Karl-Heinz Körbels FC Dossenheim in guter Gesellschaft

Der fünfte Teil der Serie Stars und ihre Vereine: In Dossenheim wird Sport in dicken Lettern geschrieben. Im Süden des fast 12.000 Einwohner zählenden Ortes vor den Toren Heidelbergs grüßt ein riesiger Sport-Komplex.

Die grünen Gevierte vor dem Panorama der Bergstraße im Hintergrund sind die Heimstatt des FC Dossenheim - Sportfreunde 1910. Als Bundesligarekordspieler Karl-Heinz Körbel hier vor 50 Jahren seine ersten kindlichen Versuche am Ball unternahm, wurde ausschließlich auf roter Asche geübt. Mitte der 80er und damit sehr früh wurde auf Kunstrasen umgeschwenkt - und bald darf auf einem Belag gespielt werden, der zwar ebenfalls künstlich, aber einem echten Wembleyrasen zum Verwechseln ähnlich sieht. „Das wird ein Granatenplatz. Auf solchem Untergrund trägt Dynamo Kiew seine Heimspiele in der Champions League aus“, sagt Hans-Peter Ullrich, der Erste Vorsitzende des FC Dossenheim, und streichelt über den natürlich saftig anmutenden Untergrund. Die weißen Markierungen auf dem satten Grün sind schon aufgetragen.

Demnächst werden die Tore und zu Seiten der Ausfallstraße hohe Fangzäune montiert. Dann kann der neue Sportplatz endlich eingeweiht werden, auf den die etwa 600 Mitglieder sehnsüchtig gewartet haben. Das in die Jahre gekommene und ausgeblichene Kunstrasenfeld nebenan ist wegen der hohen Frequentierung sichtlich abgenutzt und soll alsbald erneuert werden. Sämtliche zwölf FC-Mannschaften und zusätzlich der Schulsport tummeln sich hier, so dass vor etwa zehn Jahren schon einmal ein neuer Belag aufgetragen werden musste. Waren für den Nachwuchs Turniere oder Freundschaftsspiele angesetzt, konnte die Erste Mannschaft mitunter nicht trainieren. Fortan wird das nicht mehr vorkommen. Dank der etwa 500.000 Euro teuren Investition der Gemeinde Dossenheim eröffnen sich dem FCD genügend neue Spielräume.

Großherziges kommunales Engagement für den Sport

Als 17-Jähriger wechselte Körbel 1972 zur Frankfurter Eintracht und blieb ihr bis zu seinem Karriereende 1991 treu. So ist es nur folgerichtig, dass der 54-Jährige heute im Hauptberuf als Scout für die Frankfurter tätig ist. Das großherzige kommunale Engagement in seiner Heimat, wo Bruder Günther seit 1983 ein Sportgeschäft führt, ist jedoch keineswegs eine Referenz  an den Dossenheimer „Charly“, der in der Fußball-Bundesliga mit 602 Partien so viele wie kein anderer Profi bestritt und dabei ausschließlich für einen Klub auflief. Der Antrieb zur Unterstützung des Sports liegt viel tiefer. Schon seit über 30 Jahren sei das so, wie Thomas Schiller betont, der im Rathaus für Sportanlagen zuständige Mann. „Wir legen unseren Schwerpunkt schon immer auf die Jugendarbeit. Und es sind nun mal unsere Vereine, die die Kinder von der Straße holen.“

Schon frühmorgens, wenn die Kita-Kids und Erstklässler, aktiv sind, herrscht in sämtlichen Hallen reges Leben. Als Nutzungsgebühren für die zumeist städtischen Anlagen wird den Vereinen ein eher symbolischer Obolus abverlangt. 1,50 Euro kostet die Stunde in der großen Dreifach-Turnhalle. Emsig kümmern sich Schiller und seine Mitarbeiter um den Unterhalt der Sportanlagen, sogar wenn sie in der Hand der Vereine sind. Für jedes jugendliche Mitglied gibt es pro Jahr an den Verein zehn Euro aus dem Gemeindesäckel. Kein Wunder, dass Dossenheim geradezu als Sportstadt firmieren könnte, mit der rund 3.000 Mitglieder zählenden Turn- und Sport-Gemeinschaft (TSG) Germania 1889 an der Spitze. Neben dem großen Mehrspartenverein und dem katholischen DJK-Sportverein mit seinen sieben Abteilungen gibt es eine bunte Palette vom Anglerverein über den Boule-Club bis hin zu organisierten Motorsportlern, Skifahrern und Tauchern. Bei derart vielfältigen Offerten st es in Dossenheim keinesfalls selbstverständlich, dass die Kleinen automatisch den Weg zu „Charlys Verein“ finden.

„Jetzt wollen alle nach Hoffenheim“

Der Fußball-Club muss sich im Ort der attraktiven Konkurrenz stellen und offensiv werben. Zum Beispiel indem Ulrich Riedelsheimer sein freiwilliges soziales Jahr bei dem Verein damit ableistet, Fußball-Arbeitsgemeinschaften an den beiden Grundschule zu leiten und ebenfalls enge Kontakte zu den Kindergärten zu pflegen. Über Resonanz kann der FCD nicht klagen. Von den Bambinis bis zu den Alten Herren existieren Mannschaften in sämtlichen Altersklassen, bei den 5- bis 10-Jährigen gibt es sogar „Doppelbesetzungen“ bei den Dossenheimern, die über den Rhein-Neckar-Kreis hinaus für ihre traditionell vorbildliche Nachwuchsarbeit bekannt sind. „Die bei uns mal Jugend gespielt haben, die verteilten sich später auf alle Klassen – bis hin zur ersten Bundesliga“, sagt Versicherungskaufmann Ullrich mit Blick auf Körbel, Markus Bähr, der den Weg zum Karlsruher SC fand, oder den aktuellen Zweitligaspieler Carsten Rothenbach vom FC. St. Pauli. Der 50-Jährige kam 1966 zum Verein, wurde im Alter von 26 Jahren Zweiter Vorsitzender und vor elf Jahren an die Spitze gewählt. Er kann sich noch bestens erinnern, wie die Dossenheimer unmittelbar nach Körbels Wechsel um ein Haar den Sprung in die zweite Bundesliga verpassten und später wegen mangelnder gewohnten Sponsorenunterstützung in sportliche Niederungen hinabsteigen mussten. Aktuell treten die Aktiven in der Kreisliga Heidelberg, eine Klasse unter der Landesliga, wo der FCD bis 2005 mitspielte.

