Integrative Kräfte des Sports sollten Schule machen

Der Sport mit seinen vielfältigen Kräften ist an der Rudolf-Koch-Schule in Offenbach seit Jahren ein probates Mittel, um für ein friedliches und freundschaftliches Miteinander zu sorgen. Andreas Müller hat sich dort umgeschaut.

Die Rudolf-Koch-Schule will die 5000 Euro Preisgeld für einen sportlichen Schulhof ausgeben. Copyright: picture-alliance
Die Rudolf-Koch-Schule will die 5000 Euro Preisgeld für einen sportlichen Schulhof ausgeben. Copyright: picture-alliance

Das Schild gleich am Eingang verweist deutlich auf das besondere Credo der Rudolf-Koch-Schule. „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, heißt das unübersehbare Motto an der Bildungseinrichtung in Offenbach mit ihren fast 800 Schülern. Rund zwei Drittel von ihnen weisen einen Migrationshintergrund auf, wobei die Hälfte dieser Mädchen und Jungen aus etwa 40 Ländern einen deutschen Pass besitzt. „Sport ist bei uns viel mehr als Unterricht“, lautet der Tenor im allgemeinen Pausengetümmel auf dem Schulhof. Soll heißen: Der Sport mit seinen vielfältigen Kräften ist hier seit Jahren ein probates Mittel, um für ein friedliches und freund-schaftliches Miteinander zu sorgen und die Kontakte zwischen den „Kleinen“ aus der fünften Klasse und den „Großen“ aus der Oberstufe und dem Abiturjahrgang zu verstärken. Das bunte Sportprogramm an der RKS wuchs über die Jahre zu einer derart elementaren Größe, dass die Schule 2008 den vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Deutschen Sportjugend (dsj) bundesweit ausgelobten „Deutschen Schulsportpreis“ und die damit verbundene Prämie von 5.000 Euro erhielt.

„Jetzt ruhen wir uns nicht auf unseren Lorbeeren aus“

„Der Preis wurde praktisch für uns erfunden. Wir hatten in die Bewerbungsunterlagen sämtliche Informationen über das hineingeschrieben, was wir schon seit längerem machen“, berichtet Sportlehrerin Christine Rausch. „Jetzt ruhen wir uns natürlich nicht auf unseren Lorbeeren aus. Wir lehnen uns nicht zurück, ganz im Gegenteil.“ Von der Auszeichnung zusätzlich angespornt, die seinerzeit im Bundeskanzleramt in Berlin verliehen wurde, wurde das umfangreiche Sport-Programm im laufenden Schuljahr weiter aufgestockt. Neben den Jahrgangsstufen-Turnieren in der Leichtathletik für die fünften Klassen, im Handball für die sechsten Klassen, im Basketball für die siebten Klassen, dem traditionellen Volleyballturnier für die Elften und dem Fußball-Turnier für die gesamte Oberstufe gab es jüngst erstmals Schulmeisterschaften im Tischtennis. Neben der Volleyball-AG, die in Kooperation mit dem Turnverein Offenbach angeboten wird, wurde eine zusätzliche Sport-AG für die jüngeren Schüler geschaffen. Hier bietet sich unter anderem die Möglichkeit, Trainingsangebote für die Schulmannschaften für den Schulsportwettbewerb „Jugend trainiert für Olympia“ anzubieten. Die Aktion „Sportabzeichen“, die auf freiwilliger Basis abläuft, spricht Jahr für Jahr immer mehr Schüler an.

Eine weitere Neuerung im Schuljahr nach dem Gewinn des Schulsportpreises ist die Einführung einer zweiten „Sportpause“. Zogen die RKS-Schüler bisher stets in der ersten Pause zwischen 9.20 Uhr bis 9.35 Uhr auf den nahe gelegenen Bolzplatz, so dürfen sie das nun ebenfalls zwischen 11.10 Uhr und 11.25 Uhr tun. „Die Mannschaften, die da gegeneinander antreten, finden sich immer von selbst. Das geschieht praktisch spontan auf dem kurzen Weg zum Bolzplatz“, erklärt Christine Rausch. Die 39-Jährige, die an der RKS im zehnten Jahr als Sportlehrerin tätig ist und sich noch gut daran erinnern, wie noch bis vor einigen Jahren das Thema Bewegung und Sport eher an der RKS ein Mauerblümchendasein führte, weiß: Die „Sportpausen“ sind für jene Kollegen, die dann gerade Aufsicht haben, „die entspannendstenPausen überhaupt“. Apropos Pause: Zwei große Pausen werden von den Sportlehrerinnen und Sportlehrern regelmäßig geopfert, um mit den Sechstklässlern ins Schwimmbad zu fahren. Je 30 Minuten dauert die An- und Abfahrt mit dem öffentlichen Bus ins Marienbad. Wenn alles gut geht, dann bleiben pro Unterrichtsstunde 35 Minuten Zeit fürs Schwimmen(lernen) und ein schöner Effekt: Spätestens nach der sechsten Klasse gibt es an der RKS keine Nichtschwimmer mehr.

