Integrationsmotor Fußball

Auf einem alten Schulhofgelände der Vineta-Grundschule in Berlin vollführte die Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer gekonnt den Anstoß, passte den Ball zum nebenstehenden Theo Zwanziger, der dribbelte bis zum Tor und lupfte das Leder geschickt ins Netz.

Fußball als Integrationsmotor in unserer Gesellschaft.
Fußball als Integrationsmotor in unserer Gesellschaft.

Der Doppelpass zwischen der Integrations-Beauftragten der Bundesregierung und dem DFB-Boss bildete den zentralen Auftakt der bundesweiten Kampagne „Mitspielen kickt“. Es folgt eine Reihe von Aktionstagen bis zum 15. Mai, an denen insgesamt tausend Mini-Spielfelder offiziell ihrer Bestimmung übergeben werden, wobei die wichtigste Botschaft bei jeder Veranstaltung Integration lautet.

„Ein Sepp Herberger hat einmal von den elf Freunden gesprochen, die man braucht, um Erfolg zu haben“, sagte bei der Eröffnungsfeier Maria Böhmer, die gern die Schirmherrschaft über diese Aktionswochen übernahm. „Für mich ist der Sport, und ganz besonders der Fußball, der beste Integrationsmotor in unserer Gesellschaft, weil ein gutes Zusammenspiel und ein entsprechendes Verständnis nötig sind, um miteinander auszukommen. Dabei ist es egal, aus welchen unterschiedlichen Nationalitäten, Kulturen, Sprachbereichen oder Religionsgemein-schaften die Menschen kommen.“ Und dann meinte sie weiter: „An dieser Berliner Grundschule wird bereits das praktiziert, was wir uns vorstellen und wünschen, denn hier leben Mädchen und Jungen aus mehr als 20 Nationen friedlich miteinander.“

Die Ministerin zeigte sich schließlich sehr erfreut über das gesellschaftspolitische Engagement des Deutschen Fußball-Bundes, der ein wichtiger Partner des Nationalen Integrationsplans sei. „Mittlerweile gibt es schon viele Migrantinnen und Migranten in den Vereinen, wo sie Teamgeist, Fair Play und gegenseitige Wertschätzung erlernt und erfahren haben. Nicht zuletzt setzen sich die Spieler unserer Nationalmannschaft für ein harmonisches Miteinader ein und bilden so leuchtende Vorbilder für den Nachwuchs. Sie signalisieren, dass sich Anstrengung lohnt.“

Der DFB benannte anlässlich der Festveranstaltung in der Vinetaschule vier Integrationsbotschafter: Hannovers Nationaltorwart Robert Enke, der lange Zeit im Ausland (Benfica Lissabon) spielte, eine fremde Sprache erlernte und sich mit neuen kulturellen Gepflogenheiten ausein-andersetzen musste, den türkischstämmigen Serdar Tasci (VfB Stuttgart), der sich für Deutschland entschied, außerdem Celia Okoyino da Mbabi (SC Bad Neuenahr), die bereits 34 Länderspiele im DFB-Trikot bestritt, sowie die junge Berliner Schiedsrichterin Sinem Turac. So sollen Brücken gebaut, Grenzen eingerissen und Menschen jeden Alters und Herkunft näher gebracht werden.

Dem DFB-Präsidenten ist es ein echtes Anliegen, dass Integration auf und außerhalb des Spielfeldes stattfindet. „Deshalb haben wir uns für diese Aktion entschieden und hoffen, dass die kleinen Spielfelder auch großen Anklang bei den Jungen und Mädchen in den 605 Schulen und Vereinen über ganz Deutschland verteilt finden. Fußball ist Spaß, Fußball ist Leben, und wir wollen unseren Anteil dazu leisten.“ Ermöglicht wurde der Bau der Anlagen durch den Überschussgewinn aus der Weltmeisterschaft 2006. „Ich glaube, dass die 25 Millionen Euro, die wir abgezweigt und in diese Projekte gesteckt haben, eine sinnvolle Investition für die Zukunft sind“, so Zwanziger, der nicht nur für ein Netzwerk zwischen Breite und Spitze plädiert, sondern sich dafür stark macht, dass auch Kirchen, Gewerkschaften und andere Institutionen in die Integrations-Aktionstage mit einbezogen werden. In Berlin war es beispielsweise die Bundes-agentur für Arbeit, vertreten durch das Vorstandsmitglied Heinrich Alt.

