Leserbrief von Dr. Michael Vesper zu Spiegel-Beitrag "Der Traum vom sauberen Sport“

Als Antwort auf den Beitrag des Magazins "Der Spiegel 38/2007" mit dem Titel "Der Traum vom sauberen Sport“ schrieb der DOSB-Generalsekretär Dr. Michael Vesper folgenden Leserbrief.

Sehr Sehr geehrte Damen und Herren,

seit vielen Jahren ist die Spiegel-Sportredaktion kritischer Begleiter des olympischen Spitzensports und seiner Verbände. Der deutsche Sport verdankt ihr zahlreiche wertvolle Beiträge zur Sportentwicklung und zum Kampf gegen Doping.

In ihrem jüngsten Beitrag berichten die Autoren Werner Franke und Udo Ludwig in einer für Ihr Magazin ungewöhnlichen Form werbender Selbstrezension über ihr Buch „Der verratene Sport. Die Machenschaften der Doping-Mafia“.

Alle in dieser Buchbesprechung dargestellten Fakten sind aus der Sicht des interessierten Beobachters und kenntnisreichen Lesers längst bekannt. Aber auch die Maßnahmen zum avisierten „radikalen Umbau“ des Sportsystems sind in nahezu vollem Umfang bereits ergriffen. Insbesondere der vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) am 9. Dezember 2006 in Weimar verabschiedete 10-Punkte Aktionsplan gegen Doping hat viele der von Ihren Autoren Werner Franke und Udo Ludwig geforderten Initiativen vorweggenommen, was eigentlich als spätes Lob aufgefasst werden dürfte, vermittelten die Autoren nicht beständig den Eindruck, als lägen diese Maßnahmen noch gar nicht auf dem Tisch. So seien aus der Sicht des deutschen Sports zumindest dort Klarstellungen erlaubt, wo die Autoren mit ihrer Darstellung den Eindruck pflegen, der von den Sportverbänden geführte Kampf gegen Doping sei nicht glaubwürdig oder werde nicht ernsthaft geführt.

1.      Unter der Überschrift „Abschreckung durch harte Strafen“ beklagen die Verfasser, dass es beim ersten Doping-Verstoß zu einer Strafe von „nur“ zwei Jahren kommt.  Der DOSB fordert bereits in seinem Aktionsplan vom 9. Dezember 2006, den Welt-Anti-Doping-Code in dieser Hinsicht so zu verändern, dass in schwerwiegenden Fällen schon beim ersten Verstoß gegen die Anti-Doping-Regeln im Sinne einer individuellen Bestrafung eine Höchststrafe von vier Jahren verhängt werden kann.

Diese Forderung wird von vielen internationalen Verbänden mitgetragen und hat Eingang gefunden in die Vorschläge der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zur Reform des Welt-Anti-Doping-Codes (WADC).  Der erste Versuch des Sports zu einer derartigen Verschärfung der Sanktionen im Jahr 2000 war an rechtlichen Bedenken seitens der WADA gescheitert.

Die in diesem Zusammenhang von den Autoren geforderte Kronzeugen-Regelung ist im Übrigen längst Bestandteil des WADC.

2.      Weiter fordern Franke/Ludwig ein „Berufsverbot für Doping-Trainer“. Auch diese Forderung ist alles andere als neu. Entsprechende Maßnahmen haben die dafür zuständigen deutschen Sportfachverbände zusammen mit dem Bundesministerium des Innern bereits in den neunziger Jahren im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten umgesetzt.

Der im Jahr 2006 gegründete Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat Nominierungsgrundsätze für die Olympischen Spiele 2008 verabschiedet, nach denen kein Trainer, Arzt, Physiotherapeut oder Betreuter, der eines Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regularien überführt wurde, in die Olympia-Mannschaft aufgenommen  wird. Der betroffene Personenkreis hat eine entsprechende sanktionsbewehrte Ehren- und Verpflichtungserklärung als Voraussetzung für die Nominierung zu unterzeichnen.

3.      Unter der Überschrift „Totalumbau des Kontrollsystems“ beklagen die Autoren die angeblich fehlende Unabhängigkeit der Kontrollinstanzen gegenüber dem Sport. Es sollte hinlänglich bekannt sein, dass die federführende WADA eine unabhängige Institution ist, die finanziell und personell jeweils hälftig von Sport und Regierungen getragen wird. Ebenso ist die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) unabhängig von den Sportverbänden; in ihren Leitungsgremien sitzen ebenfalls Vertreter der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages.

