ids: In Deutschland gehen die Zahlen der Asylbewerber und Zuwanderer immer weiter zurück. Aber wird unser Land nicht auch zukünftig auf Grund der Entwicklung der Bevölkerungszahlen ein Einwanderungsland bleiben und daher immer stark Integrationsarbeit leisten müssen?
Jochen Welt: “Es ist richtig, die Zahlen bei Asylbewerbern und Zuwanderern sind stark rückläufig. Aber es ist und war klar, dass wir die rückläufige Entwicklung bei den Bevölkerungszahlen nicht mit Zuwanderung lösen können, wir brauchen eine entsprechende Familienpolitik. Das Problem bisher: Unsere Gesellschaft war auf die Zuwanderung nicht vorbereitet, sie ist zum Teil immer noch stark mit Ängsten versehen. Wir brauchen ein viel stärkeres Miteinander statt ein Gegeneinander. Daher haben wir in der Koalitionsvereinbarung 2002 gesagt, wir brauchen ein Jahrzehnt der Integration.”
ids: An vielen Stellen in unserer Gesellschaft ist derzeit von einem Konflikt zwischen verschiedenen Kulturen die Rede. Wird vor diesem Hintergrund die Integration der Aussiedler und Migranten in Deutschland nicht immer wichtiger, um potentielle Konflikte schon im Vorfeld entschärfen zu können?
Welt: “Es hat sich in der Tat eine Entfremdung eingestellt, aber zu einer solchen Entwicklung gehören immer zwei Seiten. Man darf nie einer Seite die völlige Schuld zuweisen. Die Politik ist zum einen dafür verantwortlich, dass die Zuwanderung immer sozial verträglich, d.h. mit der Zustimmung der aufnehmenden Gesellschaft, erfolgt. Zum zweiten muss sie dafür sorgen, dass die, die zu uns kommen, mehr Wert darauf legen, dass sie sich einfügen wollen und auch können. Dieser Prozess sollte schon im Herkunftsland beginnen, in dem dort entsprechende Sprachkenntnisse erworben werden. Wir brauchen mehr Verbindlichkeit in der Integration”
ids: Der organisierte Sport wird von der Bundesregierung als ein wichtiges Mittel zur Integration stark unterstützt. Welche besonderen Eigenschaften hat der Sport, um die Integration voranzutreiben?
Welt: “Ich finde, der Sport ist ein ideales Mittel der Integration, weil er alle Grenzen überwindet. Zudem hat er einen präventiven Charakter. Wer Sport betreibt, denkt nicht an andere Dinge. Der Sport ist schon fast eine Schutzimpfung gegen soziale Auffälligkeiten. Wir merken, dass überall dort, wo Projekte mit Sport durchgeführt werden, wir bemerkenswerten Erfolg haben. Er schafft eine viel größere Kontaktdichte zu den Menschen vor Ort. Jungen Menschen, die da, wo sie herkommen, nur Misserfolg hatten, verschafft er ein neues Selbstwertgefühl. Der Sport verlangt Regeln, die eine Hilfe bei der Eingliederung sind, und ehrenamtliches Engagement , wodurch ein aktives gesellschaftliches Verantwortungsgefühl geschaffen wird.”
ids: Das Projekt “Integration durch Sport” konnte durch die großzügige finanzielle Hilfe des Bundesinnenministeriums bundesweit ausgebaut werden. Wie fällt eine Bilanz nach 15 Jahren Bestehens des Projektes aus?
Welt: “Wie wichtig das Projekt ist, zeigt die Tatsache, dass wir seit 1989 69,2 Millionen Euro an Integrationsmitteln eingebracht haben. Für mich ist es ein Riesenerfolg, dass Jahr für Jahr viele hunderttausend Menschen angesprochen werden. Es gibt bundesweit jedes Jahr über 7000 Projekte, das ist die größte Zahl von Einzelprojekten in der Integrationsarbeit. Ein wichtiger Erfolg ist eben, dass sich die Menschen den örtlichen Vereinen und damit der Gesellschaft vor Ort zuwenden.”
ids: Was könnte der Sport in Zukunft mehr leisten, um die Integration noch stärker voran zu treiben?
Welt: “Wir haben bei dem Projekt eine gute und solide Basis. Es könnte aber eine noch stärkere Akzeptanz in die Basisvereine hinein geben. Wir wissen, dass die Landessportbünde nach außen hin offen sind und sich für die Integration engagieren. Bei Vereinen an der Basis gibt es dagegen manchmal noch Hemmnisse, bedingt auch durch schlechte Erfahrungen. Da könnte noch manches verbessert werden. Wir haben in 2004 vor, das Projekt zu evaluieren, um zu hinterfragen, wo können wir noch effizienter sein. Denn Stillstand ist ja bekanntlich Rückschritt.”