Klimaschutz geht uns alle an

Die aktuelle Ausgabe von "Sport schützt Umwelt" des DOSB lenkt den Fokus auf den Megatrend Digitalisierung. Eine fünfteilige Serie betrachtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven.

Für jede Sportart gibt es inzwischen eine passende App. Foto: picture-alliance
Für jede Sportart gibt es inzwischen eine passende App. Foto: picture-alliance

Im zweiten Teil erläutern Dr. Hartmut Stahl und Martin Gsell vom Öko-Institut Darmstadt im Interview, dass durch energetische Sanierung von Vereinsanlagen viel für den Klimaschutz getan wird. Sie geben aber auch zu bedenken, dass die Digitalisierung nicht nur positive ökologische Effekte mit sich bringe, sondern auch negative. Unser digitaler Lebensstil verursache inzwischen einen ökologischen Fußabdruck von geschätzt 0,85 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr pro Bundesbürger. 

Der Sport in Deutschland will die Digitalisierung seiner Verbände und Vereine aktiv, aber auch nachhaltig gestalten. Nachhaltig sind Digitalisierungsstrategien aber nur dann, wenn sie an anderer Stelle Einsparungen ermöglichen. Wo sehen Sie die größten Einsparungspotentiale bei Sportvereinen oder im Sport allgemein, die durch Digitalisierung befördert werden könnten?

HARTMUT STAHL: Es gibt in Deutschland einen großen Nachholbedarf bei veralteten Sportanlagen. Die dringend notwendige energetische Sanierung dieser Vereinsanlagen bietet den Betreibern die Chance, mit Hilfe neuer digitaler Technik die Sporthalle, die Anlagen oder das Vereinsheim nutzerspezifisch zu steuern.Durch einen optimierten Betrieb von Sportanlagen wäre schon viel Gutes fürs Klima getan.

Während beispielsweise bei alten Heizungsanlagen früher eine Nachtabsenkung normal war, ermöglicht eine moderne digital gesteuerte Anlage dem Energiemanager auch kurzfristig und von zu Hause aus, einzelne Räume beispielsweise für ein Sondertraining oder eine Abteilungs- oder Mannschaftsversammlung bedarfsgerecht zu regeln. Dadurch dass Heizung, Lüftung und Licht nur dann im Betrieb sind, wenn sie wirklich benötigt werden, kann viel Energie gespart werden. In der heutigen Klimadebatte wird allerdings oft der Eindruck vermittelt, Technik werde schon alles richten. Hier darf der Faktor Mensch nicht außer Acht gelassen werden: Die digital gesteuerte Heizungsanlage, die der Energiemanager von zu Hause aus bedient, hilft nur dann, wenn am Abend nach dem Training die Fenster in der Umkleidekabine auch wieder geschlossen werden.

Das Beispiel macht auch deutlich, dass es nicht damit getan ist, beim Klimaschutz auf wenige Umweltbegeisterte oder Technikaffine zu hoffen. Klimaschutz geht uns alle an und nur gemeinsam kommen wir zum Ziel.

Blicken wir beispielsweise auf „smart homes“ und digitale Heizungssteuerung: Am Anfang ist die Begeisterung sicher noch groß – ob der tollen Möglichkeiten die Heizung bequem per App zu regeln. Ist die erste Begeisterung erst abgeflaut, gilt es dranzubleiben und auch beispielsweise bei einem Wochenendtrip die Heizung so zu programmieren, dass sie während der Abwesenheit herunterfährt und nicht einfach „durchbollert“. Auch oder gerade im digitalen Zeitalter mit dem Smartphone in der Tasche gilt bei vielem, was uns das Leben und den Klimaschutz erleichtert: Dran denken und machen müssen wir es immer noch selbst!

Sportler* innen sind auch Verbraucher. Durch die fortschreitende Digitalisierung des Alltags rückt auch die Langlebigkeit beziehungsweise Kurzlebigkeit von Hard- und Software in den Blick. Viele mobile Endgeräte haben eine kurze Gebrauchsdauer. Welche Orientierungsmöglichkeiten gibt es überhaupt für Verbraucher?

MARTIN GSELL: Viele Sport-Gadgets werden schnell gekauft und liegen dann ungenutzt in Schubladen herum. Hier sollten sich die Verbraucher und Verbraucherinnen vorher überlegen, ob die Gerätefunktion überhaupt gebraucht wird, und falls ja, sie nicht durch eine Smartphone-App ersetzt werden könnte. Stichwort ist hier Dematerialisierung durch Software.

Bei der Verwendung von Sport-Software auf dem Smartphone sollten sich Verbraucher und Verbraucherinnen aus Datenschutzgründen darüber informieren, welche Nutzungsdaten an den Hersteller der Software übermittelt werden und ob auch datensparsame Alternativen bestehen. Für Android basierte Telefone bietet der „F-Droid-App-Shop“ kostenlose Open-Source Alternativen, die oft unter Datensparsamkeits-Gesichtspunkten optimiert wurden.