Die dritte Sportstunde bleibt trotz rappelvoller Halle unangetastet

„Wir könnten es uns natürlich leicht machen und einfach sagen: Das geht alles nicht, das übersteigt unsere Möglichkeiten“, sagt Christiane Rogler (46), die seit fast drei Jahren an der Spitze des Kollegiums mit insgesamt 60 Pädagogen steht. Etwa wäre es ein Leichtes, ausreichend Gründe zu finden, um - wie andernorts oft genug geschehen - die dritte Sportstunde zu kippen. In der Dreifelder-Sporthalle, die man sich zum Teil mit der Gewerblich-Technischen Schule teilen muss, herrscht die gesamte Woche über von früh bis spät Hochbetrieb. Bis zum Nachmittag ist die drei geteilte Halle aus den 90er Jahren rappelvoll mit Schülern, die für einen adäquaten Lärmpegel sorgen. Nach 18.00 Uhr kommen die Vereine. „Der einzige Weg zur Entzerrung der Situation wäre, die dritte Sportstunde aufzugeben. Doch das liegt uns fern“, unterstreicht die Schulleiterin. Lieber sucht man nach anderen Alternativen und hat im Sommer den asphaltierten Weg entlang des nahe gelegenen Main-Ufers als Laufstrecke entdeckt. Oder eine der Sportstunden wird kurzerhand in einen der umliegenden Parks verlagert. Warum nicht auch einmal Weitsprung auf dem Spielplatz und Kugelstoßen auf dem Bolzplatz üben? Platzmangel macht erfinderisch!

Auch der große Fluss selbst soll demnächst eingebunden werden. Einige der RKS-Schüler sind bereits begeisterte und erfolgreiche Ruderer. Was also läge näher, als mit einem Verein in der Nachbarschaft eine Kooperation einzugehen und eine Ruder-AG zu begründen. „Die Weichen dafür sind für das nächste Schuljahr schon gestellt“, verrät Christine Rausch. Ähnlich verhalte es sich in Bezug aufs Boxen. Bei einem der speziellen „SoR-Tage“, deren Name sich von „Schule ohne Rassismus“ ableitet und ihm alle Ehre macht, war man mit dem „Boxprojekt Nordend“ in Kontakt geraten. Nun soll die Kooperation in Sachen Boxen und Rudern ausgebaut werden - vorausgesetzt, von den Sportlehrern findet sich jemand, der in diesen beiden Sportarten entsprechende Scheine nachweisen kann. „Das ist eine der Voraussetzungen, damit es mit den neuen Arbeitsgemeinschaften funktioniert“, weist Christiane Roger auf strenge pädagogische Vorgaben hin, die eine fachlich qualifizierte AG-Arbeit ermöglichen sollen. Sie ist guter Dinge, dass ihre „hoch engagierte Sportfachschaft“ an der Schule diese Hürde überspringen wird.

Das RKS-Sportangebot als Instrument für Integration und Gewaltprävention

„Alles, was über den Unterricht hinausgeht, machen wir in unserer Freizeit. Sonst würde es nicht funktionieren“, erinnert Sportlehrerin Rausch an die elementare Voraussetzung für den florierenden Sport- und Bewegungsbetrieb an ihrer Schule. Die umfangreichen Angebote, an denen die Sportfachschaft außerhalb des regulären Unterrichts mitwirkt, sind keineswegs Selbstzweck, sondern sie sollen die sozialen Wirkungen des Sports entfalten und als vielfältige Integrationshilfe sowie als Möglichkeit der Gewaltprävention unter den Heranwachsenden dienen. „Darauf liegt unser hauptsächliches Augenmerk. Wir sind nicht leistungssportlich ambitioniert“, unterstreichen Schulleiterin und Fachlehrerin unisono. Das beginne schon damit, dass an den Turnieren in den verschiedenen Sportarten und Altersstufen stets sämtliche Schüler teilnehmen und die einzelnen Klassen dabei nicht nur auf ihre sportlichsten und talentiertesten Mädchen und Jungen bauen dürfen.

