Leichtathletik in Tansania unter schwierigen Bedingungen

Bei der Entwicklung der Leichtathletik in Tanzania bestätigt sich eine alte afrikanische Weisheit: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn Du daran ziehst“.

Jugendliche in Tanzania beim Training für den Hürdenlauf. Foto: Thumm
Jugendliche in Tanzania beim Training für den Hürdenlauf. Foto: Thumm

In Tanzania geht das Langzeitprojekt des DOSB und des Auswärtigen Amts in seine zweite Hälfte und kann inzwischen auf eine stattliche Zahl von Initiativen zurückblicken. Deren Chance auf Nachhaltigkeit erhöhen sich, da das Projekt nach einer Verwaltungsreform jetzt beim „Ministry of Local Governments“, einer Abteilung des Premierministers, angesiedelt wird.

Zu Beginn stand die dezentrale Ausbildung von rund 350 Lehrern auf Zanzibar und in den Regionen des Festlandes im Vordergrund. In den letzten Monaten entstanden weitere wichtige „Bausteine“ zur Entwicklung der Grundsportart.

Ausbildungs-und Trainingszentrum Kibaha

Schon im vergangenen Frühjahr zeigte sich eine Delegation von Mitgliedern des Sportausschusses des Bundestags vom Aufbau dieser zentralen Ausbildungs-stätte für Lehrer und deren Trainingsmöglichkeiten für die Schulen im Bezirk Kibaha (38 km von Dar Es Salaam entfernt) beeindruckt.

Dank einer Welle von Gerätespenden des DOSB, der Leichtathletik-WM-Stadt Berlin, der Landeshauptstadt Stuttgart und ihrer Vereine, des Ausrüsters Erhard-Sport und einer zusätzlichen finanziellen Hilfe durch das Auswärtige Amt konnte eine beispielhafte Ausstattung im „Kibaha Education Centre“ geschaffen werden.

Die Entscheidung, für die Schulleichtathletik ein eigenes „Zuhause“ aufzubauen, bestätigt sich immer mehr als der richtige Schritt, denn das von China 2006 bis 2009 erstellte „ultramoderne“ Nationalstadion in Dar Es Salaam steht bis heute der Leichtathletik für kein einziges Training zur Verfügung. Einzige Ausnahme ist die zweitägige nationale Meisterschaft. Es verwundert zudem, dass eines der schönsten Stadien auf dem Kontinent so gut wie über keine Leichtathletikgeräte verfügt.

Erstes Lehrbuch für Tanzania

Seit seiner Vorstellung durch die deutsche Botschaft am 4. November 2009 ist das erste eigene Lehrbuch des Landes ,„Athletics I“, für den Primar-und unteren Sekundarbereich zum absoluten „Renner“ geworden. Die Zusammenstellung von Unterrichtsmaterialien in methodischer Anordnung orientiert sich nicht nur an den Inhalten der eigenen dezentralen Grundkurse („Elementary Courses“), sondern schliesst eine grosse Lücke für alle Kollegen im Bereich der Fachliteratur Tanzanias. Die notwendige übersetzung in „Kiswahili“ für den Primarbereich (dort ist die Landessprache das vorgegebene Medium) steht noch aus.

Sektor "Ausbildung"

Während die dezentralen Grundkurse in den Regionen Lindi, Mtwara und Dodoma für die restliche Projektzeit noch ausstehen, wird der erste zentrale Lehrgang (2. Stufe der Ausbildungspyramide) in Kibaha vorbereitet. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten (z.B. des internationalen Leichtathletik-Verbandes), verfolgt das DOSB-Projekt hier eine klare Zielstellung: Konzentration der Ausbildung nur auf Lehrer und Trainer, welche sich nachweislich in ihren Regionen für eine Entwicklung engagieren. Das bedeutet den Verzicht auf stolze Zahlen von „Zertifikatsammlern“.

Auch der Einsatz von Kurzzeitexperten in enger Kooperation mit dem „Ministry for Sports“ hat sich hervorragend bewährt. Die zwei- bis dreiwöchigen Massnahmen kommen nicht nur der Leichtathletik, sondern auch anderen Sportarten zugute. Die vereinbarte Serie “Aufbau der sportmedizinischen Versorgung in Tanzania“ erlebte einen wahren Ansturm. Die jeweiligen Doppelseminare in Dar Es Salaam (Ost-Tanzania) und Arusha (West-Tanzania) des Chirurgen D. Wagner 2008 (OSP/ Sportklinik Stuttgart - Erste Hilfe und Orthopädie) sowie M.R.Holzner 2009 (Uni Mainz/ DLV- Massage und Rehabiliation) zählten zu den absoluten Highlights.

Talentsichtung

Das im letzten Dezember eingeleitete Pilotprojekt „Talentsichtung“ im Schul-bezirk Kibaha (72 Grundschulen, 31 Sekundarschulen) ist der bisher letzte „Baustein“ des Projekts. Nach zwei lokalen Selektionsrunden konnten 33 „Rohdiamanten“ aus rund 900 Elf-bis Dreizehnjährigen ermittelt werden, die seit dem 17. April des Jahres jeweils am Wochenende zu einem ersten Grundlagentraining in Kibaha zusammenkommen. Nach der sechsmonatigen „Probephase“ soll dann dieses „Pilotprojekt“ in Abstimmung mit dem Ministerium den 23 Regionen zur Nachahmung empfohlen werden.

Diese erfolgreichen Ansätze lassen aber kaum vermuten, wie - selbst für afrikanische Verhältnisse – schwierig und zeitraubend die tägliche Umsetzung in einem Umfeld ist, dessen ganze Entwicklung durch viele internationale Geber bestimmt wird.  Die sowieso schon stark ausgeprägte „Mentalität des Nehmens“ wird noch gefördert, anstatt Fähigkeiten zur Eigeninitiative zu stimulieren.

Der Staatspräsident, ein wirklicher Sportfan, richtete im Vorfeld seiner zu erwartenden Neuwahl an die Fachverbände die Botschaft, dass er künftig nur noch Medaillen und keine Ausreden mehr akzeptiere. Die langfristige Aufbauarbeit im Sinne von Nachhaltigkeit macht das nicht leichter.


  • Jugendliche in Tanzania beim Training für den Hürdenlauf. Foto: Thumm
    Jugendliche in Tanzania beim Training für den Hürdenlauf. Foto: Thumm