Interview zur Suchtwoche 2007: „Alkohol – Verantwortung setzt die Grenze“

450 Sportvereine nahmen an der Suchtwoche 2007 teil. In einem Interview beleuchten die Direktorin der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, Dr. Elisabeth Pott und DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach die Situation.

 

Auch in Vereinsheimen sollte es öfter heißen: Alkoholfrei für Sportlerinnen und Sportler! Copyright: picture-alliance/dpa
Auch in Vereinsheimen sollte es öfter heißen: Alkoholfrei für Sportlerinnen und Sportler! Copyright: picture-alliance/dpa

Die Deutschen trinken zuviel Alkohol. Vor diesem Hintergrund veranstalteten die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter der Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung in diesem Jahr erstmalig eine bundesweite Aktionswoche. Ziel der „Suchtwoche 2007“ war es, eine breite und nachhaltige Diskussion zum Thema anzustoßen und Entscheidungshilfen für einen verantwortungsvollen Alkoholkonsum zu geben.

Der DOSB unterstützte das Anliegen zur Alkoholprävention und rief seine Vereine auf, Aktionen und Projekte zum Thema „verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol“ zu starten. Insgesamt beteiligten sich mehr als 450 Vereine mit einer Vielzahl eigener Ideen an der Initiative. DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach und die Direktorin der BZgA, Prof. Dr. Elisabeth Pott, ziehen gemeinsam Bilanz:


Dr. Elisabeth Pott: Warum war es Ihnen wichtig, dass sich der DOSB als Dachverband des Sports an der Suchtwoche beteiligt?

Als eine der Initiatoren der Aktionswoche wollten wir mit der Aktionswoche dazu beitragen, dass sich viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen Gedanken zu einem verantwortungsvollen Alkoholkonsum machen. Da die BZgA mit führenden Sportverbänden im Bereich der Suchtprävention seit vielen Jahren gut und erfolgreich zusammen arbeitet, war uns die Teilnahme des DOSB an der Suchtwoche sehr wichtig. Für die Unterstützung möchte ich dem DOSB und allen Beteiligten ausdrücklich danken.

Übermäßiger Alkoholkonsum ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht bagatellisiert werden darf. Besonders die neuen Zahlen zum Trinkverhalten Jugendlicher sind aus unserer Sicht besorgniserregend. Die aktuellen Untersuchungen der BZgA belegen, dass sowohl die Trinkmenge reinen Alkohols als auch riskante Konsummuster wie das „Binge Drinking“ zugenommen haben.

Diese Entwicklung geht auch am Sport, einer der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen, nicht vorbei. Vor diesem Hintergrund sollten auch Sportvereine die Bemühungen zur Alkoholprävention unterstützen. Gerade Trainerinnen und Trainer und Betreuerinnen und Betreuer im Sportverein sind wichtige Vorbilder für die jungen Vereinsmitglieder. Durch einen bewussten verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol können sie das Trinkverhalten der jungen Menschen positiv beeinflussen.

Dr. Thomas Bach: Sind Sie mit der Resonanz dieser erstmaligen Aktion zufrieden?

Ja, das sind wir. In unserer Gesellschaft ist das Thema Alkohol ja ein hoch emotionalisiertes. Das Thema berührt keinesfalls nur Sportvereine, sondern ist überall zu finden. Schauen Sie sich Bilder von politischen Empfängen an, oder TV-Shows, in den selbstverständlich immer wieder davon geredet wird, dass im Anschluss zunächst einmal noch schön gefeiert wird mit einem Glas so und so.

Uns ist bewusst, dass gerade im Sport die Vereine ihren Jugendlichen ein gutes Beispiel geben können – mit ihren Trainern und Betreuern und vielen Maßnahmen, die getroffen werden können. Vereine in Deutschland, gerade Sportvereine sind Ansprechpartner für viele Aktionen, da sie einen wichtigen gesellschaftspolitischen Faktor darstellen. Die ehrenamtlichen Helfer, die in den Vereinen tätig sind, werden enorm gefordert und ihr Engagement ist nicht groß genug einzuschätzen.

Mehr als 400 Vereine sind dem Aufruf gefolgt und haben in ganz kurzer Zeit sehenswerte und wirkungsvolle Aktionen auf die Beine gestellt. Das ist ein großer Erfolg.

Dr. Pott: Welche Art von Aktionen haben die Vereine durchgeführt – und wie schätzen Sie diese im Hinblick auf die Nachhaltigkeit für den Vereinsalltag ein?

