau darauf, dass, wer einen Netzroller produziert oder nur dank eines an die Kante gesprungenen Balls glücklich einen Punkt erzielt, sich dafür bei seinem Gegenüber entschuldigt. Das gehöre beim respektvollen Umgang über die Grenzen von Alter, Herkunft und Geschlecht hinweg zum guten Ton. „Entschuldigung“ - vermutlich eines derjenigen Wörter, welches der Initiator der Kinderhaus-Liga damals vor fast 20 Jahren in seiner neuen Heimat beim Tischtennisspiel im Park zuerst erlernte.

 

Autor: Andreas Müller


  • Integration durch Sport wird bei den Mitternachtsturnieren groß geschrieben. Foto: IdS
    Integration durch Sport wird bei den Mitternachtsturnieren groß geschrieben. Foto: IdS