Irakische Athleten trainieren in Deutschland für die Olympischen Spiele Athen 2004

Christiane Mitatselis berichtete in der TAZ-NRW - Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Christiane Mitatselis berichtete in der TAZ-NRW - Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags

Professor Mohammed Hassan seht auf der Tartanbahn und macht sich immer wieder aufmerksam Notizen. Dann gibt er ein paar Anweisungen auf Arabisch. Irgendwie wirkt der ältere untersetzte Herr dabei ein bisschen verloren: "Auch ich kann hier viel lernen", sagt der 56-jährige Leichtathletik-Trainer, der schon seit 1973 als Cheftrainer des irakischen Leichtathletik-Teams arbeitet. Seit Mitte Mai ist er in Köln. Mit ihm sind der 400-m-Hürdenläufer Ali H. Alla, 400-m-Läufer Faris Mahdi und Speerwerfer Ali M Ammar aus Bagdad gekommen. Alle drei haben ein gemeinsames Ziel. Sie wollen ihre Leistungen verbessern und möglichst im August an den Olympischen Spielen in Athen teilnehmen. Dafür trainieren sie in Köln – und zwar mit Stipendien des Internationalen Olympischen Komitee (IOC), das den Irak "wieder in die olympische Familie zurückführen will" – wie es offiziell heißt.

 

An der Kölner Sporthochschule gibt es seit Ende letzten Jahres ein vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) akkreditiertes Trainingscenter. Das "ATC Cologne" ist das erste Institut seiner Art i n Deutschland, weltweit existieren zehn. Die Verstärkung aus dem Irak kam ziemlich plötzlich. "Wir erhielten eines Morgens einen Anruf vom Nationalen Olympischen Komitee, das uns mitteilte, die Iraker seinen Mittags auf dem Flughafen in Düsseldorf gelandet", bericht der Leiter des ATC, Norbert Stein, der gleichzeitig auch das Sprint- und Hürdentraining leitet.

 

Die Kommunikation auf dem Sportplatz funktioniert inzwischen ganz gut. Professor Hassan spricht im Gegensatz zu den Sportlern ein bisschen Englisch. So gut er kann übersetzt er die Anweisungen der deutschen Trainer. "Wir sind alle sehr froh, hier zu sein", sagt Hassan. Viel besser seine hier die Trainingsbedingungen. Die Athleten lächeln freundlich. Ansonsten ist ihnen nicht viel zu entlocken. Zu groß ist die Sprachbarriere. Statt dessen erzählt Hassan ein bisschen. Die gefährliche Fahrt von Bagdad in die jordanische Hauptstadt Amman – von dort ging der Flug nach Düsseldorf – habe viele Stunden gedauert. Sorgen machen sie sich jetzt um die Angehörigen in der unsicheren Heimat. Oft telefonieren die Iraker mit ihren Familien.

 

Alle drei Sportler hätten schon deutliche Fortschritte gemacht, berichtet Stein. Hürdenläufer Alla sei der Begabteste. Vor einem halben Jahr war der 24jährige allerdings noch Fußballer – er muss kontinuierlich an seiner Technik arbeiten. "No, no, no", ruft Stein, als Alla wieder mit dem Fuß die Hürde berührt, die krachend zu Boden fällt. "Er muss lernen nicht nur mit seinem Zuckerbein über die Hürden zu laufen", meint der Trainer, "aber momentan löst das bei ihm im Gehirn noch Verwirrung aus". Als Alla wieder mit seinem bevorzugten Bein voran laufen darf, ist Stein dann begeistert: "ich hätte ihm gar nicht zugetraut, dass das so rhythmisch glatt kommt." Alla hat die Qualifikation für Athen durch eine IOC-Wild-Card schon sicher.

 

Bei den Spielen wird er mit einer Bestzeit von 52,6 Sekunden allerdings keinerlei Chancen haben. Stein traut ihm für die Zukunft eine deutliche Steigerung zu: Wenn er weiter hart trainiert, kann aus ihm etwas werden." Speerwerfer Ammar stellte am vergangenen Donnerstag bei einem Meeting in Wipperfürth mit 66,55 Meter immerhin einen irakischen Landesrekord auf. Um sich für Athen zu qualifizieren, müsste er aber zehn Meter weiter werfen. Auch 400-m-Läufer Faris ist mit einer Bestzeit von 48 Sekunden weit von Olympia entfernt. Die beiden werden im August aber auf jeden Fall an den arabischen Meisterschaften teilnehmen. Danach sind die Stipendien beendet. "Dann kehren die Athleten in die Heimat zurück und können sich erneut um Stipendien bewerben", so Stein. Der Erfolg sei jedoch ungewiss.