Gold für Boll, Silber für Ying
Timo Boll hat die Erfolge der Tischtennisspieler bei den European Games in Minsk mit der Goldmedaille im Einzel gekrönt. Im Einzelturnier der Damen unterlag Ying Han im Finale und gewann Silber.
Boll bezwang in einem umkämpften und spannenden Finale den Dänen Jonathan Groth, der zuvor schon mit seinen gewaltigen und risikoreichen Schlägen Titelverteidiger Dimitrij Ovtcharov von der Platte geschickt hatte. Beliebt ist Boll ohnehin auch in Weißrussland. Das Publikum feierte ihn auch hier: Ein Weltklassespieler, dazu ein tadelloser Sportler, fair und Vorbild für seinen Tischtennissport, der auch in der Halle in Minsk keinen Autogrammwunsch ausschlug. Nun hat Timo Boll noch einmal gezeigt, zu welch taktischer Raffinesse er zudem fähig ist.
Schon beim Einspielen habe er am den Oberschenkel gespürt. Gegen den furios beginnenden Groth verlor er klar den ersten Satz und konnte nur mit Glück und nach hohem Rückstand ausgleichen. Er habe anfangs versucht, selbst Gas zu geben, aber Groth habe ihn weite, tiefe Wege geschickt. "Das habe ich gespürt", sagte Boll. "Da war Alarmstufe rot bei mir." Also änderte er seinen Plan.
Eigentlich sei es unangenehm, so an der Platte zu stehen, räumte Boll ein. "Das ist auch für den Gegner schwierig, gegen einen zu spielen, der er probiert, aber nicht ganz fit ist und komische Schläge spielt." Das fühle sich irgendwie falsch an. Einerseits wollte er kein Risiko gehen und möglicherweise für den Mannschaftswettbewerb ausfallen, "aber ich wollte auch nicht aufgeben. Irgendwie hat's funktioniert."
Er habe Rezepte gefunden, habe versucht, kreativ zu sein, auch mal den Belag zu drehen, andere Aufschläge als normalerweise gespielt. "So habe ich probiert, den Gegner aus dem Konzept zu bringen. das Tempo rauszunehmen, dabei den Körper ein bisschen zu schonen". Groth jedenfalls verlor komplett seinen Faden, und Boll hatte in den letzten drei Sätzen fast leichtes Spiel.
Routine spiele natürlich eine Rolle, sagte der Sieger. "Für Jonathan wäre es der erste große Titel gewesen, da kommt natürlich mehr Stress auf als bei mir, der hierher gekommen ist, um sich erstmal über die Mannschaft für Olympia zu qualifizieren. Das hat Priorität." Zur Not, erklärte Boll, hätte er dafür gar den Einzeltitel geopfert. Doch dann fand er typisch Bollsche Wege zum Gold.
Mit einem Mix aus Routine und Kampfkraft gewann Ying Han die Silbermedaille. Ihr taktischer und emotionaler Höhepunkt war allerdings das Halbfinale gegen Xiaoxin Yang aus Monaco, das sie in sieben nervenaufreibenden Sätzen 4:3 gewann. Dabei musste die Defensivspezialistin im entscheidenden Satz noch einem 2:5-Rückstand hinterherrennen.
Danach war sie emotional leer, erklärte die Spielerin. Vier Sätze lang schien ihr im Finale ein weiterer Kraftakt gelingen zu können, doch dann setzte sich die Gegnerin Fu Yu aus Portugal durch. "Jetzt bin ich erstmal enttäuscht", sagte Han - und konnte doch schon wieder lachen. Die Olympiaqualifikation sei ja das eigentliche Ziel gewesen. Und deshalb wird auch sie noch einmal alle Kräfte bündeln. Auch die Damenmannschaft hat in Minsk noch Großes vor.
Schnellfeuerschütze Geis holt Gold
Bei der Premiere vor vier Jahren in Baku war er Dritter geworden. Jetzt hat Oliver Geis mit der Schnellfeuerpistole Gold bei den 2. European Games gewonnen. Christian Reitz, der 2015 Gold schoss, landete diesmal auf Rang fünf.
Auch im Finale mit der Sportpistole waren die deutschen Schützen zweimal vertreten: Monika Karsch wurde Fünfte, einen Rang vor Doreen Vennekamp.
Oliver Geis überraschte sich im Finale selbst. Denn mit der eigenen Leistung in der Qualifikation war er gar nicht zufrieden. Zwar sprang schließlich Position drei heraus, aber das Ergebnis von 581 Ringen behagte Greis nicht. Da war Kollege Reitz noch in großer Form gewesen: Mit 588 Ringen stellte er einen Rekord für Europaspiele auf. Doch dann erwischte der Olympiasieger keinen guten Start und schied nach nur einem Treffer in der letzten Runde als Fünfter aus.
