IOC-Vizepräsident Dr. Thomas Bach zieht Bilanz und blickt auf Athen 2004

Internationale Sport-Korrespondenz (ISK) verbreitet Interview mit dem Fecht-Olympiasieger von 1976

ISK verbreitet aktuelles Interview mit dem Fecht-Olympiasieger von 1976

Die Nachrichtenagentur Internationale Sport-Korrespondenz (ISK) verbreitet in ihrer aktuellen Ausgabe 100/16.12.2003 ein Interview mit IOC-Vizepräsident Dr. Thomas Bach

 

"Am 29. Dezember feiert er in Tauberbischofsheim in Anwesenheit zahlreicher Prominenz seinen 50. Geburtstag, der Fecht-Olympiasieger von 1976 in Montreal, Dr. Thomas Bach. In seiner Eigenschaft als IOC-Vizepräsident zog er bereits jetzt Bilanz zum Sportjahr 2003 und warf einen Ausblick auf das Olympiajahr 2004. Seit Jahren gehört der internationale Spitzenfunktionär auch zu den Stammgästen bei der Wahl "Sportler des Jahres" und er freut sich auf die Veranstaltung am 21. Dezember in Baden-Baden, wie er im ISK-Interview erklärte.

 

Was waren für Sie die überragenden Momente im Sportjahr 2003?

 

Dr. Thomas Bach: Überragende Momente hatten sicherlich die Wintersportler. Und die Auferstehung des Nordischen Skisports mit seinen exzellenten Kombinierern und Langläufern war für mich das herausragende Ereignis. Toll war auch, wie sich die Eisschnelläuferinnen und die Rodlerinnen an der Spitze gehalten haben. Überhaupt scheint mir, dass die Frauen der weitaus erfolgreichere Teil des deutschen Sports waren. Das zeigte sich eindrucksvoll auch bei den Schwimmerinnen. Und selbst die Fußballerinnen überstrahlten mit ihrem WM-Titel die Schützlinge von Rudi Völler, die vor allem im spielerischen Bereich und auch manchmal im kämpferischen Einsatz ihre Mängel hatten.

 

Was hat Sie besonders überrascht und wo gab es Defizite?

 

Dr. Bach: Persönlich gefreut hat es mich als ehemaliger Fechter, dass Deutschland als einzige Nation bei den Weltmeisterschaften in Kuba alle Mannschaften für das olympische Turnier in Athen durchgebracht hat. Das war im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten. Defizite gab es vielleicht bei den Leichtathleten, doch das will ich nicht auf die Goldwaage legen. Schließlich befanden sich gerade die Leichtathleten im Vorfeld der Olympischen Spiele in einem Aufbau- und Zwischenjahr und da muss man eine gewisse Nachsicht üben. 2004 sind sie aber umso mehr gefordert und müssen zeigen, dass sie die richtigen Konsequenzen gezogen haben und ihre jeweilige Bestform erreichen.

 

Was erwarten Sie vom Olympiajahr 2004 und speziell den Spielen in Athen?

 

Dr. Bach: Ich denke, dass wir großartige Spiele in Athen erleben werden. Trotz aller Bedenken befinden sich die Griechen im Zeitplan und werden alles versuchen, um im Ursprungsland der Olympischen Spiele ein besonderes Ambiente zu schaffen. Das sollte eine dichte, olympische Atmosphäre werden, wie wir sie vielleicht in dieser Form nicht mehr so schnell erleben werden. Stolz macht mich auch, dass alle 200 Nationalen Olympischen Komitees in Athen dabei sein werden. Auch der Irak und Afghanistan werden trotz aller Turbulenzen zur olympischen Familie stoßen und das hat dann eine ganz besondere Bedeutung. Wir vom IOC versuchen auch alles, um gerade diesen Ländern die betreffende Hilfe zu geben. So gewährleisten wir auch einen Zuschuss, damit sich die Athleten nicht nur in ihren Ländern selbst, sondern auch im Ausland auf die Olympischen Spiele vorbereiten können. Das zeigt gewiss auch den Zusammenhalt der olympischen Familie.

 

Welche Chancen hat Leipzig als Bewerber der Olympischen Spiele. Ist nach den Turbulenzen in diesem Jahr der Zug nicht schon abgefahren?

 

Dr. Bach: Ich glaube, Leipzig besitzt eine gute Chance. Der neuen Führung muss es aber jetzt gelingen, eine überzeugende Bewerbung bei der Frist am 15. Januar vorzulegen. Das muss auch für das IOC ein klar nachvollziehbares Konzept sein, in dem die wichtigsten Daten, Fakten und Namen stimmen. Natürlich muss das IOC auch spüren, dass die Skepsis in der eigenen Bevölkerung wieder weicht und der Grad der Zustimmung nochmals anwächst. Deutschland selbst besitzt als Veranstalterland und Organisator immer noch einen hervorragenden Ruf und verfügt ja über erfolgreiche Athleten. Die Chancen für 2012 sehe ich also insgesamt als intakt an, wenn eben das Bewerbungskonzept auch den modernen Anforderungen des IOC entspricht.

 

Warum hat trotz ihrer vielen terminlichen Verpflichtungen die Ehrung "Sportler des Jahres" einen besonderen Stellenwert?

 

Dr. Bach: Es ist für mich einfach der wunderschöne Ausklang eines Sportjahres und ich freue mich in Baden-Baden auf die Begegnung mit vielen alten Freunden, Bekannten und Sportlern. In einem ganz besonderen Ambiente erfahre ich dann wesentlich mehr als beispielsweise bei meinen kurzen Momenten der Begegnung vor einer Siegerehrung oder der stressgeplagten Vorbereitung vor einem Wettkampf. In lockerer und entspannter Umgebung erhalte ich dann auch manche Anregung, die ich für mich oder die Sportler weiterverwerten kann. Insofern rundet die Wahl "Sportler des Jahres" die Ereignisse eines gesamten Sportjahres harmonisch ab."