Fast an jeder Wand in dem langem Flur hängt ein Bild, wo junge Menschen gemeinsam Fußball- oder Basketball spielen. Bei oberflächiger Betrachtungsweise scheint nichts Außergewöhnliches daran zu sein. Doch wer diese Fotos einmal ganz genau in den Augenschein nimmt, der erkennt schnell, dass hier etwas wirklich besonders passiert. Man sieht junge Menschen, die sonst nichts miteinander zu tun haben wollen. Kids, die durch hohe, undurchlässige Grenzen getrennt sind, laufen plötzlich in einem Trikot, in einer Mannschaft über den Platz. Mitspieler, die womöglich irgendwann gegeneinander in den Krieg gezogen wären. Nun aber spielen sie Fußball oder Basketball. Sie schießen Tore, machen Punkte, gewinnen und verlieren, freuen und ärgern sich. Kids aus Israel und dem Gazastreifen, Israelis und Palästinenser aus dem Westjordanland oder den Flüchtlingslagern, Israelis mit Syrern und Jordaniern.
Kinder entdecken durch den Sport Gemeinsames
Bereits seit sechs Jahren gelingt dem von der Regierung unabhängigem Peres-Center das, was die meisten Menschen in dieser Region für unmöglich halten. Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 13 Jahren aus Israel und den Nachbarländern entdecken durch den Sport viel Gemeinsames. „Am Anfang waren wir selber ein wenig überrascht und hatten uns das wirklich schwieriger vorgestellt“, erklärt Gal Peleg, der Leiter des Sportreferats des Peres-Centers. Dass junge Israelis mit Arabern Sportteams bilden und zudem noch Freunde werden können, klang fast schon ver-rückt. „Die meisten Eltern der palästinensischen Nachwuchssportler haben anfänglich ja gar nicht geglaubt, dass ihre Söhne und Töchter mit Israelis Fußball oder Basketball spielen. Die dachten, die erhalten eine Art politische Gehirnwäsche“, erinnert sich Gal Peleg an die Projektanfänge im Jahr 2002. Der 26 Jahre alte sportliche Leiter des Peres-Centers war jedoch von Anfang an von der grenzüberschreitenden und verbindenden Kraft des Sports überzeugt. Beharrlich baute er seine Abteilung auf. Pelg, der an der Uni Jerusalem Konfliktmanagement studiert hat, fand Unter-stützter aus dem In-und Ausland, auch finanziell. Er gewann achtzig Trainer in allen beteiligten Ländern und (aktuell) 34 Schulen auf arabischer wie israelischer Seite, die sich an dem Projekt teilnehmen. Alle zwei Wochen treffen sich die Athleten aus den beteiligten Partnerschulen („Twinned Peace Sport Schools“), um in einem Team einen ganzen Nachmittag Fußball oder Basketball zu spielen. Dazwischen üben sie mit ihren Trainern an ihrer Heimatschule für das sportliche Treffen. Sie treten auch gemeinsam gegen andere Teams an. Im Jahr 2006 beteiligte sich eine Mannschaft aus diesem Projekt an dem Streetball-Turnier in Berlin, das begleitend zur WM ausgetragen wurde
Sportprogramm wegen des Krieges zunächst eingestellt
Bis zum Ausbruch des Gazakrieges vor drei Wochen haben sich insgesamt rund 2.000 junge Sportler regelmäßig an dem Sportprojekt beteiligt. In einer Region, in der nichts normal und einfach ist, gibt es natürlich immer Besonderheiten. Das gilt auch für den Sport. Die Mixed-Teams trafen sich immer in Schulen in Israel und nie umgekehrt. „Ja, das war und ist ein Problem“, gibt Peleg zu. Aber es ginge nicht anders, fügt er an. Israelis sei es de facto verboten, nach Palästina zu reisen oder es wird ihnen sehr, sehr schwer gemacht. Zudem könne das Peres-Center für Israelische Sportler in Syrien, Jordanien oder Palästina nicht die Sicherheit garantieren, die sie brauchen. Deshalb müssen die arabischen Nachwuchssportler immer nach Israel einreisen. Dafür hat das Peres-Center sogar extra einen Visabeauftragten angestellt. Denn jeder Besuch eines Sportlers aus Palästina muss bei der israelischen Armee zunächst angemeldet und dann genehmigt werden.
