„Steuerung und Förderung gehören in eine Hand“

In einem Gastbeitrag in der FAZ hat DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester beschrieben, wie eine Trendwende im Leistungssport gelingen kann. Wir haben dazu das folgende Interview mit ihm geführt.

DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester; Foto: DOSB/Frank May
DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester; Foto: DOSB/Frank May

Herr Burmester, in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), der heute erschienen ist, beschreiben Sie, wie nach Meinung des DOSB eine Trendwende im Leistungssport gelingen kann. Was sind die wichtigsten Bausteine? 

Das ist zum einen die Agentur für Leistungssport, eine neue Instanz, in der erstmals Steuerung und Förderung des Leistungssports in Deutschland in einer Hand liegen soll.  

Damit die Agentur erfolgreich arbeiten kann, müssen die Leistungssportförderung auf eine kontinuierlichere Basis gestellt und Rahmenbedingungen angepasst werden.  Daher ist der zweite Baustein die Einführung eines Sportfördergesetzes, das eine langfristigere Finanzierung sicherstellen und damit den Verbänden Planungssicherheit geben kann. Bislang wird die Förderung nur kurzfristig, von Jahr zu Jahr, gedacht und zugesagt, damit ist eine langfristig verbindliche und strategische Trainings- und Wettkampfplanung kaum umzusetzen. 

Warum wird mit der Einrichtung einer Agentur die Trendwende eingeleitet? 

Weil Sport und Politik in dieser Agentur die Kräfte bündeln und damit unnötige Reibungsverluste minimieren könnten. Steuerung und Förderung, und die damit notwendigerweise verknüpfte Verantwortung, Kompetenz und Entscheidungsbefugnis würden an einem Ort zusammengeführt werden. Der Kernpunkt der Agentur in punkto Trendwende ist aus unserer Sicht aber insbesondere, dass die sportfachliche Steuerung im Sinne einer langfristigen Leistungsentwicklung der Athletinnen und Athleten hin zur Weltspitze in den Mittelpunkt rücken muss. Und geleitet von dieser sportfachlichen Ausrichtung können dann Fördermittel zielgerichtet aus einer Hand vergeben werden.  

Die Agentur soll also dazu beitragen, Bürokratie auch deshalb abzubauen, damit sich die Sportdirektoren und -direktorinnen, die Bundestrainer und -trainerinnen und das Leistungssportpersonal insgesamt wieder auf das konzentrieren können, was sie am besten können und wofür sie eigentlich da sind: Athletinnen und Athleten zu entwickeln und auf ihrem Weg in die Weltspitze bestmöglich zu unterstützen. Und eben nicht, überspitzt formuliert, die meiste Zeit damit zu verbringen, Anträge zu schreiben. 

Und wir hätten dann eine Instanz, die sich an der Weltspitze orientieren würde, indem sie Impulse aus erfolgreichen Förderkonzepten anderer Nationen gewinnt und gleichzeitig eigene Ideen aufnimmt. Sie könnte so insgesamt viel flexibler auf aktuelle Trends reagieren und eigene Entwicklungen anstoßen, anstatt sich an ein Fördersystem anzupassen. 

Ist diese Agentur nicht eine Forderung, die die Bundesregierung bereits in ihrem Koalitionsvertrag verankert hat? 

Nein, denn unser Vorschlag geht weit darüber hinaus. Die unabhängige Instanz, die im Koalitionsvertrag aufgeführt ist, ist ausschließlich auf Mittelvergabe fokussiert.  Wir aber sagen, dass sportfachliche Steuerung und Förderung in eine Hand gehören. Dies bedeutet, dass wir einen Paradigmenwechsel in der Spitzensportförderung brauchen: weg von der reinen Fokussierung auf die Mittelvergabe, hin zu einem ganzheitlichen und langfristigen Ansatz bei der Leistungsentwicklung. Denn das ist doch das entscheidende: die langfristige Entwicklung von Spitzenleistungen in den Mittelpunkt zu stellen. 

Wie soll die Finanzierung erfolgen? 

Die Finanzierung der Agentur wird aus unserer Sicht durch die öffentliche Hand erfolgen müssen. Und zwar durch zusätzlich bereitgestellte Mittel. Das werden wir so an die Politik adressieren. 