Die Mini-Spielfelder, das sind mit Banden eingefasste Kunstrasenplätze von13 mal 20 m Größe. Sie eignen sich hervorragend, um die Fußball-Begeisterung zu entfachen. Einer der Hintergedanken des DFB ist dabei auch, die Vorfreude auf die Frauenfußball-Weltmeisterschaft 2011 zu wecken. Und zwar vor allem bei den Mädchen. Steffi Jones, die ehemalige Nationalspielerin und jetzige OK-Präsidentin, zeigte sich sehr optimistisch, dass in den kommenden zwei Jahren in dieser Hinsicht ein enormer Aufschwung stattfindet. Wobei verstärkt versucht werden soll, dass Kinder auch ihre Eltern dazu bewegen sollen, bei der Integration mitzumachen. Wie sagte doch Zwanziger: Normalerweise dauert ein Fußballspiel 90 Minuten, bei Verlängerung noch eine halbe Stunde länger. Integration ist jedoch ein Spiel, das niemals abgepfiffen werden darf. „Dafür müssen wir uns alle einsetzen und die lokale Vernetzung zwischen den Schulen und Vereinen fördern. Auf diese Weise lernen Kinder, sich beim Erfolg miteinander zu freuen, aber auch auftretende Konflikte zu bewältigen und gegebenenfalls Niederlagen sportlich hinzu-nehmen.“

An der Vinetaschule schienen an diesem besonderen Festtag, der mit einem großen Turnier endete, all die Wünsche in die Tat umgesetzt worden zu sein, auch was die zuschauenden Eltern betraf. Am Rande des Geschehens herrschte ein geradezu babylonisches Stimmengewirr. Kein Wunder, denn 90 Prozent (!) der 410 Jungen und Mädchen sind nicht-deutscher Herkunft, wie der Schulleiter Roland Barth in einer Pressekonferenz berichtete. Die meisten Schüler und Schülerinnen kommen aus der Türkei, aber auch aus Russland, Vietnam, Kroatien und wie unschwer zu erkennen war aus dem arabischen und afrikanischen Raum. Insgesamt handelt es sich um mehr als 20 Nationen. „Unser Ziel ist es, die soziale Integration voranzutreiben, wozu sich der Fußball bestens eignet“, so der Direktor. „Deshalb legen wir auch besonderen Wert auf Mädchen-Arbeitsgemeinschaften, wobei die erst 16-jährige Sarah Atoui von einem benachbarten Gymnasium sich als Übungs-leiterin für die interessierten Spielerinnen zur Verfügung gestellt hat und ihre Sache ausge-zeichnet macht.“

Um den Wind für die WM 2011 zu nutzen und die gesellschaftspolitischen Aktionen weiter voranzutreiben, wurde ein neues, farbenfreudiges Logo von Maria Böhmer und Theo Zwanziger vorgestellt, dessen Inhalt am besten so interpretiert werden sollte: Integration fängt bei mir an. Berlins Sport-Staatssekretär Thomas Härtel begrüßte diese Aktion und teilte erfreut mit, dass die Stadt insgesamt 13 dieser Mini-Spielfelder durch den DFB zur Verfügung gestellt bekam. Sie werden auch gut gebraucht, vor allem an den schwierigen sozialen Brennpunkten, wo Fußball oft das einzige Mittel eines guten Auskommens ist.


  • Fußball als Integrationsmotor in unserer Gesellschaft.
    Fußball als Integrationsmotor in unserer Gesellschaft.