Lernbereit noch mal auf die Schulbank

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) lud zur Bundeskonferenz Sportentwicklung unter dem Motto „Sport bildet - Bildung bewegt“ nach Berlin

Lernen während der Bundeskonferenz Sportentwicklung. Foto: Bildschön
Lernen während der Bundeskonferenz Sportentwicklung. Foto: Bildschön

Bildung, nicht nur die körperliche, ist seit Jahrzehnten eine Aufgabe, der sich der Sport angenommen hat. Die Vermittlung sozialer Kompetenz durch Sport ist ebenso unumstritten wie der integrative Faktor. Doch der Sport schult auch in anderen Bereichen, etwa den sensiblen Blick auf die Umwelt und sein unmittelbares Umfeld. Politik und Gesellschaft erwarten oft geradezu, dass der Sport und seine Organisationen die Heilmittel für alle Problemfelder bereit halten - und überfordern sie damit. Was also tun? DOSB-Präsident Thomas Bach formulierte die Aufgabenstellung für die Kongress-Teilnehmer in zwei Fragen: „Wie lernen wir als Sport? - Was kann der Sport beitragen?“ 

Also drückten die Kongress-Teilnehmer quasi selbst noch mal die Schulbank und zeigten sich lernwillig. So holten sich die Veranstalter Professor Dr. Helmut Willke von der Universität Bielefeld, der über „Sportorganisationen als lernende Organisationen“ referierte. Die Veränderung der Industrie- zur Wissensgesellschaft hat für alle gravierende Folgen, denen man sich stellen müsse. Neues Wissen, Erfahrungen von innen und außen müsse eingearbeitet werden. Und man müsse sich Schwerpunkte und Ziele setzen. Manch einer der Zuhörer mag ein leichtes Schockerlebnis bei dem Vortrag gehabt und sich die Frage gestellt haben: „Ein Ehrenamtlicher als Manager und eine gemeinnützige Organisation als Unternehmen - wie soll das gehen?“ Und auch die Kernthesen des Professors mögen einige aufgeschreckt haben:„ Erst das Zusammenspiel von Lernen der Personen und Lernen der Organisation ermöglicht nachhaltige Transformationen.“ Und: „Hierarchische Steuerung hochkomplexer Organisationen ist nicht möglich.“ Was heißt: Man kann nicht einfach etwas überstülpen, sondern man muss die Mitarbeiter mitnehmen und die geeigneten Strukturen haben, um erfolgreich zu sein. Die Balance zwischen „Bewahren“ und „Verändern“  müsse gefunden werden, um ein agierender Dienstleister zu werden.  

Mit diesen Hinweisen gewappnet gingen die Teilnehmer in Arbeitskreise, die sich mit interkulturellem Lernen im Sport, Herausforderungen des Schulsports, dem Lernen von Sportorganisationen, der Umweltbildung im Sport und der Breitensportinitiative 2020 des LSB Nordrhein-Westfalen beschäftigten. Analysen, Veränderungen und die Folgen - am Beispiel Schule und Sport. Die vielen internationalen Studien, bei denen die Deutschen ihrem Ruf als Land der Dichter und Denker kaum gerecht wurden, lösten eine Reformflut aus - mit schwerwiegenden Folgen: Das Einschulungsalter ist herabgesetzt worden, die Schulzeit verkürzt, aber die Rahmenlehrpläne belassen (G8), und somit hat sich der Schullalltag für Kinder verlängert und den gesamten Alltag verändert. Seit Jahrzehnten versuchten DSB und heute DOSB, dem Schulsport ein Standing in den Köpfen der politisch Verantwortlichen, der Schulbehörden und Schulleiter zu verschaffen. Doch auch die neusten Handlungsempfehlungen zur Kooperation zwischen Schule und Sport, die im letzten Jahr von DOSB und der Sportkommission der Kultusministerkonferenz vorgestellt wurden, sind für viele der Handelnden vor Ort nur eine Goodwill-Aktion, auch wenn der Vorsitzende der KMK-Kommission „Sport“, Burkhard Jungkamp, betont, dass „in den letzten Jahren in diesem Bereich viel passiert“ sei. Am Grünen Tisch sicher, das ist unbestritten. In der Realität? Ein Teilnehmer brachte es auf einen Nenner: „Keine Dienstanweisung, keine Umsetzung.“ 

Deshalb sollen, so eine Forderung aus dem Arbeitskreis, bei den Schulleistungsvergleichen, Bewegung und Sport stärker berücksichtigt werden. Und auch bei den Standards für Schulqualität sind Sport und Bewegung zu integrieren. Argumentationshilfen an dieser Stelle wären beispielsweise die vielen Studien, die belegen, dass regelmäßiger Sport Einfluss nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf Koordination und Konzentrationsfähigkeit und somit besseres  Lernen hat. 

Der lange Schultag hat für viele Kinder zur Folge, dass sie kaum oder gar keinen Sport im Verein mehr machen können. Da sind auch die Fachverbände gefragt - wie es etwa der Deutsche Turner-Bund und nun auch der Deutsche Fußball-Bund getan haben - aktiv zu werden: In die Schulen zu gehen, sich als Kooperationspartner anzubieten. „Da müssen Verbände progressiver werden“, meinte Doll-Tepper auf die Frage, dass zum Beispiel die Spitzenverbände nicht mit einbezogen sind. Auch Schüler und Eltern sollten an Schulsportkonzepten mitwirken, war eine weitere Forderung.  Beispiele aus Rheinland-Pfalz (vorgestellt von Dieter Krieger, DOSB-Präsidialausschussmitglied Breitensport/Sportentwicklung) und Berlin (Dr. Heiner Brandi, Sportjugend Berlin) zeigten, dass es bereits Konzepte gibt, die auch versuchen, die Qualität  des Angebotes zu verbessern sowie die Problematik der Sportstättennutzung und vieles andere zu lösen. Ganzheitlich ist die Betrachtungsweise - deshalb sollten auch Beratungsnetze für alle Beteiligten und Betroffenen ausgebaut werden. 

„Sportunterricht“, sagt Krieger, „ist immer noch bei vielen ein unwichtiges Fach.“ Kernfächer sind wichtig - Musik, Kunst und Sport können vernachlässigt werden - das ist ein Standpunkt, den viele Eltern gerade jetzt wieder einnehmen, wo Bildungshysterie Ängste auslösen. Die alte Bildungsweisheit „mens sana in corpore sano“ sollte deshalb nicht nur Credo für Ärzte und Pädagogen wegweisend sein, sondern auch für die Politik. Doch der Sport, so bedauerte  Gudrun Doll-Tepper, ist  zum Bildungsgipfel in Dresden nicht eingeladen.


  • Lernen während der Bundeskonferenz Sportentwicklung. Foto: Bildschön
    Lernen während der Bundeskonferenz Sportentwicklung. Foto: Bildschön