Mit Digitalisierung zu mehr Nachhaltigkeit?

Die aktuelle Ausgabe von "Sport schützt Umwelt" des DOSB lenkt den Fokus auf den Megatrend Digitalisierung. Eine fünfteilige Serie betrachtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven.

Der Betrieb des Internets und internetfähiger Geräte verursacht so viel CO2 wie der innerdeutsche Flugverkehr. Foto: picture-alliance
Der Betrieb des Internets und internetfähiger Geräte verursacht so viel CO2 wie der innerdeutsche Flugverkehr. Foto: picture-alliance

Im fünften und letzten Teil zur Serie zum Thema Digitalisierung beleuchtet ein Gastbeitrag des Deutschen Naturschutzrings die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung aus Sicht der Umweltverbände und verdeutlicht beispielsweise die Auswirkungen der Nutzung von Streamingdiensten.

Die Digitalisierung hat gesamtgesellschaftliche Auswirkungen, die in der öffentlichen Debatte zunehmend kritisch hinterfragt werden. Aus Sicht der Umweltverbände stellt sie Chance und Herausforderung zugleich dar. Zum einen kann die Förderung neuer digitaler Technologien zur überfälligen nachhaltigen Energie- und Verkehrswende beitragen. Eine wachsende Zahl von Akteur* innen sieht die Digitalisierung sogar als einen entscheidenden Schlüssel zur Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs). Die Energiewende kann beschleunigt werden, indem über digitale Plattformen Erzeugungs-, Netz-, Speicher- und Verbrauchsdaten für einen optimalen Ausgleich zwischen Stromangebot und -nachfrage herangezogen werden. Im Bereich Mobilität bietet der sinnvolle Einsatz Chancen, eine ökologische Verkehrswende zu erreichen. Es erscheint möglich, die Anzahl privater Pkws deutlich zu reduzieren. So machen beispielsweise mobile Apps die flexible und einfache Nutzung verschiedener Mobilitätsangebote und deren Kombination möglich. Bei einem sinnvollen Einsatz bringt dies den Fahrgästen eine höhere Flexibilität, eine bessere Steuerung der Kapazität eng an der Nachfrage und ermöglicht eine bessere Auslastung von vorhandenen Verkehrsangeboten, ohne pauschal zusätzliche Infrastruktur schaffen zu müssen.

Zum anderen zeigt sich in der Praxis, dass durch sogenannte Rebound-Effekte die bestehenden Chancen wieder zunichte gemacht werden können und Umweltrisiken entstehen. Der stetige Zuwachs der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien, die steigende Anzahl an Geräten, deren steigende Leistung und Vernetzung bedeuten einen deutlichen Anstieg des Stromverbrauchs. Weitere Umweltwirkungen entstehen durch den enormen Rohstoffverbrauch für die immer zahlreicher produzierten und in Verkehr gebrachten Elektrogeräte, die in immer kürzeren Innovationszyklen und für immer mehr Anwendungen zu finden sind. Hinzu kommt die Zunahme geplanter Obsoleszenz bei Hard- und Software in „smarten“ Geräten. Dies führt zu ökologischen Schäden im Rohstoffabbau und Menschenrechtsverletzungen wie Kinderarbeit, unzureichende Löhne und fehlender Arbeitsschutz in den Fertigungsbetrieben. Global verzweigte und hoch spezialisierte Lieferketten sowie kurze Innovations- und Lebenszyklen in dieser Branche stellen große Hürden für die Einführung nachhaltiger Produkte dar. Allein in einer Computer-Maus sind mehr als 50 Materialien enthalten und über 100 Unternehmen an der Herstellung beteiligt. Die genaue Berechnung der Rohstoff- und Stromverbräuche gestaltet sich schwierig, da schwer zu sagen ist, wo genau das Digitale aufhört und das Analoge anfängt. Die Verflechtungen von digitalen und analogen Technologien kommen überall zum Einsatz. Als Hybridlösungen sind sie im Smart Home oder in Pkws, in denen immer mehr digitale Komponenten verbaut werden, zu finden. Zugleich erhöhen ständige Innovationen die Energieeffizienz. Von Google eigens entwickelte Prozessoren sorgten für einen deutlichen Zuwachs bei der Rechenleistung, wobei sie nur einen Bruchteil des Stroms herkömmlicher Prozessoren brauchen und somit die Betriebskosten des Unternehmens reduzierten.