Die Aktionen und Projekte, die die Sportvereine im Rahmen der Suchtwoche durchgeführt haben, waren sehr ideenreich. So boten zahlreiche Vereine Vorträge oder Diskussionsrunden zum Thema Alkoholprävention an und luden dazu Fachkräfte aus Präventionsstellen, der Polizei oder Krankenkassen ein. Bei einer Vielzahl von Veranstaltungen konnten die Sportler z.B. mit einer „Rauschbrille“ selbst erfahren, wie stark die Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit durch übermäßigen Alkoholkonsum eingeschränkt ist

Viele Vereine haben das kommentierte Jugendschutzgesetz, das zum Inhalt unserer Aktionsbox gehört, in ihren Vereinsräumen aufgehängt. Sie haben beschlossen, dass diese Bestimmungen ohne Ausnahme konsequent eingehalten werden. Darüber hin-aus haben sich viele Vereine für die Einhaltung der Vorschriften des Deutschen Gaststättengesetzes ausgesprochen. Der so genannte „Apfelsaft-Paragraph“ regelt eindeutig, dass mindestens ein alkoholfreies Getränk günstiger als alkoholhaltige Getränke sein muss.

Wie gut schmeckende Alternativen aussehen können, haben viele Vereine in Form von alkoholfreien Saft-, Milch-Mix- oder Cocktailbars gezeigt, die bei allen Beteiligten besonders gut ankamen und sicher auch zukünftig bei Vereinsfeierlichkeiten regelmäßig zum Einsatz kommen werden.

Insgesamt freut uns sehr, dass es neben den vielen Einzelaktionen auch zahlreiche langfristige Selbstverpflichtungen von Seiten der Vereine gab, z. B. die Ernennung eines Jugendschutzbeauftragten oder die Einrichtung einer „Bannmeile“ für Alkohol und Zigaretten rund ums Spielfeld.

Dr. Bach: Wie passt das Thema Alkoholprävention überhaupt zum Sport? In den Vereinen gehören alkoholische Getränke wie selbstverständlich zur „Geselligkeit“. Befinden Sie sich hier nicht in einem Wertekonflikt zwischen Verantwortung und Tradition?

Uns geht es hier vor allem um einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Thema Alkohol. Ein Kasten Bier hat nach dem Spiel in der Kabine nichts zu suchen, um einen Sieg zu feiern.

Das haben die Vereine in vielen Fällen kapiert und in den getroffenen Maßnahmen zum Ausdruck gebracht. Es fällt zum Beispiel recht leicht, nichtalkoholische Getränke günstiger anzubieten als alkoholische. Und es sollte auch jedem Trainer und Betreuer leicht fallen, ein positives Vorbild abzugeben. Hier können Präventionsmaßnahmen getroffen werden.

Den Wertekonflikt sehe ich insofern nicht, da Einigkeit darüber herrscht, wie verantwortungsbewusst man im Sport mit dem Thema umgehen muss. Auf die gesellige Runde im Vereinsheim muss nicht verzichtet werden. Aber das Maß ist das Ziel der Dinge.

Dr. Pott: Wie können Sie den DOSB und seine Vereine langfristig bei diesen An-strengungen unterstützen?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass trotz der relativ kurzen Vorbereitungszeit sehr viele Vereine unser gemeinsames Anliegen unterstützt haben. Das bedeutet ja auch, dass die vielen ehrenamtliche Kräfte in den Vereinen sich zusätzlich für ein Gesundheitsthema engagiert haben. Dafür bedanke ich mich bei allen ganz herzlich.

Was die Zukunft betrifft, so sollte es in jedem Falle Folgeprojekte in der Zusammenarbeit von BZgA und DOSB zur Alkoholprävention geben. Konkret überlegen wir der-zeit, ab 2008 Anschlussprojekte mit ausgewählten Landessportbünden zum Thema ‚Alkoholprävention im Sportverein’ zu starten. Wir erhoffen uns damit, Vereine gezielter als bei einer bundesweiten Aktion ansprechen zu können. Wie in diesem Jahr werden wir auch dann die engagierten Vereine auf Wunsch beraten und mit speziellen Angeboten unterstützen.

Dr. Bach: Können Sie sich vorstellen, dass der DOSB sich auch in Zukunft – unabhängig von einer bundesweiten Aktionswoche – für dieses Thema engagiert?

Wir haben ja eine Rahmenvereinbarung mit der BZgA getroffen. Und für uns ist das Thema sicher eines, das wir weiter im Focus haben werden.


  • Auch in Vereinsheimen sollte es öfter heißen: Alkoholfrei für Sportlerinnen und Sportler! Copyright: picture-alliance/dpa
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