„Integration ist ein bilateraler Prozess“ – Interview mit Heide Dornseifer-Seitz vom Deutschen Hochschulverband

Das Projekt Ost-West-Integration, kurz OWI, ist ein Projekt des Deutschen Volkshochschulverbands e.V und wird gefördert vom Bundesministerium des Inneren. Seit 1993 läuft es nun schon an ausgewählten Volkshochschulen. Kernzielgruppe sind Spätaussiedler, deren gesellschaftliche Integration über die Schaffung nachhaltiger Strukturen gefördert werden soll.

Heide Dornseifer-Seitz ist Koordinatorin beim Deutschen Volkshochschulverband für das OWI-Projekt (Foto: DVV)
Heide Dornseifer-Seitz ist Koordinatorin beim Deutschen Volkshochschulverband für das OWI-Projekt (Foto: DVV)

Heide Dornseifer-Seitz ist Koordinatorin beim OWI-Projekt. Im Interview stellt sie die wesentlichen Punkte des Projektes vor.

 

   Frau Dornseifer-Seitz, was will das OWI-Projekt bewirken?

 

Dornseifer-Seitz: Zugewanderte Spätaussiedler sollen sich möglichst schnell in ihrer neuen, deutschen Heimat auch wirklich heimisch fühlen. Wir wollen ihre Integrationschancen nachhaltig verbessern und nicht zuletzt auch das soziale Klima vor Ort positiv beeinflussen.

 

   Wie erreichen Sie diese Ziele?

 

Dornseifer-Seitz: Unsere Aktivitäten folgen einem wichtigen Prinzip, wir nennen es das „Drei-Säulen-Modell“. Zuerst einmal richten wir uns eben nicht nur an die Spätaussiedler, sondern auch an die Einheimischen. So hat das OWI-Projekt übrigens begonnen: 1989, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks, schwappte eine große Aussiedlerwelle in die Bundesrepublik. Damals wurden in Lippe-West besonders viele Mennoniten (Anhänger einer speziellen evangelischen Glaubensgemeinschaft – d. Red.) aus der ehemaligen Sowjetunion untergebracht.

 

   Das ging sicherlich nicht ganz reibungslos?

 

Dornseifer-Seitz: Richtig. Probleme zwischen Aussiedlern und Einheimischen waren quasi programmiert. Die örtliche Volkshochschule bot rasch Informationsveranstaltungen über die neuen Nachbarn und deren kulturelle und soziale Besonderheiten an. Gleichzeitig wurden Angebote für die Aussiedler vorbereitet. Integration ist ja schließlich ein bilateraler Prozeß, man muß sich integrieren wollen, aber auch integriert werden. Und da das nur funktionieren kann, wenn beide Seiten miteinander Umgang haben, wurde auch der Rahmen für Begegnungen geschaffen.

 

   Offenbar ein erfolgreiches Modell?

 

Dornseifer-Seitz: Ja, so erfolgreich, dass es von immer mehr Volkshochschulen nachgeahmt wurde. 1993 wurde dann ein bundesweites Programm daraus, gefördert mit Mitteln des Bundesinnenministeriums.

 

   Was genau bieten Sie an?

 

Dornseifer-Seitz: Das Angebot des OWI-Projekts ist sehr vielfältig. Es geht um gemeinwesenorientierte Arbeit, die die soziale & gesellschaftliche Integration befördert. Lassen Sie es mich deshalb an einem Beispiel verdeutlichen: Verbraucherschutz. Was brauche ich, was nicht – welche Versicherungen, was für einen Telefonanschluß… Fragen, die schon viele Deutsche fast überfordern. Da klären wir auf, verweisen an die richtigen Organisationen und Behörden. Wir machen auch viele kulturorientierte Angebote, denn ein Großteil der Aussiedler hat enorme Fähigkeiten auf musischem Gebiet.

 

   Wie machen Sie sich das zunutze?

 

Dornseifer-Seitz: Wir bieten beispielsweise mit unseren Projekten Möglichkeiten, vor Publikum aufzutreten. Oder Volkshochschulkräfte helfen Migranten, selbst als Kursleiter tätig zu werden. Anerkennung und Sympathie die dabei geerntet werden, stärken das Selbstwertgefühl enorm. Es geht darum, Konflikte zu entschärfen, die Persönlichkeit der Zuwanderer zu stärken und eine Bindung an ihre neue Heimat aufbauen. Die ist nicht selbstverständlcih, wenn ich mir meine neue Heimat nicht aussuchen kann, wo zum Beispiel meine Verwandschaft lebt, sondern eine Region zugewiesen bekomme.

 

   Nun können Ihre Angebote ja nur zeitlich begrenzt sein?

 

Dornseifer-Seitz: Das stimmt, unsere Projekte laufen nach dem Rotationsprinzip. Sie dauern drei Jahre. Im ersten Jahr, der Aufbauphase, werden die örtlichen Strukturen ermittelt oder gegebenenfalls geschaffen. Das zweite Jahr dient dazu, die Ergebnisse der Aufbauphase zu stabilisieren und zu verbessern. Spätestens im dritten Jahr muss neben der aktuellen Projektarbeit der Nachhaltigkeitseffekt gesichert werden – zum Beispiel durch die Implementierung beteiligter Migranten als Paten oder Ansprechpartner. 

 

   Wie genau gehen Sie dazu vor?

 

Dornseifer-Seitz: Wir setzen bei den einzelnen Maßnahmen auf sogenannte Team-Tandems, also Migranten als Mitarbeiter. Die bringen als Multiplikatoren auch Vertrauen bei der Zielgruppe. Es geht immer darum, das Rüstzeug zur Selbstorganisation zu vermitteln, die Eigeninitiative der Zielgruppe zu stärken.

 

   Haben Sie dafür ein Beispiel?

 

Dornseifer-Seitz: Nun, für eine Exkursion könnte das bedeuten: Wir chartern keinen Bus, sondern fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das können die Teilnehmer auch noch selbst organisieren und finanzieren, wenn unser Projekt beendet ist. Oder wir helfen mit Know-How, die Gründung eines eigenen Vereins vorzubereiten. Oftmals reicht es aber schon, zu informieren, was es für Vereine in der Umgebung gibt.

 

   Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

 

Dornseifer-Seitz: Vor allen Dingen wollen wir unsere Aktivitäten auf Migranten verschiedenster Herkunft ausdehenen. Schon jetzt wird niemand bei uns abgewiesen, aber wir sind schon noch sehr stark auf die Gruppe der Aussiedler konzentriert. Das soll sich ändern.


  • Heide Dornseifer-Seitz ist Koordinatorin beim Deutschen Volkshochschulverband für das OWI-Projekt (Foto: DVV)
    Heide Dornseifer-Seitz ist Koordinatorin beim Deutschen Volkshochschulverband für das OWI-Projekt (Foto: DVV)