Experten aus Breiten- und Leistungssport sowie aus der Wissenschaft sind zu dem Ergebnis gekommen: Gerade Mädchen und Frauen ist die selbstverständliche Teilnahme an sportlichen Aktivitäten außerhalb des Behinderten- und Rehabilitationssports oftmals verweigert, insbesondere im Bereich Breitensport existiert ein noch zu geringes Angebot.
Im Sport der Nichtbehinderten steht die Genderproblematik schon seit Jahren im Focus der praxis- sowie wissenschaftsorientierten Arbeit und Forschung. Bei der sportlichen Situation der Mädchen und Frauen mit Behinderung bestehe aber noch besonderer Diskussionsbedarf, weiß PD Reinhild Kemper von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Die Tatsache, dass durch den Sport viele soziale Kontakte geknüpft werden können, das Selbstwertgefühl der betroffenen Personen gesteigert werden kann, macht die Notwendigkeit deutlich, Frauen und gerade auch junge Mädchen mit einer Behinderung frühzeitig die Teilnahme an einem ansprechenden sportlichen Angebot im Sinne der Inklusion zu ermöglichen“, sagt Reinhild Kemper, die das Thema stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken möchte.
Erst 2009 hat Deutschland mit der Zustimmung zu der UN-Behindertenrechtskonvention die Rechte von Menschen mit Behinderung mit dem Ziel der Chancengleichheit gesetzlich verankert. Die Jenaer Wissenschaftlerin sieht in Aktionsplänen der einzelnen Länder hinsichtlich der UN-Behindertenrechtskonvention einen wichtigen Schritt hin zu Chancengleichheit.
„Ich hoffe sehr, dass viele der gut durchdachten und sinnvollen Empfehlungen und Handlungsstrategien nicht der finanziellen Notlage der Bundesländer zum Opfer fallen, denn Menschen mit einem Handicap unterliegen immer noch Benachteiligungen im Beruf oder in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, sagte Reinhild Kemper. „Gesetzliche Ansprüche schaffen leider noch keinen umgehenden Paradigmenwechsel.“
Doch nicht nur die Politik oder der organisierte Sport seien aufgefordert, sich sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene mit dieser Thematik im Behindertenbereich auseinanderzusetzen. Auch Eltern müssten dazu ermutigt werden, ihre Kinder mit einer Behinderung frühzeitig an den Sport heranzuführen.
Frankfurt: Sportangebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen
Viele Kinder und Jugendliche mit Behinderungen möchten sportlich aktiv werden, finden jedoch in Wohnortnähe keinen Verein, der ihnen dies ermöglicht. So ist es oft zu hören. Auch in Frankfurt hat das reichhaltige Sportangebot hier bislang eine Lücke. Das Sport-amt der Stadt will das ändern. Ein Beispiel auch für andere.
Gibt es tatsächlich nur so wenige Sportangebote für Kinder mit Behinderungen? Oder sind sie nur nicht bekannt? Welche Gründe gibt es dafür – und mit welchen Unterstützungsmaßnahmen könnte man es ändern? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen und vor allem mehr Vereine dafür zu gewinnen, ihre Sportangebote für junge Menschen mit Behinderungen zu öffnen, hat das Sportamt Frankfurt im März 2010 zusammen mit dem vierteljährlichen Infodienst „Frankfurter Sport-News“ einen Fragebogen an die Frankfurter Sportvereine verschickt. Darin konnten sich Vereine per dazu bereit erklären, über Sportangebote für Kinder/Jugendliche mit Behinderungen ins Gespräch zu kommen.
Mehrere Vereine, die sich gemeldet hatten, wurden gemeinsam vom Sportamt Frankfurt und dem Amt für Gesundheit im Oktober 2010 zu einem Gespräch eingeladen, um gemeinsam zu über-legen, wie Sportmöglichkeiten und -angebote für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen neu aufgebaut oder ausgeweitet werden können. Auch der Sportkreis Frankfurt nahm teil. Das Sport-amt stellte ein Info-Papier vor, das Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zeigt, Sportan-gebote für Kinder mit Behinderungen zu organisieren (Behindertensport, Rehabilitationssport, Öffnung vorhandener Sportangebote) und auch finanzielle Förderung dafür zu erhalten. Eine Kurzfassung dieses Papiers wurde im Dezember 2010 mit den „Sport-News“ an alle Frankfurter Sportvereine verschickt und auch bei der Mitgliederversammlung des Sportkreises ausgelegt.
Es zeigte sich, dass für die Vereine vor allem folgende Information wichtig ist: „Es ist unkompli-zierter als gedacht, bestehende Sportangebote für Kinder/Jugendliche mit Behinderungen zu öffnen: Die jungen Menschen können einfach als Mitglieder in den Verein aufgenommen werden und am Sportangebot teilnehmen. Besondere Anforderungen sind nicht zu erfüllen. In Frankfurt kann die gesundheitliche Eignung der Jugendlichen für eine Sportart im Vorfeld im Amt für Gesundheit festgestellt werden, das im Bedarfsfall auch bei der Vermittlung unterstützender Maßnahmen behilflich sein kann.“ Natürlich stehe jedem Verein auch der anspruchsvollere Weg offen, besondere Sportangebote eigens für junge Menschen mit Behinderung zu organisieren. Hierfür sind gewisse Anforderungen zu erfüllen, z.B. eine Ausbildung im Behindertensport.
In den „Sport-News“ vom Dezember 2010 wurden die Vereinsvorsitzenden Frankfurter Sport-vereine gebeten, einen ersten Schritt zu tun und einzelne der im Amt für Gesundheit betreuten Kinder/Jugendlichen mit Behinderung in eine bestehende Sportgruppe aufzunehmen. Eine Ansprechpartnerin im Amt für Gesundheit kann Kontakte herstellen, bei Bedarf unterstützen oder bei Fragen der Bezuschussung durch das Jugendamt behilflich sein.
Ein wünschenswerter größerer Schritt mit Außenwirkung wäre es, heißt es im Sportamt, wenn Vereine ihre integrativen Sportangebote in die Vereinsdatenbank der Stadt Frankfurt am Main (auf www.frankfurt.de ) aufnehmen ließen, wo sie dann für die Zielgruppe „Behinderte“ angezeigt würden. Solche Sportangebote können „auf eigene Faust“ unkompliziert gefunden werden. Dies sei besonders wichtig für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und deren Familien, die zeitlich oftmals sehr beansprucht sind. Für Vereine, die ein integratives Sportangebot für die Datenbank anmelden möchten, gibt es eine Ansprechpartnerin im Sportamt der Stadt Frankfurt, die für Fragen zur Verfügung steht und bei der Suche nach Unterstützung behilflich ist.
Seit Beginn der Aktion im Herbst 2010 haben sich bereits weitere Vereine gemeldet. Sie wurden mit ihren integrativen Sportangeboten in die Datenbank gestellt. Der Sportkreis Frankfurt unterstützt die Bemühungen weiter: „Wir hoffen auf viele weitere integrative Sportangebote, damit die Sportwünsche der Kinder erfüllt werden können.“