Kein Sportartikel im EU-Vertragswerk?

Die Forderungen des Deutschen Sportbundes, dass der Sport mit einem eigenen Artikel im Europäischen Vertragswerk verankert sein müsse, werden von

der Bundesregierung derzeit nicht unterstützt. Dies geht aus dem vorliegenden Antwortentwurf des Bundesinnenministeriums auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9. Oktober 2001 im Deutschen Bundestag hervor. Danach teilt die Bundesregierung "gegenwärtig weder die Auffassung des Deutschen Sportbundes, dass ein eigener Artikel "Sport" im EU-Vertragswerk unverzichtbar sei, noch, dass der Sport in Artikel 151 EGV verankert werden sollte". Vielmehr müsste sich zunächst "im Kreise der EU-Mitgliedsstaaten eine (.....) entsprechende Auffassung herausbilden, dass der Bereich Sport eine rechtliche Grundlage im Gemeinschaftsrecht erhalten solle". Die Bundesregierung habe deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch "nicht die Absicht, die Aufnahme des Sports mit einem eigenen Artikel auf die Tagesordnung der nächsten Regierungskonferenz zu setzen".

Begründet wird diese Auffassung damit, "dass für die Aufnahme zusätzlicher Politikbereiche in die Verträge das Subsidiaritätsprinzip einen wichtigen Maßstab darstellen sollte". Nach Auffassung der Bundesregierung müsse eine Aufnahme des Sports als Zuständigkeitsbereich voraussetzen, dass dargetan ist, dass und in welchem Umfang sportpolitische Fragen wirkungsvoller auf europäischer Ebene statt auf nationaler oder regionaler Ebene geregelt werden könnten.

Genau dazu aber hatte sich der DSB in seinen sowohl von der ENGSO, dem Zusammenschluss nicht-staatlicher Sportorganisation Europas, wie von IOC-Präsident Jacques Rogge unterstützten Vorschlägen für einen eigenen Sportartikel und auch zur Berücksichtigung des Sports im Rahmen des Kultur-Artikels 151 dezidiert geäußert. So sollte die EU in ihrer Aktion auch ausdrücklich "die Autonomie des organisierten Sports, seinen ehrenamtlichen Charakter sowie die Vielfalt der nationalen und regionalen Sporttraditionen" berücksichtigen.

Auch von Seiten der Bundesländer gibt es Probleme mit dem Anliegen des deutschen und europäischen Sports auf eine rechtliche Verankerung im neu entstehenden EU-Vertragswerk, da sich auch die bayrische Staatsregierung ausdrücklich gegen einen EU-Sportartikel aussprach. So blockierte die Staatsministerin für Unterricht und Kultus Monika Hohl-meier (CSU) durch ihr Veto ein von der Vorsitzenden der Sportministerkonferenz der Länder (SMK), der saarländischen Innen- und Sportministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), angestrebtes einstimmiges Votum der für den Sport zuständigen Fachministerkonferenz für einen auch die EU-Zuständigkeiten begrenzenden – Sportartikel im Vertragswerk.

Aus bayerischer Sicht wird eine "Kompetenzansaugende Wirkung" durch die EU-Kommission bei der Aufnahme eines EU-Sportartikels befürchtet. Bisherige Erfahrungen mit Regelungen im EU-Vertragswerk hätten gezeigt, dass solche Befürchtungen gerechtfertigt seien. Außerdem sei bei einer Ausweitung der EU-Förderung auf den Sportbereich eine Einschränkung der Sportfördermittel im Bundeshaushalt und in den Länderhaushalten "nur eine Frage der Zeit". Dies wäre "ein schlechtes Geschäft", zumal sich die Sportorganisationen mit einem aufwendigeren Antrags- und Kontrollverfahren auseinandersetzen müssten.

DSB-Präsident Manfred von Richthofen, der Ende Februar auch die Europaminister der Länder nochmals um Unterstützung des DSB-Anliegens gebeten hatte, forderte zu Beginn der 5. Europäischen Frauensportkonfe-renz am 19. April in Berlin in Anwesenheit von EU-Kommissarin Viviane Reding erneut mit Nachdruck die Verankerung des Sports mit einem eigenen Artikel im Europäischen Vertragswerk und wies auf die vom Sport in den letzten Jahren erbrachten Leistungen beim europäischen Integrationsprozess hin. Dabei appellierte er an die politisch Verantwortlichen, die Chancen zu nutzen, die das System des organisierten Sports zur Stärkung der europäischen Integration biete.

Auch bei der gemeinsamen Tagung der Ständigen Konferenzen der Spitzenverbände und Landessportbünde am 26./27. April in Potsdam mit Bundeskanzler Gerhard Schröder als "verhindertem" Gast forderte von Richthofen den Regierungschef auf, den Sport wieder auf die europäische Tagesordnung zu bringen.