Interview mit Fred Eberle, Chef de Mission der deutschen Delegation beim Europäischen Olympischen Jugendfestival in Lignano/Sabbiadoro/Italien

Herr Eberle, das deutsche Team ist mit 25 Medaillen aus Lignano zurückgekehrt. Eine für Sie positive Bilanz?

 

Ja, wir waren ein sportlich erfolgreiches Team. Als Chef de Mission und als Pädagoge darf ich aber vielleicht noch hinzufügen, dass die Veranstaltung auch wertvoll für den olympischen Sport und alle Beteiligten war und ihrem erzieherischen Anspruch vollauf gerecht wurde. Es ging ja hier nicht allein um gewinnen und verlieren, um Sieg oder Niederlage, sondern darum, Leistung zu zeigen, sich zu Leistung zu bekennen und darüber hinaus andere olympische Werte wie das Fair Play nicht zu vernachlässigen.

 

Internationale beachtliche Leistungen zeigen die Jugendlichen heute auch schon sehr früh bei Schüler- und Jugendweltmeisterschaften. Wo liegen die Unterschiede zum Europäischen Olympischen Jugendfestival?

 

Der internationale Kontakt erfolgt in einem ganz anderen Umfeld. Bei der EYOF sind die Sportler bestimmter Sportarten nicht nur unter sich. Sie lernen die Besonderheiten und Eigenheiten, die Stärken und Schwächen, die Herausforderungen, Chancen und Lösungsmöglichkeiten anderer kennen. Ich habe eine große Neugier und eine große Freude unter den jungen Leuten erkannt, sich mit den Sportarten der anderen auseinanderzusetzen.

 

Trotzdem durfte sich auch die sportliche Qualität sehen lassen.

 

Auf jeden Fall. Ich komme aus der Leichtathletik und kann bestätigen, dass die Ergebnisse durchaus mit denen einer U-18-Weltmeisterschaft vergleichbar sind. Manche Verbände wie zum Beispiel der Schweizer Leichtathletik-Verband oder der belgische Leichtathletik-Verband haben sich in diesem Jahr deshalb sogar für eine Teilnahme in Lignano und gegen die Teilnahme bei der U-18 –WM in Marrakesch entschieden. Wichtig ist aus fachlicher Sicht nur, dass die EYOF künftig dann auch die ganze Palette der olympischen Disziplinen einer Sportart anbieten. Das würde es manchen Verbänden gewiss noch leichter machen, sich für eine EYOF-Teilnahme zu entscheiden.

 

Auch der DLV hatte aus der Sicht eines schon für Jugendliche überfrachteten Wettkampfkalenders in den zurückliegenden Jahren manchmal Bedenken …

… die aber, wenn man meiner Empfehlung folgt, mit Lignano ausgeräumt sind. Das Europäische Olympische Jugendfestival ist auch aus sportfachlicher Sicht ein absoluter Gewinn für die Karriere-Entwicklung unseres Nachwuchses in den olympischen Sportarten.

 

Gilt dieses Urteil über die Wettkampforganisation hinaus auch für das weitere Umfeld der Veranstaltung?

 

Zweifellos. Die Wettkampfstätten waren hervorragend. Die Unterbringung in einer schön gelegenen sportbetonte Jugend-Ferien-Wohnanlage hatte den Charakter eines Olympischen Dorfes und auch die Zuschauerresonanz war gut. Viele Eltern und Fans waren mitgereist und haben die Sportveranstaltung mit dem bevorstehenden Sommerurlaub verbunden.

 

Was erinnerte denn noch an die „richtigen“ Olympischen Spiele?

 

Nun, es gab eine Eröffnungsfeier und eine Schlussfeier mit Ein- und Ausmarsch der Aktiven, Fahnenträger, Hymnen, einheitlicher Mannschaftskleidung, Feuerwerk und moderner Musik. Und es gab neben Siegerehrungen, Unterhaltungsprogramm und Ausflügen in Kunst und Kultur diese eingangs bereits beschriebene einmalige, für Außenstehende manchmal nur schwer nachvollziehbare, aber sehr positive und fröhliche Atmosphäre eines Multi-Sportfestivals.

 

Zurück zum deutschen Team. Wie bilanzieren Sie dessen Auftreten über den Sport hinaus?

 

Ich habe ja bereits gesagt, dass Erfolg für mich mehr ist als die Summe guter Leistungen. Die deutschen Jugendlichen sind während der EYOF zu einem echten Team herangewachsen. Falls ein Impuls zum Zusammenhalt überhaupt notwendig war, dann wurde er durch den tragischen Unfall von 1500 m Läufer Christian Hengmith erzeugt, der sich im Vorlauf das Bein brach. Das hat uns alle noch mehr zusammenrücken lassen und das Teams ist für sein Auftreten von den Organisatoren schließlich sicher auch nicht ganz umsonst mit einem Fair-Play-Preis ausgezeichnet worden. Dabei will ich die gute kollegiale und freundschaftliche Zusammenarbeit der Trainer der einzelnen Sportarten besonders erwähnen.

 

Also auch unter erzieherischen Gesichtspunkten ein Erfolg?

 

Ja, ich glaube auch die Jugendlichen und ihr Umfeld bilanzieren dies so. Viele waren erstaunt, dass es uns gelungen ist, in so kurzer Zeit eine Einheit zu bilden, zu einem echten Team zusammenzuwachsen, Freundschaften zu schließen, Bestleistungen zu erzielen und zu feiern und auch die eine oder andere Enttäuschung gemeinsam zu verarbeiten. Die EYOF werden für viele ein unvergessliches Erlebnis bleiben, das Kraft und Ansporn für die weitere Karriere im olympischen Spitzensport sein wird. Dieser Erfolg ist aber auch der sehr guten Zusammenarbeit mit dem NOK zu verdanken. Das gelungene organisatorische Umfeld war die Basis für das deutsche Team und vielleicht hat der echte Glückspfennig doch auch seine Wirkung nicht verfehlt

 

Verbleibt bei einer derart positiven Bilanz überhaupt noch Platz für Kritik?

 

An der Veranstaltung und an unserem Team sicher nicht, aber ich hätte mir schon etwas mehr Interesse der deutschen Öffentlichkeit gewünscht. Ich hoffe, dass zumindest in den regionalen Medien etwas Anteil an den Spitzenleistungen unseres Nachwuchses genommen wurde. Schließlich handelt es sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ja um unsere künftigen Olympioniken, von denen wir alle zu Recht Großes erwarten. Ein wenig mehr Anteilnahme an der Karriere-Entwicklung müsste man da, wie ich meine, künftig schon erwarten dürfen.

 

 

 

Fred Eberle (62) ist Dozent des Pädagogischen Seminars in Schwäbisch Gmünd und Präsidiumsbeauftragter des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Als Trainer hat er zahlreiche leistungsstarke Zehnkämpfer wie u.a. Siggi Wentz betreut.