Wir empfehlen darüber hinaus zu prüfen, ob und wozu das Gerät überhaupt gebraucht wird. Kann es auch ausgeliehen werden oder können für die gewünschte Geräte- und Preisklasse reparierte oder aufbereitete Gebrauchtgeräte beschafft werden? Diese sind günstiger und oft auch langlebiger, da billige Geräte meist nicht repariert werden, sondern nur hochwertige Business-Geräte von Markenherstellern aufbereitet werden, die gut zu reparieren und aufzurüsten sind und für die auch Ersatzteile verfügbar sind. Das gilt insbesondere für Notebooks, Smartphones, PCs, Smart-TVs. Bei Geräten wie beispielsweise Smartphones, die regelmäßige Sicherheitsupdates benötigen, sollte geprüft werden, ob die Hersteller Aussagen zur Update-Dauer machen oder auf Konsumenten-Plattformen Bewertungen dazu existieren. Außerdem kann in manchen Fällen Open-Source-Software, wie zum Beispiel Lineage OS und die vielen Linux-Distributionen, helfen, Geräten ein zweites Leben einzuhauchen, für die der Hersteller selbst keine Updates mehr anbietet.

Ist der Anspruch, Digitalisierung nachhaltig zu gestalten, nicht paradox? Schließlich entfallen schon heute zehn Prozent des Stromverbrauchs weltweit auf alle mit dem Internet vernetzten Geräte beziehungsweise Rechenzentren. Wie verträgt sich die Forderung CO2 -Emissionen spürbar zu senken, mit dem Megatrend Digitalisierung?

GSELL: Technologien, ihre Nutzung und Ausprägungen sind gesellschaftlich geprägt und damit veränderlich. Auch Digitalisierungstechnologien sind abhängig von der Art der Nutzung und ihrer Ausgestaltung. Positive ökologische Effekte der Digitalisierung können durch Effizienzgewinne in der Produktion entstehen oder durch ganz neue Möglichkeiten der Vernetzung beispielsweise in der Mobilität und beim Teilen von Gütern.

Negative ökologische Wirkungen entstehen als direkte Ressourcen- und Energieverbräuche, etwa beim Betrieb der Rechenzentren. Allein unser digitaler Lebensstil verursacht inzwischen einen CO2 -Fußabdruck von geschätzt 0,85 Tonnen CO2 pro Jahr pro Bundesbürger.

Weitere indirekte Umwelteffekte entstehen durch Rebounds, bei der die zunächst erzielten Effizienzgewinne durch Mehrverbräuche kompensiert oder sogar überkompensiert werden. Mit der Digitalisierung und entsprechenden Geschäftsmodellen könnten sich gesellschaftliche Verhaltensmuster tiefgreifend verändern – beispielsweise mehr Bequemlichkeit im Verkehr – und ökologische Nachteile mit sich bringen.

Insgesamt gilt: Eine politisch ungesteuerte Digitalisierung wird ökologische Schäden anrichten. Kluge Rahmenbedingungen, aber auch ordnungsrechtliche beziehungsweise kartellrechtliche Regulierungen werden nötig sein, um die Digitalisierung für die Gesellschaft nützlich werden zu lassen und nicht nur einige große Digitalkonzerne reich zu machen.

Zur Einordnung: Eine Bundesbürgerin oder ein Bundesbürger verursacht durch Energieverbrauch, Transport und Konsum CO2 -äquivalente Emissionen von rund zwölf Tonnen pro Jahr. Ein klimaverträgliches Maß wären zwei Tonnen pro Erdenmensch.

Worauf können Verwaltungsmitarbeiter* innen und Mitarbeiter* innen in Sportvereinen und Verbänden bei der Digitalisierung der täglichen Arbeitsprozesse achten, um für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu sorgen?

STAHL: Ein interessantes Forschungsprojekt hat gezeigt: Je nachdem, wie eine Software programmiert ist, hat das Einfluss auf deren Energieverbrauch. Die Sportvereine, Verbände und alle, die eine Software auswählen und installieren, beeinflussen unbewusst den Stromverbrauch ihres Computers oder Laptops. Die meisten haben von dieser Möglichkeit, die Umwelt zu schonen, noch nie etwas gehört. Der „Blaue Engel“ soll in Zukunft an solche Softwareprodukte vergeben werden, die sich durch hohe Energie- und Ressourceneffizienz während der Nutzung auszeichnen. Hierauf könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten.

(Quelle: DOSB/"Sport schützt Umwelt", Ausgabe Nr. 131)


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    Frau in Laufkleidung tippt auf ihrem Handy in einem Park mit einem Fuß auf einer Bank; daruf liegen Walking Stöcke Foto: picture-alliance