Geis dagegen konnte sich steigern, schaffte insgesamt drei Fünferserien und siegte mit 33 Treffern, ebenfalls neuer Rekord für Europaspiele. Da setzte sich offenbar auch die Erfahrung durch, denn die jungen Franzosen Jean Quiquampoix und Clement Bessaguet blieben mit glänzenden Serien dicht dahinter - bis auf die letzte. "Ich war einfach gut drauf in den letzten Wochen", sagte Geis. Das gibt offenbar die nötige Ruhe für den Erfolg.
Die Sportschützinnen konnten die Hoffnung auf weiteren zählbaren Erfolg nicht erfüllen. Monika Karsch gewann zwar die Qualifikation mit 589 Ringen, auch dies ein European-Games-Rekord, ein starkes Ergebnis, auf das die Schützin selbst "saustolz" war. Auch Doreen Vennekamp erreichte noch Rang sieben und damit das Finale. Dort fingen beide gut an, konnten den Schwung aber nicht halten und schieden nacheinander vor den Medaillenentscheidungen aus.
"Generationenboot" Hoff/Schopf holt Gold, Brendel Bronze
Am ersten Finaltag der Kanusprint-Wettbewerbe bei den zweiten Europaspielen in Minsk haben die deutschen Sportler*innen überzeugt und zwei Medaillen geholt.
Max Hoff (36) und Jacob Schopf (19) feierten dabei den größten Erfolg. Ein fulminanter Schlussspurt brachte die Beiden von Platz vier auf eins. Ein Rennverlauf, den sich die beiden genau so ausgemalt hatten, denn Hoff plagten die letzten Tage eine Magen-Darm-Verstimmung und auch Schopf war nach harten Trainingstagen im Vorfeld noch nicht bei 100 Prozent seiner Kräfte. Dass es dann trotzdem zur Goldmedaille reichte, machte beide glücklich. "Wir sind super happy. Wir hatten drei Tage, die nicht so leicht waren. Mir ging es körperlich überhaupt nicht gut und daher sind wir gleich doppelt glücklich, dass wir es trotzdem geschafft haben", sagte Hoff, der morgen zum Abschluss noch die 5000 Meter fährt.
Kein ganz einfaches Rennen hatte C1-Olympiasieger Sebastian Brendel, obwohl ihn der starke Wind als Linksschläger nicht ganz so zu schaffen machte. Mit Bronze war er dennoch zufrieden. "Ich kann mit dem Rennen ganz gut leben. Habe eine Medaille geholt, die mir sicherlich Selbstvertrauen für die WM gibt." Bei den Weltmeisterschaften geht es dann Ende August um die Quotenplätze für die Olympischen Spiele in Tokio. Brendel fuhr im Finale immer vorne mit, konnte aber den Schlusspurt des Polen Tomasz Kaczor und des Russen Kirill Schamschurin nicht mitgehen.
Zudem gab es noch zwei vierte Plätze durch den K2 der Frauen mit Steffi Kriegerstein und Jasmin Fritz und den C2 der Männer mit Yul Oeltze und Peter Kretschmer.
Freistilringer Ahmed Dudanov gewinnt Bronze
An ausgelassenen Jubel war in den Sekunden seines größten sportlichen Erfolges erst einmal nicht zu denken für Freistilringer Ahmed Dudanov. Ein kleiner Fingerzeig zur Hallendecke musste reichen, dann sank Dudanov auf die Knie. Zu kräfteraubend war sein Duell in der Klasse bis 86 kg gegen den Vizeweltmeister Fatih Erdin (Türkei) im Kampf um die Bronzemedaille bei den zweiten Europaspielen in Minsk gewesen.
Dudanov hatte bis zum Schluss einen fantastischen Fight geliefert. Über weite Strecken des Kampfes lag er zurück, glich erst kurz vor Schluss aus, um dann mit der letzten Aktion den 10:8-Erfolg einzufahren. Nach der Siegerehrung war Dudanov dann wieder bei Kräften, seine Gefühle hatte er aber noch nicht wieder ganz sortiert: "Meine Gefühle sind gerade unbeschreiblich. Das ist meine erste Medaille auf der internationalen Ebene. Das beflügelt mich", sagte er.
Bei den Frauen musste Nina Hemmer eine 2:10-Niederlage gegen die Schwedin Mattsson hinnehmen und kämpft morgen um Bronze.
Ornella Wahner überraschend früh ausgeschieden
Die Boxer des European Games Team Deutschland sicherten sich an diesem Wettkampftag mit dem Einzug in drei Halbfinals drei Medaillen.