Das klingt ja alles ganz gut, so richtig greifbar ist es aber noch nicht…  

Ich kann Ihnen heute nicht bis ins kleinste Detail aufzeigen, wie diese Agentur aussehen soll, dafür ist es einfach noch zu früh. Die genaue Ausgestaltung wollen wir in den nächsten Monaten beschreiben und mit dem BMI abstimmen. Klar ist aber, dass bestehende Steuerungs- und Förderelemente und -instrumente, wie beispielsweise PotAS, analysiert, zusammengeführt, und in ein kohärentes Gesamtsystem gebracht werden müssen. Im Status Quo gibt es viele einzelne, eher entkoppelt agierende Elemente, die in aufwendigen, oft parallelen und zum Teil redundanten Prozessen wieder zusammengebracht werden müssen. Das gelingt dann in der Praxis oft weniger gut und führt zu Unzufriedenheit und einem Gefühl von Stillstand oder Sackgasse. Ein Beispiel sind die getrennten Förderverfahren im Bereich des Wissenschaftlichen Verbundsystems Leistungssport und im Bereich der Verbändeförderung.  

Stichwort PotAS... 

Für uns ist es elementar wichtig, PotAS in dieser Agentur zu verankern und im Sinne der Idee der Potenzialanalyse auf den Prüfstand zu stellen und weiterzuentwickeln. 

Heißt das, die Leistungssportreform ist gescheitert? 

So weit würde ich nicht gehen. Aber es ist in den vergangenen Monaten und Jahren deutlich geworden, dass die Weiterentwicklung des Leistungssports in Deutschland feststeckt. In all den Dialogprozessen und Gesprächen, die wir geführt haben, haben wir festgestellt: es wird nicht ausreichen, hier und da an kleinen Stellschrauben zu drehen und hier und da Verbesserungen herbeizuführen. Damit ist eine wirkliche Trendwende nicht zu schaffen. Um den gordischen Knoten zu entwirren, brauchen wir neue Ansätze. Und hier ist meiner Meinung nach der DOSB ganz klar in der Verantwortung, Veränderungen voranzutreiben und bestehende Muster zu hinterfragen und aufzubrechen. Wir müssen und wollen der Motor sein.  

Außenstehende könnten das so interpretieren, dass der DOSB damit seinen Steuerungsanspruch abgibt… 

Das sehe ich anders. Wir nehmen unseren Steuerungsanspruch wahr, indem wir beim Aufbau und bei der Ausgestaltung der Agentur den Rahmen festlegen. Zukünftig wird stärker als bisher die strategische Ebene der Steuerung im Fokus stehen. 

Was für Auswirkungen hat das auf den Geschäftsbereich Leistungssport? 

Mit der unabhängigen Agentur verbinden wir die große Chance, das Profil des Geschäftsbereichs Leistungssport im DOSB zu schärfen und die Wirksamkeit der erbrachten Arbeit für das Gesamtsystem zu erhöhen. Wir befreien ihn vom Rollenkonflikt und schaffen mehr Platz und Raum für Aufgaben, die uns als Dachorganisation zuvorderst zugeschrieben werden: die Weiterentwicklung des Leistungssports insbesondere auf Basis von übergeordneten Konzepten, Beratungs- und Unterstützungsleistungen, strategischer Positionierung und Interessensvertretung. Hinzukommen grundsätzliche Themenfelder wie Wissens- und Innovationsmanagement sowie Digitalisierung und Datenmanagement im Leitungssport. Die Rolle als Nationales Olympisches Komitee und den damit verknüpften Aufgaben des Games Managements im Geschäftsbereich Leistungssport werden wir selbstverständlich behalten.   

Was ist aus dem Plan geworden, einen Pakt für den Sport zu schließen und erstmal die grundsätzliche Frage zu klären, welchen Leistungssport wir eigentlich haben wollen? 

Diese Frage müssen wir und werden wir klären. Deshalb ist im Grobkonzept, das wir mit dem BMI erarbeitet haben, eine Strategie- und Zieldebatte verankert. Dazu werden wir im ersten Quartal 2023 einen Prozess initiieren, der ganzheitlich und differenziert die Ziele des Spitzensports betrachtet. 

(Quelle: DOSB)


  • DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester; Foto: DOSB/Frank May
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