Die Forderung nach einem „engmaschigen Netz von Zielkontrollen“ wird vom DOSB seit langer Zeit  erhoben. Die NADA hat auf Drängen des DOSB und der Sportfachverbände mit der Einführung eines „intelligenten Kontrollsystems“ reagiert. Diese Form von Zielkontrollen werden im übrigen bei den Olympischen Spielen seit 2002 in verstärktem Maße durchgeführt und haben zur Aufdeckung und Sanktionierung prominenter Fälle wie z. B. Johann Mühlegg geführt. Im Übrigen ist das Kontrollnetz bei Olympischen Spielen enger denn je. Neben den genannten Zielkontrollen werden alle Athleten auf den Plätzen 1 bis 4 bzw. 5 kontrolliert. Daneben finden Trainingskontrollen in oder - und außerhalb des Olympischen Dorfes statt. Dies führt in Peking 2008  zu einer Gesamtzahl von ca. 4.500 Kontrollen. Bei dieser Sachlage zu spekulieren, bei einem „strengen Kontrollsystem gäbe es nicht wie bisher durchschnittlich zehn Doping-Fälle pro Olympia, sondern womöglich einige hundert“, ist reine Polemik. Daher ist auch der von den Autoren ausgesprochene Verdacht, der DOSB sowie die Sportfachverbände seien an Aufklärung nicht interessiert, sachlich haltlos.

4.      Unter der Überschrift „Schärfere Anti-Doping-Gesetze“ greifen die Autoren ebenfalls eine Forderung aus unserem 10-Punkte-Aktionsplan gegen Doping auf. Die auch auf Drängen des DOSB endlich von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Gesetzesänderung erlaubt es nunmehr den staatlichen Behörden, gegen die Hintermänner des Dopings effektiver als bisher zu ermitteln – auch durch die Sportgerichtsbarkeit von Telefonen, Hausdurchsuchungen etc. Damit wird Doping einem Kapitalverbrechen gleichgesetzt. Zugleich sichert dies eine schnelle, harte und international durchsetzbare Bestrafung der gedopten Athleten. Sie muss nicht subjektive Schuld im Einzelfall nachweisen, sondern kann nach dem Prinzip der „strict liability“ und aufgrund durch den WADC erleichterter Beweislast strenger durchgreifen als jedes staatliche Gericht.

Die Forderung der Autoren nach Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften ist ebenfalls dem Aktionsplan des DOSB entnommen.

Ein „Gesetz gegen Sportbetrug“ ist weder notwendig noch juristisch machbar. Die Autoren selbst schreiben, dass Doping nach der Rechtsprechung des BGH „schwere Körperverletzung“ darstellt, also bereits strafbar ist. Die aktuellen Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und von Staatsanwaltschaften zu Doping werden wegen Betruges geführt, die Einführung eines entsprechenden Tatbestandes in das Strafgesetzbuch ist also überflüssig. Im Übrigen müsste ein solcher Tatbestand des Sportbetruges dann jede Manipulation eines sportlichen Ergebnisses erfassen: Bei der „Schwalbe“ im Strafraum müsste dann die Staatsanwaltschaft tätig werden (womöglich schon der im Stadion als Zuschauer sitzende Staatsanwalt Sofortmaßnahmen ergreifen).

5.      Auch mit dem Thema „Prävention statt späte Beichten“ wird eine Forderung und Maßnahme des DOSB aufgegriffen Der DOSB hat den von den Autoren zitierten Frank Busemann ebenso wie Meike Evers (Olympiasiegerin und Kriminalkommissarin) zu Anti-Doping-Vertrauensleuten ernannt. Da bisher noch niemand von sich aus auf diese erfolgreichen Sportler zugegangen ist, wenden sich beide nun in Eliteschulen des Sports und anderen sportlichen Einrichtungen den Athleten zu. Frank Busemann hat im Übrigen auch an entsprechenden Gesprächen mit Erik Zabel teilgenommen.

Die darüber hinausgehende Generalprävention liegt im Übrigen in den Händen der NADA, die diesbezüglich auch mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammenarbeitet.

Zur Kenntnisnahme fügen wir Ihnen folgende, bereits veröffentlichte und für jedermann zugängliche Dokumente bei:

1.      Den Startet den Datei-Download10-Punkte Aktionsplan gegen Doping verabschiedet von der Mitgliederversammlung des DOSB am 9. Dezember 2006 in Weimar.

2.      Den Maßnahmenkatalog von BMI und DOSB vom 28. Mai 2007.

3.      Die Nominierungsrichtlinien für die Olympia-Mannschaft 2008, verabschiedet vom Präsidium des DOSB am 24. Juli 2007 in Frankfurt/Main.