Vorbei sind auch die Zeiten, da der Nachwuchs durchweg der höchstmöglichen Klasse angehörte. Statt wie früher in der Baden- und Verbandsliga mitzumischen, tritt die A-Jugend heute nur in der fünften Liga gegen den Ball. Das birgt Gefahren, denn die besten Talente könnten zunehmend auf höherklassige Nachwuchsligen schielen. Vor allem was unmittelbar nebenan im „Fußball-Reich“ des Milliardärs Dietmar Hopp vor sicht geht, wird in Dossenheim mit Argusaugen beobachtet. Ein halbes Dutzend Nachwuchs-Leistungszentren gar nicht weit weg in Zuzenhausen, Walldorf, Ludwigshafen, Neckarau und Mannheim hat der große Macher als sportlichen Unterbau für seinen Hoffenheimer Coup entstehen lassen. Diese Zentren könnten zunehmend mit Talenten vom FC Dossenheim gespeist werden, wenngleich sich die paar Abgänge bei den Teenagern bis jetzt an einer Hand abzählen lassen.

„Die wollen jetzt alle nach Hoffenheim“, verweist Ullrich auf den neuesten Trend, während Jugendwart Michael Späth gelassen bleibt. Bisher handele es sich nur um einzelne Spieler. „Wenn sie das Zeug dazu haben, dann habe ich nichts dagegen, dass sie weggehen“, sagt Späth, wobei auch ihm klar ist: Den professionellen Bedingungen in den Förderzentren, der Aussicht auf eine sichere Lehrstelle für die jungen Kicker in Hopps Netzwerk und der Verlockung von Einsätzen in höherklassigen Machwuchsligen können die Dossenheimer nichts entgegensetzen. Hoffnungsvolle Talente allein mit dem Verweis auf Vereinstreue und Tradition vor dem Absprung zu bewahren, das wiegt gegenüber der Macht des Faktischen nicht schwer genug.

„Wenn wir für jeden Übungsleiter 150 Euro im Monat bezahlen müssten, dann wäre das vielleicht sogar das Ende“

Beim FC Dossenheim muss man anscheinend damit leben lernen, die besten Talente womöglich früh zu verlieren. „Wenigstens haben wir noch ein gutes Amateurniveau zu bieten“, sagt Ullrich fast trotzig. Trost kann der Verein in dem Umstand finden, dass in der ersten Männermannschaft zirka 90 Prozent aller Spieler Eigengewächse sind. Solche Quoten, eine funktionierende Infrastruktur sowie drei Dutzend kleine Sponsoren lassen den Verein auf solider Grundlage beruhigt nach vorn schauen, auch wenn der FCD gern mal ein oder zwei etwas größere Geldgeber an Land ziehen würde.

Damit die Lage stabil bleibt, rückt vor allem die ehrenamtliche Arbeit als wirtschaftliche Größe immer mehr ins Zentrum. Außer bei den Aktiven wirken beim FC Dossenheim derzeit mehr als 15 Übungsleiter und Trainer komplett ehrenamtlich. Nur diesem Einsatz ist es zu verdanken, dass sich der Jugendbeitrag bei 85 Euro jährlich bewegt. Gelingt es nicht, mehr Eltern, Angehörige oder Spieler unentgeltlich in die Betreuung einzubinden, dann droht Gefahr am Horizont. Sobald Trainer oder Übungsleiter nur noch über Pauschalen zu bekommen sind, wie andernorts schon üblich, dann führe laut Ullrich an Beitragserhöhungen kein Weg vorbei. „Wenn wir für jeden Übungsleiter 150 Euro im Monat bezahlen müssten, dann wäre das vielleicht sogar das Ende.“ Sebastian Holzhüter nickt bei diesen Worten bedächtig. Der 26 Jahre alte Diplom-Betriebswirt führt seit sechs Jahren die Geschäfte und soll 2011 Hans-Peter Ullrich als erster Mann an der Spitze ablösen.

Bis es soweit ist, stehen im kommenden Jahr die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag an. Eine ganze Reihe von Turnieren und Veranstaltungen sind in Vorbereitung, unter anderem ein Freundschaftsspiel gegen einen aktuellen Bundesligisten. Der Jubiläums-Gast könnte Eintracht Frankfurt heißen. Zu den Hessen sind die Kontakte dank Karl-Heinz Körbel bestens. Jedes Jahr in den Sommerferien gastiert die von ihm geleitete Eintracht-Fußballschule in Dossenheim, und 1988 wurde hier der „Körbel-Cup“ ins Leben gerufen. Seither treffen sich jährlich im September zehn C-Jugend-Teams. Eine gute Gelegenheit für den Dossenheimer Nachwuchs, sich mit den Gleichaltrigen vom VfB Stuttgart, von Borussia Dortmund oder dem Karlsruher SC zu messen. Einmal reisten sogar die Talente vom großen FC Bayern an. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen, wenn sich in Fußballkreisen erst einmal herumgesprochen hat, über welchen „Granatenplatz“ der FCD neuerdings verfügt.