Kollege Spitzensportler: Chancen für Wirtschaft und Athleten

Eine aktuelle Studie der EBS Universität in Wiesbaden belegt ein hohes Potential von Spitzensportlern für die zweite Karriere in der Geschäftswelt.

Vom Spitzensportler zum erfolgreichen Geschäftsmann: Frank Busemann, Silbermedaillengewinner im Zehnkampf von Atlanta 1996, demonstriert, wie man auch im Anzug jede Hürde nimmt. Foto: picture-alliance
Vom Spitzensportler zum erfolgreichen Geschäftsmann: Frank Busemann, Silbermedaillengewinner im Zehnkampf von Atlanta 1996, demonstriert, wie man auch im Anzug jede Hürde nimmt. Foto: picture-alliance

Aus der vom Institute for Sports, Business & Society (ISBS) an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht herausgegebenen Studie "Kollege Spitzensportler: Chancen für Wirtschaft und Athleten" geht hervor, dass von der Deutschen Sporthilfe geförderte Spitzensportler im Vergleich zu Fachkräften in Deutschland überdurchschnittliche Werte hinsichtlich Engagement/Leistungsmotivation, Disziplin und Stabilität aufweisen, die für den Aufstieg in einem Unternehmen äußerst förderlich sein können. Doch die ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmale können im Beruf Fluch und Segen zugleich sein. Die für Spitzensportler ermittelten extrem hohen Werte im Bereich Disziplin (Planungsorientierung, Sorgfalt, Analyseorientierung) schaffen Gewissheit, dass ihnen anspruchsvolle und fordernde Tätigkeiten in Unternehmen bedenkenlos anvertraut werden können. Hohe Disziplin deutet aber auch auf ein ausgeprägtes persönliches Sicherheitsbedürfnis und niedrige Toleranz für Ambiguitäten z.B. bei Veränderungsprozessen hin. Starkes Engagement (Wettbewerbsorientierung, Leistungsanspruch, Karriereorientierung) hilft Spitzensportlern einerseits im Job, sie kann aber auch hinderlich sein, wenn sie davon abhält, auf dem Weg zum Ziel nach links und rechts zu schauen, oder wenn Spitzensportler zu hohe Leistungsansprüche an Kollegen und Mitarbeiter stellen.

Der Vergleich der gesamten Stichprobe mit einer repräsentativen Auswahl von deutschen Fachkräften zeigt zudem deutlich auf, dass Spitzensportler im Bereich Sozialkompetenz gleichauf mit den Fachkräften liegen. Für Dominanz (Durchsetzungsfähigkeit, Unabhängigkeit, Konfliktbereitschaft) und Kooperation (Teamorientierung, Kompromissbereitschaft, Integrationsfähigkeit) liegen die Werte der Spitzensportler im Durchschnitt allerdings unterhalb derer für Fachkräfte.

Bei der detaillierten Analyse der Spitzensportlergruppe konnten im Rahmen der ISBS-Studie vier Prototypen identifiziert werden, denen der Großteil der teilnehmenden Spitzensportler tendenziell zugeordnet werden kann:

  • Typ 1: „Einzelgänger“ (27%) zeichnet sich durch hohes Engagement und sehr hohe Disziplin aus. Sozialkompetenz und Kooperationsfähigkeit sind hingegen unterdurchschnittlich ausgeprägt. Besonders häufig bei Einzelsportlern (insbesondere in Ausdauer- und Präzisionssportarten) und Einzelkindern zu finden.
  • Typ 2: „Kämpfer“ (16%) hat noch höhere Werte bei Engagement und Disziplin als der Einzelgänger. Gleichzeitig ist er hochgradig dominant, aber weniger persönlich stabil und weist dabei eine äußerst geringe Kooperationsfähigkeit auf. Besonders häufig bei Kraft- und Kampfsportlern und Spitzensportlern aus Großfamilien zu finden.
  • Typ 3: „Teamplayer“ (28%) stellt das Gegenstück zum Kämpfer dar. Er erreicht auf den Skalen Engagement und Disziplin nur durchschnittliche Werte, die Dominanz ist besonders niedrig. Dafür ist seine Kooperationsfähigkeit stark ausgeprägt. Besonders häufig bei Team- und Spielsportarten sowie unter weiblichen Spitzensportlern und Nicht-Kapitänen zu finden.
  • Typ 4: „Meister aller Klassen“ (29%) ist in allen Persönlichkeitsbereichen überdurchschnittlich. Er zeichnet sich durch hohes Engagement, hohe Disziplin, Kooperation, Sozialkompetenz und eine etwas überdurchschnittliche Dominanz und Stabilität aus. Besonders häufig bei männlichen Spitzensportlern, Ex-Kapitänen und Sportlern mit Interesse an Managementberufen zu finden.

„Persönlichkeitsmerkmale variieren mit der jeweiligen Sportart. Die ermittelten Prototypen deuten an, wo ich als Personalverantwortlicher welchen Typ innerhalb der Spitzensportlergruppe finden kann, um ein bestimmtes Jobprofil auszufüllen“, so Professor Sascha. L. Schmidt, Leiter des ISBS an der EBS Universität.

Bei durchschnittlichen drei Stunden Trainingszeit pro Tag ist es für Spitzensportler herausfordernd, parallel zu Wettkämpfen eine Ausbildung zu machen, zu studieren oder Praktika zu absolvieren. Das vergleichsweise große Segment der „Meister aller Klassen“ zeigt jedoch, dass eine duale Karriere funktionieren kann. Ihre erwiesenermaßen hohe Zielstrebigkeit und Disziplin hilft Spitzensportlern, mit der Doppelbelastung fertig zu werden.

Erfolgskritisch sind jedoch strukturierte Arbeitspläne, persönliche Zielverein-barungen, die Fähigkeit zur Priorisierung, eine hohe Selbstdisziplin sowie der gezielte Aufbau und die Pflege beruflicher Kontakte (Networking). Hinzu kommt die Notwendigkeit, bei den Ausbildern ausreichende Flexibilität einzufordern aber auch zu erläutern.

An der Studie haben insgesamt 1006 der ca. 3800 derzeit von der Deutschen Sporthilfe geförderten Spitzensportler sowie 117 Studenten der EBS Business School teilgenommen. Gleichzeitig standen für den Persönlichkeitstest die Ergebnisse von Vergleichsgruppen des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP-6F) mit insgesamt 7757 berufstätigen Fach- und Führungskräften zur Verfügung. Darüber hinaus wurden in Gesprächen mit 25 Personalchefs, führenden Personalberatern und Recruiting-Experten von Großunternehmen und Unternehmensberatungen unternehmensseitig wahrgenommene Chancen und Risiken für den Einsatz von Spitzensportlern in der Geschäftswelt erörtert sowie mögliche Jobprofile für ehemalige Spitzensportler diskutiert.

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(Quelle: EBS Universität)


  • Vom Spitzensportler zum erfolgreichen Geschäftsmann: Frank Busemann, Silbermedaillengewinner im Zehnkampf von Atlanta 1996, demonstriert, wie man auch im Anzug jede Hürde nimmt. Foto: picture-alliance
    Vom Spitzensportler zum erfolgreichen Geschäftsmann: Frank Busemann, Silbermedaillengewinner im Zehnkampf von Atlanta 1996, demonstriert, wie man auch im Anzug jede Hürde nimmt. Foto: picture-alliance