Mit Top-Team-Kader nach Turin und Peking

Der deutsche Spitzensport positioniert sich in diesen Wochen neu, um mit den vorhandenen Ressourcen bei den kommenden Welt- und Europameisterschaften sowie bei Olympischen Spielen seinen Platz in der Weltspitze behaupten zu können. Um dies zu realisieren wurden im Bundesvorstand Leistungssport des Deutschen Sportbundes (DSB) Konsequenzen aus dem Abschneiden der diesjährigen Sommerspiele von Athen gezogen, bei denen die deutsche Mannschaft in der Medaillenwertung auf dem sechsten Platz landete – ein Ergebnis, das der für Leistungssport zuständige DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff mit der Schulnote „befriedigend“ bewertete.

 

Gab dem Abschneiden des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen die Note "befriedigend": DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff (Foto: DSB-Archiv)
Gab dem Abschneiden des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen die Note "befriedigend": DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff (Foto: DSB-Archiv)

Bundestrainer-Großseminar zieht die Bilanz der Spiele von Athen  

Beim Bundestrainer-Großseminar, zu dem mehr als 200 Bundestrainer, Sportdirektoren, Olympiastützpunktleiter und Wissenschaftler nach Leipzig gekommen waren, analysierte Feldhoff mit seiner hauptamtlichen Crew des DSB-Bereichs Leistungssport die Ergebnisse von Athen und kündigte eine Neufassung des Förderkonzepts 2012 an, die nach Abstimmung mit den Präsidien von DSB und Nationalem Olympischen Komitee (NOK), den Spitzenverbänden und den Bundesministern des Inneren und der Verteidigung vom DSB-Bundestag Anfang Dezember dieses Jahres beschlossen werden soll.

 

Zentrale Punkte der Fortschreibung des Förderkonzepts sind die Bildung von Top-Team-Kadern zur gezielten Vorbereitung der aussichtsreichen Athletinnen und Athleten auf die jeweils folgenden Olympischen Spiele, eine Überprüfung des Kadersystems mit einer Reduzierung vor allen Dingen im B und C-Kader-Bereich, eine Umschichtung von Mitteln zur Förderung spezieller Projekte der Top-Team-Kader sowie eine Neuordnung des Stützpunktsystems. Wie im Wintersport mit Erfolg praktiziert, sollen auch in den Sommersportarten mehr als bisher Athleten an zentralen Stützpunkten zusammengezogen werden. Noch intensiver soll die Unterstützung durch die Wissenschaft genutzt werden. So hat es sich beispielsweise ausgezahlt, dass vor den Olympischen Spielen von Athen 26 Spitzenverbände mit Psychologen zusammengearbeitet haben. „Verbände, die die Hilfe von Psychologen in Anspruch genommen haben, waren in Athen erfolgreicher als andere“, sagte der Sportpsychologe Prof. Dr. Hans Eberspächer in Leipzig.

 

Bei dem dreitägigen Bundestrainer-Großseminar, bei dem die olympische Bilanz auch aus Sicht der Mediziner, des Bundesinnenministeriums, der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes, der Stiftung Deutsche Sporthilfe, des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) und des Instituts zur Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) gezogen wurde, kam immer wieder die zentrale Bedeutung des Trainerinnen und Trainer zum Ausdruck. Diskussionspunkt war erneut auch der schwierige Übergang von der Juniorenklasse in den Aktivenbereich. Dr. Klaus Rost vom IAT: „90 Prozent der Sportler, die bei Junioren-Welt- und Europameisterschaften gut abschneiden, springen ab, bevor es richtig beginnt. Schuld daran sind Motivations- und Strukturprobleme.“ Dr. Rost führt die Ausstiege darauf zurück, dass im Nachwuchsbereich wenig und zu speziell trainiert wird. Das würde zwar gute Leistungen in jungen Jahren bringen. Den Athletinnen und Athleten würde aber die Grundlage für eine weitere Steigerung der Trainingsbelastung fehlen.

 

Etliche Anregungen erhielt die Trainerschar auch durch den bemerkenswerten Vortrag von Prof. Dr. Eike Emrich (Universität Frankfurt) zum Thema „Nachwuchsleistungssport-Förderung in Deutschland in kritischer Perspektive“. Emrich warnte vor einer zu frühen Spezialisierung der Kinder im Sport, deren Verweildauer in einem Verein auch bei einem früheren Beginn meist nur acht Jahre betrage. Emrichs Appell: „Lassen wir die Kinder so früh wie möglich in Kontakt mit dem Sport kommen, aber spezialisieren wir sie erst später. Wir erleiden dabei keinen Verlust.“ Der einstige Olympiastützpunktleiter von Frankfurt und Saarbrücken forderte zudem, Quereinsteiger besser zu fördern, ausgestiegene Athleten zurück zu holen, Trainer von Talenten an späteren Erfolgen zu beteiligen und ein besseres Schnittstellen-Management zwischen den Sportarten zu gewährleisten: „Ein zwei Meter großer und kräftiger Volleyballer könnte doch vielleicht ein viel besserer Ruderer werden.“

 „Sieger zweifeln nicht, und Zweifler siegen nicht.“  

Emrich sprach auch von "überbehüteten Athleten", denn mit der Deutschen Sporthilfe, der regionalen Sporthilfe, Sponsoren, sowie der Hilfe von DSB und des Landessportbundes mit seinem Ausschuss für Leistungssport sei häufig ein Athlet mit mittlerer Leistung schon gut versorgt: "Und wenn er an Weihnachten noch Krach mit seiner Freundin hat, übernachtet er bei seinem Trainer, und der holt ihm am nächsten Morgen noch die Brötchen und fährt ihn nach Hause."

 Am Ende des Bundestrainer-Seminars verabschiedete sich der zum 31. Oktober 2004 ausscheidende Leitende Direktor des DSB-Bereichs Leistungssport, Armin Baumert, nach neun Jahren in diesem Amt und insgesamt 28 Jahren im Dienste des Sports mit seinem Lebensmotto: „Sieger zweifeln nicht, und Zweifler siegen nicht.“ Mit seiner Einschätzung „Die Trainerschaft brennt vor Engagement auf dem Weg nach Turin und Peking“ gab Baumert einen optimistischen Ausblick auf die kommenden Herausforderungen.


  • Gab dem Abschneiden des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen die Note "befriedigend": DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff (Foto: DSB-Archiv)
    Gab dem Abschneiden des deutschen Teams bei den Olympischen Spielen die Note "befriedigend": DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff (Foto: DSB-Archiv)