Klimaschutz im Sport (2): Ski-WM mit Umweltkonzept

In einer zehnteiligen Reihe stellt der DOSB anhand verschiedener Praxisbeispiele aus dem Sport mögliche Ansatzpunkte für Klimaschutz vor und ruft zu mehr Engagement auf.

Die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen setzte 2011 Zeichen in Sachen Umweltschutz. Foto: picture-alliance
Die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen setzte 2011 Zeichen in Sachen Umweltschutz. Foto: picture-alliance

Die Organisatoren der WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen haben gezeigt, dass Großveranstaltungen auch abseits von Großstädten klimaschonend gelingen können.

130.000 Zuschauerinnen und Zuschauer haben im Februar 2011 in Garmisch-Partenkirchen 14 Tage Wintersport der Extraklasse genossen . Zwar sind die 26.000 Einwohner der Gemeinde am Fuss der Zugspitze Wintersporttouristen gewohnt, aber die 41. FIS Alpinen Ski-Weltmeisterschaften mit 28 Rennen an drei Wettkampfstätten war doch eine besondere Herausforderung.

Mit einem breit angelegten Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept zeigten die WM-Organisatoren vom Deutschen Skiverband (DSV), dass eine Sport-Großveranstaltung auch weit ab von Großstädten und Ballungsräumen klima- und umweltschonend gelingen kann. Zentrale Stellgröße war ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept, aber auch Abfallmanagement und Umweltbildung kamen nicht zu kurz. Konstruktiv mit dabei war auch ein anerkannter Naturschutzverband, der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV).

„Bei Fussballweltmeisterschaften ist der Weg vom Bahnhof ins Stadion vergleichsweise kurz. Im Gegensatz dazu liegen Gudiberg und Kandahar Arena gut 100 Bahnkilometer von München und 60 Bahnkilometer von Innsbruck entfernt. Trotzdem ist es gelungen, durchschnittlich 43 Prozent der Besucher mit Bahnen, Bussen oder zu Fuß zur WM zubringen. Am Wochenende lag die Quote sogar bei 61 Prozent“, erläutert Tobias Lienemann vom Beirat für Umwelt und Skisportentwicklung des Deutschen Skiverbandes (DSV).

WM-Ticket für kostenfrei Anreise mit Bus und Bahn

Zentrales Instrument für die Verkehrslenkung hin zur Bahn war die Kombination von WM-Ticket und kostenfreier Anreise aus Bayern und Tirol. Auch vor Ort konnten Linien- und Shuttle-Busse ohne zusätzliche Kosten von den WM-Besuchern genutzt werden. Mit 88 Sonderzügen aus München, Innsbruck, Augsburg und Reutte hatte die Bahn ihr Angebot um etwa 30% erweitert. 1.000 Schlachtenbummler fanden in täglich eingesetzten Sonderzügen Platz. Für Schulklassen aus München waren eine Anreise und ein Ticket für die Haupttribüne für den symbolischen Betrag von fünf Euro pro Person möglich. Auf Strecken unter 40 Kilometern kamen im Linienverkehr 55 Shuttle-Busse zum Einsatz, die Zehntausende kostenlos zu Abfahrts- oder Slalomwettbewerben beförderten. Auch zwischen den Wettkampfstätten und für den Weg zu den drei Groß-parkplätzen zeigten die Shuttle-Busse, was sie können. Nach einem Abfahrtsrennen konnten die beauftragten Busunternehmen 8.000 Besucher von der Kandahar zur Gudiberg-Arena transportieren. Auch für die Anwohner und Urlauber fuhren sämtliche Busse während der WM kostenfrei.

Selbst kurzfristige Beförderungswünsche konnten bedient werden. Lediglich zwei Verkehrsunfälle führten nach Beobachtung der Polizei zu größeren Staus in den engen Tälern rund um den WM-Ort Garmisch-Partenkirchen. Internationaler Ski-Verband (FIS), WM-Veranstalter, Polizei und unabhängige Beobachter bestätigten im Nachhinein denn auch das weitestgehend reibungslose Funktionieren des Verkehrskonzepts.

300 potenzielle Gehminuten zur Gesundheitsförderung

Die große räumliche Nähe der Veranstaltungsorte hatte auch einen gesundheitsfördernden Aspekt. Zu Fuß waren sowohl die drei Wettkampfstätten als auch der Medal Plaza, Bahnhof und Parkplätze gut erreichbar. Gudiberg-WM-Trail, Medal Plaza-WM-Trail und der WM-Trail zur Kandahar-Arena vom Park & Ride-Gelände sorgten für 300 potenzielle Gehminuten rund um die WM. Wenn es zu anstrengend wurde, stand der Shuttle-Bus kostenfrei zur Verfügung. Eine ausgefuchste Besucherlenkung mit Schildern, Holzpfosten und Bannern sorgte dafür, dass alle Eventplätze gut erreichbar waren. Ein universelles Layout sorgte dafür, dass die Besucherlenkung auch bei anderen Großveranstaltungen weiterverwendet werden kann.

Hinter dem Verkehrskonzept stand ein Kommunikationskonzept, dass den Besucherstrom auf die richtige Bahn bzw. den richtigen Shuttle-Bus lenkte. Unter dem Label „Green Mobility“ war auf www.ski-wm.raumobil.de ein Portal erreichbar, das keine Wünsche offen ließ. Die Anreisen mit dem Auto, per Bahn oder mit dem Flugzeug wurden über eine Webadresse gut aufbereitet präsentiert. Fahrtzeit, Kosten und die CO2-Belastung konnten für die richtige Entscheidung direkt miteinander verglichen werden. Eine Mitfahrerzentrale vermittelte freie Plätze im Privat-PKW.