Nun aber ist die Sportarbeit des Peres-Centers zunächst einmal eingestellt. Das israelische Verteidigungsministerium hat im Umkreis von 40 Kilometern zum Gazastreifen sowie zum Westjordanland alle Schulen geschlossen und jegliche Outdoortätigkeit untersagt. Das trifft die allermeisten der Sportprojekte des Peres-Centers, die nämlich genau in diesen Grenzgebieten ansässig sind. In Sderot zum Beispiel, eine israelische Kleinstadt unweit des Gazastreifens, die bis zur ausgerufenen Waffenruhe am Montag ständig unter Beschuss stand.
Dialog auf den Zuschauerrängen
Doch wie waren eigentlich die Reaktionen, wenn junge Israelis und Araber sich zum ersten Mal auf einem Sportplatz sahen und ein gemeinsames Sportteam bilden sollten? Gal Peleg erklärt den Plan. Zunächst wurden die Sportler auf beiden Seiten von ausgebildeten Coaches auf diese besondere Situation vorbereitet. Dennoch herrschte am Anfang natürlich viel Nervosität, Angst und große Unsicherheit. Aber das legte sich schnell, wenn ein Ball ins Spiel kam. „Gerade Fußball ist in selbst verfahrenen Konfliktsituationen ein barrierearmes Medium. Vor allem junge Israelis waren oft überrascht, dass ihre neuen Mitspieler wie ganz normale Kinder aussehen und nicht wie Terroristen mit einer Waffe in der Hand oder wie Bin Laden. Zudem erhielten alle Spieler dieselben Schuhe und Trikots. „Als Team waren sie dann nicht mehr auseinander zu halten“, so Peleg.
Und dann erzählt er noch ganz stolz, wie der Sport die Verhältnisse ganz einfach umdrehte. Wie die palästinensischen Kinder plötzlich ihre Eltern mit über die Grenze nahmen. Wie dann arabische und israelische Mütter am Spielfeldrand oder auf den Zuschauerrängen in einen echten Dialog kamen, sich über Politik aber auch über die ganz normalen Sorgen des Alltags aus-tauschten. „Die Kids konnten durch ihre Sporterfahrung ihre Eltern beeinflussen. Normalerweise bestimmen doch hier immer die Eltern, was und wie ihre Töchter und Söhne denken und handeln sollen. Gerade, wenn es um die Einstellung zu Israel oder Palästina geht“, hat Peleg beobachtet.
Doch wie geht es jetzt weiter? Haben die Sportprojekte überhaupt noch eine Zukunft? Werden und können Israelis und Palästinenser überhaupt jemals wieder gemeinsam auf einem Platz stehen und miteinander Fußball spielen? Gal Peleg überlegt nicht lange. Sicher lassen die Bilder, die derzeit auf beiden Seiten im Fernsehen gesendet werden, aktuell ein normales „gemeinsames Spielen“ nicht zu. Aber, so betont der Sportleiter, das Peres-Center werde an den Projekten fest-halten. Er ist überzeugt davon, sie wieder aktivieren zu können. Dann allerdings unter anderen Startbedingungen. Dafür entwickelt er mit seinen Trainern in Israel und Palästina bereits passende Konzepte. Es müsse gelingen, die neuen aufgestauten Ängste, den Kriegsstress, die Traumata und den ganzen Zorn der Kids auf beiden Seiten wieder abzubauen. „Und, wie geht das eigentlich besser als durch Sport?“, fragt Peleg und liefert die Antwort gleich mit.