Interview mit Gerhard Walther vom PSV Erfurt

Der Beauftragte für Aussiedlersport beim Polizeisportverband Erfurt beschreibt die Arbeit der Box-Abteilung mit jungen Zuwanderern und erklärt manche Hintergründe

 

(Bilder: Thüringen Sport)
(Bilder: Thüringen Sport)

(ids) Der Polizeisportverband PSV Erfurt ist im Dezember 2003 mit dem Georg-von-Opel-Preis des Deutschen Sportbundes in der Kategorie “Jugend” für seine vorbildliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ausgezeichnet worden. Wie kam es dazu, dass das Programm bei Ihnen in Erfurt Fuß gefasst hat?

Walther: "Wir haben in Erfurt ein ganzes Netzwerk zur Betreuung von Zuwanderern, da ist der Sport dabei, Bildungseinrichtungen wie die Berufsschule und eine Menge mehr. Im Zuge des Aufbaus des Netzwerkes vor acht Jahren haben wir uns in diesem Kreis erstmals getroffen, danach haben wir uns an dem Programm beteiligt. Der Anfang vor acht Jahren erfolgte damals noch unter dem Stichwort Aussiedler. Es war und ist ein hartes Stück Arbeit, die Zuwanderer in unsere Gruppe zu bewegen, und eine komplizierte Angelegenheit, die ich damals angegangen bin. Als zweites habe ich zwei Trainer aus der ehemaligen UdSSR getroffen, Jewgeni Stark und Alexander Huwa, die von Anfang an bei uns sind. Der eine kommt aus Kasachstan, der andere aus Kirgisien."

Trainer aus Kirgisien und Kasachstan als Glücksfall

(ids) Waren Ihre beiden Trainer ein Glücksfall für Sie?

Walther: “Das kann man wirklich so sagen. Ohne die beiden und ihren engagierten Einsatz wäre das Ganze nicht möglich gewesen. Die beiden sind damals in die Schulen und auch in die Übergangswohnheime hinein, als diese noch bestanden. Sie haben die kleinen Schüler in den Klassen angesprochen und sie zu uns in die Boxschule geholt. Die beiden Trainer sprechen halt die Sprache der Zuwanderer, aber auch fließend deutsch. So manchen Jungen haben wir von der Straße geholt, das kann man ohne Übertreibung sagen. In den letzten Jahren seit Bestehen des Projekts waren es bestimmt 60 bis 80 kleine Zuwanderer, die wir angesprochen haben. Jedem kleinen Boxer sagen wir dann, bring deinen Freund doch einmal mit. Im Augenblick haben wir bei den Boxern ein Spektrum von 10 bis 18 Jahren."

Mittlerweile eine Gruppe aus Deutschen und Zuwanderern

(ids) Lief denn von Beginn an alles reibungslos?

Walther: “Am Anfang gab es schon ein paar Reibereien, weil für die Ausbildung der Zuwanderer eine Menge Geld durch das Bundesinnenministerium da war, das die anderen nicht hatten. Aber das hat sich gelegt, mittlerweile sind wir eine richtige Gruppe geworden und fahren beispielweise gemeinsam zu Meisterschaften. Da spielt es keine Rolle, wo jemand herkommt. Wir bieten auch immer gemeinschaftliche Unternehmungen an. Im Sommer machen wir das Sportabzeichen, letztes Jahr waren es 60 Stück, davon 28 von Zuwanderern. Dann sind wir beispielsweise nach Oberhof zur Bobbahn gefahren, so etwas hatten die Kleinen ja auch noch nicht gesehen."

Angebote in Frauengymnastik und beim Cheerleading

(ids) Haben Sie noch andere sportliche Angebote?

Walther: "Wir haben eine relativ kleine Halle, denn unsere Boxschule ist ja nur 50 qm groß. Und diese haben wir nur an drei Tagen in der Woche, weil sie nicht in unserem Besitz ist. Daher müssen wir die Halle demnächst noch mit einem anderem Box-Verein teilen. Aber wir bieten noch Gymnastik für Frauen an. Das sind größtenteils Mütter von unseren kleinen Boxern. Dazu haben wir noch eine Truppe Cheerleader, die bei kleineren Veranstaltungen tanzen. Zum Teil sind dort sogar Mädchen dabei, die bei uns auch boxen. Das sind nicht nur Zuwanderer, sonders es ist eine bunt gemischte Gruppe mit einer Menge deutschen Mädchen, denn das Projekt heißt Integration und nicht getrennte Ausbildung. Auch bei unseren Boxer erfolgt zwar ein eigenes Training, aber es sind immer Deutsche in der Halle."

(ids) Wie stark hat Ihnen die Auszeichnung mit dem Georg-von-Opel-Preis für die stillen Sieger in Ihrer täglichen Arbeit geholfen?

Walther: "Das hat uns schon stolz gemacht. Es ist ein schöner Glückwunsch, der vor allem innerhalb des Vereins wahrgenommen worden ist. Aber in der täglichen Arbeit hilft er natürlich nur wenig."

 


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