Kompensationsprojekte für CO2-Emissionen

Auch die Möglichkeit, entstehende CO2-Emissionen auszugleichen, wurde angeboten. Ein Internet-Rechner listete die verbrauchten Klimagase durch die Anreise per Auto, Bahn oder Flugzeug sowie die Hotelübernachtung auf und bot über das Portal www.co2ol.de passende Kompensationsprojekte an. Gewählt werden konnte zwischen einem Projekt zur Energiegewinnung aus Methan-Gas in China oder einem Wiederaufforstungsprojekt in Panama. Für eine dreitägige Reise von Frankfurt aus mit dem Flugzeug errechnete CO2OL eine Kompensationsmenge von 0,33 Tonnen CO2. Zur CO2-Kompensation wurde für knapp sechs Euro ein individuelles Ausgleichszertifikat gleichzeitig mit angeboten.

Eco-Guides sorgten für Mülltrennung

Zentrales Element des Abfallmanagements war die fein säuberlich getrennte Sammlung von Abfällen. An zentralen Stellen wurden 62 Wertstoffinseln mit einer Aufnahmekapazität von 60.000 Liter pro Tag aufgestellt. Hier konnten die WM-Besucher Plastik, Papier, Bio- und Restmüll einfach und sortiert entsorgen. 20 eigens eingesetzte Eco-Guides erinnerten die WM-Touristen freundlich und konsequent daran, Abfälle nicht einfach achtlos wegzuwerfen. So konnte ein sauberes Erscheinungsbild der Veranstaltungsgelände gewährleistet werden. Für Sponsoren und Caterer wurde darüber hinaus im Backstage-Bereich eine kostenlose Abfallentsorgung von 100.000 Litern pro Tag angeboten mit der Auflage der Mülltrennung. Das gesamte Abfallaufkommen der WM belief sich auf 62.520 Kilogramm.

In den WM-Ablauf einbezogen war auch der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Der LBV beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Auswirkungen des Skisports auf den Naturraum im Werdenfelser Land, in dem die WM stattfand. Als staatlich anerkannter Naturschutzverband verfolgte der LBV den Ausbau der Sportstätten kritisch – beteiligt sich aber auch konstruktiv bei der Planung, der Durchführung und dem Monitoring der Kompensationsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund dokumentiert der LBV auch die Ski-WM unter dem Aspekt des Artenschutzes.

Natursportcamps für Kinder und Jugendliche

Die Ski-Weltmeisterschaften waren eingebettet in ein langfristiges Umweltbildungsprogramm. Bereits seit 2007 finden für Kinder und Jugendliche unter dem Titel „ticket2nature“ Natursportcamps zur Ski-WM und anderen winterbezogenen Sportgroßveranstaltungen statt.

Über 1.000 Schülerinnen und Schüler aus 50 Partnerschulen haben an den Camps im Schnee teilgenommen. Mit einem erlebnispädagogischen Konzept kann etwa Nordic Cruising (Ski-Langlauf abseits der Loipen), Schneeschuhwandern, alpines Ski- und Snowbordfahren in kleinen Gruppen unter fachkundiger Anleitung ausprobiert werden. Auch die Orientierung in der Bergwelt mit Hilfe von Karte und Kompass wird in den zwei- bis fünftägigen Kursen geübt.

Gleichzeitig wird über die Auswirkungen von Sport und Bewegung in sensiblen Gebirgsregionen informiert und umwelt- und naturschonende Verhaltensweisen vermittelt. Hieran ist auch der LBV beteiligt. Die Mitarbeiter vermitteln den Schülern, wie Tiere und Pflanzen durch Sport beeinträch-tigt und mit welchen Maßnahmen Flora und Fauna geschützt werden können.

Ticket2nature ist ausgezeichnet als Dekade-Projekt der UN-Dekade „Bildung für eine nachhalti-ge Entwicklung 2005-2014“ und wird im Hinblick auf die Bewerbung Münchens um die Winter-spiele 2018 fortgeführt. In der ZDF-Mediathek ist ein Beitrag über Ticket2-nature anzusehen.

„Mit der Alpinen Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen 2011 konnten wir zeigen, dass ökologisch verantwortbare Sportgroßveranstaltungen auch in den Bergen möglich sind. Das Motto „vermeiden, verlagern und umweltschonend abwickeln“ war tragfähig für das Verkehrs- und Abfallmanagement und wurde durch Umweltbildung im Rahmen von ticket2nature nachhaltig ergänzt“, bilanziert Tobias Lienemann.

Das Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzept war ein Kooperationsprojekt von DSV als WM-Ausrichter, der Stiftung Sicherheit im Skisport (SIS) als Mitfinanzier und Fachstelle sowie den Verkehrsexperten vom TÜV Rheinland. Eine Bilanz des Umwelt- und Nachhaltigkeitskonzepts im „Green Legacy Report“ ist online veröffentlicht.

(Autor: Bernd-Olaf Hagedorn)


  • Die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen setzte 2011 Zeichen in Sachen Umweltschutz. Foto: picture-alliance
    Die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen setzte 2011 Zeichen in Sachen Umweltschutz. Foto: picture-alliance