Integration durch Sport, das berührt an der Rudolf-Koch-Schule weit mehr als das friedliche Zusammenleben zwischen Kindern und Jugendlichen aus 40 verschiedenen Nationen. Das betrifft gleichermaßen die „Integration nach innen“ über Jahrgangsgrenzen oder beispielsweise zwischen jenen Schülern, die schon ab Klasse 5 an der RKS lernen und jenen, die erst in der 11. Klasse von einer anderen Schule hinzu stoßen. Zum besseren Kennenlernen tragen nicht nur die AG´s und Wettkämpfe an sich bei, sondern zugleich die Tatsache, dass die Schüler die Turniere so weit wie möglich in eigener Regie gestalten. „Bei der Durchführung“, so Christine Rausch, „halten sich die Lehrer eher zurück und überlassen den Schülern das Feld. Über die sportlichen Kontakte entstünden innerhalb der Schülerschaft überdies zahlreiche „Schulhof-Bekannt-schaften“, was dem Gesamtklima zugute kommt. Wie sehr Sport als gesellschaftspolitischer „Transmissionsriemen“ dient, zeigt sich insbesondere bei den Basketballturnieren der siebten Klassen. Sie stehen jedes Jahr unter dem Motto „PIT. Das Kürzel steht für „Prävention im Team“. Das Team besteht aus der Jugendhilfe, der Polizei und der Schule. Eingebettet in ein gemeinsam organisiertes Gewaltpräventionstraining findet das Basketballturnier statt, an dessen Ende die Polizeivertreter gemeinsam mit den Oberstufenschiedsrichtern die fairste Spielerin und den fairsten Spieler küren.

5.000 Euro für einen sportlichen Schulhof

Wie das Preisgeld zu verwenden sein wird, darüber herrscht an der Schule längst Klarheit. Die 5.000 Euro werden eingesetzt, um den Schulhof mit allerlei sportlichem Gerät auszurüsten. Montiert werden sollen Basketballkorb und Co., nachdem die derzeit laufenden Bauarbeiten beendet sind. Neu entstehen neben dem Hauptgebäude ein Seitenflügel, in dem vor allem der Unterricht in den naturwissenschaftlichen Fächern stattfinden wird, sowie eine Mediothek und eine schöne Cafeteria. Bis Ende nächsten Jahres soll die Modernisierung abgeschlossen sein, mit deren Hilfe die Schule für das hessische Ganztagssystem fit gemacht wird. Dem Sport wird dabei ein ganz wichtiger Part zukommen, wie die schon in Aussicht stehenden neuen Kooperationen mit einem Ruderverein und einem Boxprojekt zeigen. Womöglich ist dies für die Offenbacher eine Steilvorlage, um sich neuerlich um den „Deutschen Schulsportpreis“ zu bewerben. Im Vorjahr stand der Wettbewerb unter dem Motto „Integrationskonzepte für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund durch Sport“. Für das Jahr 2009/2010 steht der zum nunmehr sechsten Mal ausgeschriebene Preis unter der Überschrift „Sportverein und Schule - Gemeinsam für eine bewegte Zukunft“. Schade nur, dass sich bislang keine andere Schule dafür interessierte, mit welchen Vorzügen der Gewinner des Vorjahres die Jury überzeugte. Von Siegern lernen, dieses Motto scheint zumindest beim „Schulsportpreis“ noch keineswegs gängige Praxis. Einzig eine Studentin aus

Köln hatte sich gemeldet und nach der Preisverleihung Näheres über den Sportbetrieb an der RKS in Erfahrung bringen wollen. „Leider wird viel das zu wenig wahrgenommen“, bedauert Schulleiterin Christiane Rogler. Nichtsdestotrotz ist ihr Gesamtfazit positiv: „Im Kollegium und in der Schülerschaft hat der Preis enormen Eindruck gemacht, und der Sport hat damit bei uns im schulischen Alltag noch mehr Gewicht bekommen.“

 

Bewerbungen um den „Deutschen Schulsportpreis“ für 2009/2010 sind ausschließlich im Online-Verfahren möglich. Das Antragsformular kann unter der Web-Adresse www.dsj.de/schulsportpreis direkt ausgefüllt und zurückgesandt werden. Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2009.

 


  • Die Rudolf-Koch-Schule will die 5000 Euro Preisgeld für einen sportlichen Schulhof ausgeben. Copyright: picture-alliance
    Die Rudolf-Koch-Schule will die 5000 Euro Preisgeld für einen sportlichen Schulhof ausgeben. Copyright: picture-alliance