Der Box-Tag begann mit Amateur-Weltmeisterin und Titelfavoritin Ornella Wahner in der Gewichtsklasse bis 57 Kilo. Die Athletin fand jedoch zu keinem Zeitpunkt richtig in den Kampf, sodass letzten Endes eine 1:4- Niederlage im Viertelfinale gegen Michaela Walsh aus Irland zu Buche stand. Nadine Apetz gewann ihr Viertelfinale souverän in der Klasse bis 69 Kilo gegen Vivien Budai aus Ungarn mit 5:0.
Bei den Männern machte Sharafa Raman in der Gewichtsklasse bis 56 Kilo den Anfang. Er schaffte nach einem intensiven Kampf gegen Artyush Gomtsyan aus Georgien den Einzug ins Halbfinale. Die dritte sichere Medaille sicherte Nelvie Tiafach im Schwergewicht über 91 Kilo- Er schlug seinen Gegner Gurgen Hovhannisyan aus Armenien.
Bei den Frauen bis 75 Kilo verlor Sarah Scheurich 1:4 gegen Rechtsauslegerin Elsbieta Wojcik aus Polen. Bei den Männern bis 60 Kilo reichte es für Hamsat Shadalov im Viertelfinale nicht für einen Sieg gegen Gabil Mamedov aus Russland. Im letzten Kampf mit deutscher Beteiligung unterlag Abdulrahman Abu Lubdeh (bis 81kg) 1:4 gegen Benjamin Whittaker aus Großbritannien.
Yvonne Li steht im Badminton-Achtelfinale
Yvonne Li hat auch im dritten Gruppenspiel ihre weiße Weste behalten. Sie schlug Rachael Darragh aus Irland mit 2:0-Sätzen und steht damit im Achtelfinale morgen. Das Männer-Doppel mit Mark Lamsfußund Marvin Seidel unterstrichen ihre bereits feststehende Viertelfinal-Qualifikation mit einem weiteren Sieg gegen Alex Vlaar und Dimitar Yanakiev aus Bulgarien. Im Viertelfinale steht Lamsfuß nauch mit seiner Mixed-Partnerin Isabell Herttrich.
Einen versöhnlichen Abschluss feierte das Frauen-Doppel mit Lara Käpplein und Johanna Goliszewski. Es gewann gegen die Tschechinnen Michaela Fuchsova und Alzbeta Basova und holte damit den ersten Sieg in Minsk, was am Aus in der Vorrunde aber nichts mehr änderte.
Für den deutschen Einzelstarter Alexander Roovers endeten die European Games mit einer verletzungsbedingten Aufgabe im letzten Gruppenspiel.
Bogenschützen*innen beenden die European Games ohne weitere Medaille
Als letzte deutsche Starter*innen sind heute Michelle Kroppen und Janine Meissner vor den Medaillenentscheidungen bei den European Games ausgeschieden. Die Recurve-Bogenschützin Kroppen unterlag im Achtelfinale der Italienerin Boari mit 2:6. Im Compund-Wettbewerb gab es für Janine Meissner ebenfalls eine Niederlage. Im Viertelfinale unterlag sie der Türkin Yesim Bostan mit 139:145-Ringen.
Deutsche Leichtathleten ziehen ins Finale ein
Das deutsche Leichtathletik-Team hat sich als Dritter seines Halbfinals für das Finale am Samstag qualifiziert.
Zwischenfazit: Durchwachsenes sportliches Ergebnis
Bevor der Tag so medaillenglänzend endete, hatte Chef de Mission Uschi Schmitz ein durchwachsenes Fazit der Euroean Games gezogen. Zwar hatte der DOSB keine Medaillenerwartung genannt, sondern vor allem auf die Möglichkeiten geschaut, sich für die Olympischen Spiele im kommenden Jahr in Tokio zu qualifizieren. Noch seien gar nicht alle Disziplinen angetreten; und einige aussichtsreiche Wettkämpfe stehen noch aus. Aber schon jetzt lasse sich sagen: Das Ergebnis sei steigerungsfähig und bleibe hinter den Erwartungen zurück, sagte sie.
Insbesondere Judo blickt auch sehr selbstkritisch auf die eigenen Ergebnisse in Minsk. Einige Kämpfer schieden früher als erwartet aus. Und allein sechs von sieben Kämpfen um eine Medaille gingen verloren. Die Judoka wollen darauf Lehren vor allem für die Weltmeisterschaften im Sommer ziehen.
Andererseits hätte eine Sportart wie 3x3-Basketball der Frauen die Premiere ihres Wettkampfes bei den Spielen genutzt, um auf ihre junge Disziplin aufmerksam zu machen. Die jungen deutsche Mannschaft, die erstmals zusammenspielte, scheiterte nur knapp an einer Medaille.
Das European Games Team Deutschland habe in Minsk perfekt organisierte Spiele vorgefunden. Alles laufe reibungslos und guten Sportstätten, sagte Uschi Schmitz. Zudem habe sich Team Deutschland sehr gut präsentiert.
Quelle: DOSB