DOSB PRESSE: Beim Jubiläum in Berlin gab's jede Menge Lob für Integration durch Sport. Zufrieden zurücklehnen geht bei diesem Thema aber nicht. Was sind ihre nächsten Ziele?
SCHNEELOCH: Wir haben uns sehr über die Aussage von Bundesinnenminister Schäuble gefreut, dass ab 2010 die Förderung auf eine Festbetragsfinanzierung umgestellt wird. Die Wertschätzung, die dem Programm mit dieser Entscheidung widerfährt, ist für alle ein wichtiger Motivationsschub für die anstehende Arbeit. Denn die Evaluation der Uni Potsdam, die gerade abgeschlossen wurde, zeigt Handlungsbedarfe und Entwicklungspotientiale auf, die wir in den nächsten Monaten und Jahren systematisch angehen werden.
DOSB PRESSE: Und ganz am Ende - was steht da als Ziel oder Vision?
SCHNEELOCH: Integration ist eine ständige Aufgabe. Insofern kann es kein Ziel im Sinne eines Ergebnisses geben. Vielmehr geht es darum, Prozesse, die zu einer erfolgreichen Integration führen, immer besser zu verstehen, sie weiterzuentwickeln und sie vor allem an die sich ständig verändernden Rahmenbedingen anzupassen. Seit Bestehen des Programms haben sich beispielsweise die Zielgruppen verändert: Stand vor 20 Jahren zu Beginn des Programmes noch die Integration vor allem der meist deutsch stämmigen Aussiedler aus dem osteuropäischen Raum im Vordergrund, liegt unserem Integrationsverständnis heute ein wesentlich aus-differenzierterer Ansatz zugrunde. So haben beispielsweise Türken und Türkinnen den höchsten Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land. Außerdem sind wir zunehmend gefordert, mehrere Generationen von Zuwanderern und deren altersspezifisch unterschiedliche und von ihren eigenen kulturellen Erfahrungen geprägten Sport- und Bewegungsbedürfnisse zu beachten und zu fördern. Hierauf und auf weitere Änderungen werden wir kontinuierlich mit einer aktiven Programmentwicklung reagieren.
DOSB PRESSE: Noch mehr Frauen und ältere Menschen in die Programme, rät die vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Evaluation der Universität Potsdam. Wie lässt sich das umsetzen?
SCHNEELOCH: Wir wissen aus vielen Studien, dass insbesondere muslimische Mädchen und Frauen in den Sportvereinen unterrepräsentiert sind. Hierauf müssen wir besonderes Augenmerk legen und dies aus drei Gründen: Erstens gelingt die soziale Integration in Sportvereinen mit deren Vernetzung in die unmittelbare örtliche Umgebung in besonderer Weise, Sportvereine bieten somit vielfältige Möglichkeiten, Freundschaften zu schließen und neue Menschen kennenzulernen. Zum zweiten ist ein zentrales Motiv für Sport und Bewegung Gesundheit und Prävention und zwar quer durch alle Altersgruppen: Sportvereine bieten Fitness und gesundheitsorientierte Angebote flächendeckend und zu sozial verträglichen Mitgliedsbeiträgen an. Last but not least haben auch Vereine Interesse, eine kontinuierlich wachsende Zielgruppe in ihr Mitgliederspektrum aufzunehmen. Überdies können sie u.a. von den bewegungskulturellen Erfahrungen der Menschen mit Migrationshintergrund profitieren und ihr Sportprogramm damit erweitern.
DOSB PRESSE: Die 500 Stützpunktvereine und Integrationsmodule arbeiten spezialisiert und haben eine Vorreiterrolle inne. Wie kommen die restlichen mehr als 90.000 Sportvereine an dieses Wissen?
SCHNEELOCH: Wir haben unter http://www.integration-durch-sport.de/ eine Internet-Seite aufgebaut, die eine Fülle von Beispielen für gelingende Integrationsarbeit der Vereine enthält und Hilfestellungen zu vielen Fragen bietet. Auf der Service-Seite werden eine Reihe von Publikationen als download vorgehalten. Darüber hinaus haben wir spezielle Fortbildungs-Module zum interkulturellen Lernen im Vereinssport entwickelt, an denen Interessierte teilnehmen können - nicht nur Aktive und Übungsleiter/innen in den Stützpunktvereinen!
DOSB PRESSE: Darf ein Dorfverein von Integration sprechen, wenn der marokkanische Spieler aus der Ersten Mannschaft hier Wurzeln schlägt, wohnen bleibt und als Jugendtrainer weiter arbeitet? Unter Wissenschaftlern gibt es immer wieder Streit, ob derartige von selbst ablaufende Vorgänge Integration sind oder immer zwangsläufig ein Spezialprogramm dazu gehört?
SCHNEELOCH: Genau gesagt, ist damit die Integration in den Sport geleistet. Darüber hinaus kann man von Integration dann sprechen, wenn der Spieler über hinreichend gute Sprach-kenntnisse verfügt, um in Ausbildung und Arbeit erfolgreich zu sein, und wenn er sich neben dem Verein in weiteren sozialen Netzwerken bewegt, die gemischt ethnisch sind oder (anteilig) aus Deutschen bestehen. Im Übrigen: Natürlich geschehen solche Integrationsprozesse tagtäglich in unseren Vereinen. Aber aus Untersuchungen wissen wir, dass die Vereine dann besonders erfolgreich sind, wenn sie auf die Unterstützung Dritter zurück greifen können. Diese Unter-stützung kann durch eine gezielte finanzielle Förderung geleistet werden, doch ebenso wichtig ist eine kontinuierliche personelle und logistische Unterstützung, da die Vereine meist auf ehrenamtlicher Basis agieren.