Klar messbar ist, dass die Internetnutzung rasant zunimmt. Um den steigenden Bedarf zu decken, werden weltweit im Akkord neue Rechenzentren gebaut und der Energiebedarf potenziert sich. Schon heute wird durch den Betrieb des Internets und internetfähiger Geräte in Deutschland so viel CO2 wie durch den innerdeutschen Flugverkehr verursacht. Wäre das Internet ein Land, hätte es den dritthöchsten Stromverbrauch und läge damit direkt hinter China und den USA. Die Treiber hinter der Nachfrage nach Bandbreite und damit auch des Stromverbrauchs der Rechenzentren sind Streamingdienste, Videoplattformen und Mediatheken. Wobei genaue Angaben über den Stromverbrauch schwierig sind, da die Betreiber ihre Geschäftsdaten und somit auch ihre Energiekosten nicht offenlegen. Klar ist aber, dass der steigende Stromverbrauch auf private Nutzer* innen zurückzuführen ist, die besonders oft und gerne unterschiedliche Medienangebote nutzen. Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie für Deutschland liegt die tägliche Nutzungsdauer für Sehen bei 42 Minuten, für Hören bei 38 Minuten und für Lesen von Texten bei 28 Minuten. Jährlich steigt die Nutzungsdauer gerade bei den Videos.

Da die Anbieter von Videostreaming und Musikstreaming immer höhere Auflösungen bereitstellen, um neben der Tonqualität vor allem die Bildqualität für ihre Nutzer* innen zu verbessern, sind die Datenmengen besonders groß. Das benötigt viel Speicherkapazität in den Rechenzentren und viel Energie bei der Übertragung. Hinzu kommt, dass die Geschäftsmodelle von 11 Netflix, Amazon Prime und anderen darauf basieren, dass die Nutzer* innen so lange wie möglich auf der Seite verbleiben und dementsprechend mehr Inhalte konsumieren. Durch das Design der Videostreamingdienste wird den Nutzer* innen als Grundeinstellung per se die höchste Bildauflösung angeboten, obwohl das oft, etwa beim Sehen auf dem Smartphone, unnötig ist. Flatrates und ein schneller, einfacher Zugang heizen den Konsum zusätzlich an. Laut einer Studie von Cisco wird ein weiterer Anstieg des Videostreamings weltweit vorausgesagt. Im Bereich Video-on-Demand wird erwartet, dass sich die aktuell circa 200 Millionen Nutzer* innen bis ins Jahr 2022 verdoppeln werden. Bereits 2021 wird der Datendurchsatz zu knapp 82 Prozent nur aus Streaming bestehen. Das steigert Wachstum und Stromverbrauch der Rechenzentren und da diese selten durch erneuerbare Energien gespeist werden, tragen sie immer weiter zum CO2 -Ausstoß bei.

Die Verantwortung für den großen CO2 -Fußabdruck des Internets liegt nicht allein bei den Nutzer* innen. Ohne Reglementierung geht die Entwicklung in die falsche Richtung und dafür ist die Politik gefragt, die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine ressourcenschonende Digitalisierung voranzutreiben. Dazu gehört, dass die Server energieeffizienter betrieben werden müssen. Videostreaming-Dienste sollten ihr Design nachhaltiger gestalten, so dass die Nutzer* innen nicht unnötig die höchstmögliche Auflösung konsumieren. Ein weiteres Ziel ist, ein mit erneuerbaren Energien betriebenes Internet zu fördern. Das ist möglich, wie immer mehr IT-Unternehmen zeigen, die sich verpflichten, ihre Dienste zukünftig nur noch mit Strom aus Erneuerbaren Energien zu betreiben.

(Quelle: DOSB/"Sport schützt Umwelt", Ausgabe Nr. 131)


  • Der Betrieb des Internets und internetfähiger Geräte verursacht so viel CO2 wie der innerdeutsche Flugverkehr. Foto: picture-alliance
    Serveransicht mit Kabeln Foto: picture-alliance