Es ist Fußball-Europameisterschaft, und alle reden mit. Alle? Dürfen wirklich alle mitreden? Als am vorigen Samstag mit Claudia Neumann zum ersten Mal in Deutschland eine Frau ein Männer-Länderspiel bei einem großen Turnier kommentiert, zieht dies umgehend eine Debatte im Internet nach sich. Auf Facebook wird die Schmähseite „Gegen Frauen Kommentatoren bei der EM 2016“ gegründet, zahlreiche abwertende Tweets fragen, ob Frauen dabei überhaupt mitreden dürfen.
Die Frage, ob Frauen mitreden dürfen, stellt sich im Deutschen Frauenrat gewiss nicht. Sie melden sich hörbar zu wichtigen Themen unserer Gesellschaft zu Wort, dies wurde bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende deutlich. Der Deutsche Frauenrat versteht sich als die starke Stimme, um die vielfältigen demokratischen Interessen von Frauen zu vertreten und Druck zu machen, dass aus rechtlich garantierter Gleichstellung gesellschaftliche Wirklichkeit wird. Er ist die größte frauen- und gleichstellungspolitische Lobby in Deutschland. Die aktuell 59 Mitgliedsverbände unter dem Dach des Deutschen Frauenrates bilden ein breites Spektrum aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Religion ab.
Der DOSB als Interessenvertreter von rund zehn Millionen Mädchen und Frauen gehört zu den mitgliederstärksten Verbänden. Aber nicht nur über die Mitgliederzahl, sondern über die Aktivität seiner Delegierten und die vertretenen Themen wirkt der DOSB als wichtiger Akteur im Deutschen Frauenrat.
Wenn es um gesellschaftlich relevante Anliegen wie etwa „Mehr Frauen in Führungspositionen“, die Forderung nach Entgeltgleichheit sowie die Anerkennung und Wertschätzung von bürgerschaftlichem Engagement geht, ist die Sportorganisation mit ihrer Expertise sehr gefragt. Dies gilt ebenso für den Schutz vor Gewalt oder die besondere Unterstützung von geflüchteten Mädchen und Frauen; auch dabei ist der DOSB mit seinen Sportvereinen wegweisende Schritte gegangen. Zu solch wichtigen gesellschaftlichen Handlungsfeldern kann der DOSB mitreden, er hat etwas zu sagen, weil er Wertvolles dazu beiträgt.
Auch dies mag die Delegierten bewogen haben, bei der Wahl zur Vorsitzenden des Deutschen Frauenrates mit einem überwältigenden Votum für Mona Küppers zu stimmen. Die bisherige stellvertretende Vorsitzende ist Delegierte des DOSB und seit vielen Jahren in verschiedenen ehrenamtlichen Führungsfunktionen im Sport tätig. Ob als Vizepräsidentin im Landessportbund Nordrhein-Westfalen, als Vizepräsidentin des Deutschen Seglerverbands – damit nach 127 Jahren die überhaupt erste Frau im Präsidium des DSV – oder als Mitglied der Sprecherinnengruppe der DOSB-Frauenvollversammlung: Immer wirkt Mona Küppers tonangebend daran mit, gleichstellungspolitische Forderungen in den Mitgliedsorganisationen durchsetzen.
Die neue Vorsitzende des Deutschen Frauenrates hätte bei der Rede zu ihrer Kandidatur also guten Gewissens darauf verweisen können „Das habe ich beim Sport gelernt.“
In ihrer Bewerbungsrede hat Mona Küppers die Themen herausgehoben, die ihr besonders am Herzen liegen: zum einen „Gewalt gegen Frauen, die nicht nur in Tätlichkeiten zum Ausdruck kommt, sondern sich oftmals auch in strukturellen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten manifestiert“ verhindern, zum anderen „Frauen in Führungspositionen – noch viel zu wenige von uns sind da, wo sie hingehören!“. Als drittes „Herzensthema“ unterstrich sie, dass Sexismus in den Medien etwas ist, das salopp formuliert, „gar nicht geht“!
Womit wir wieder bei Claudia Neumann und der Frage sind, ob Frauen mitreden dürfen. Oder beim Selbstverständnis des Deutschen Frauenrates: So lange es Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und geschlechtsspezifische Gewalt gibt, sind wir unverzichtbar.
(Autorin: Petra Tzschoppe/ Die Autorin ist Dozentin für Sportsoziologie und Sportgeschichte an der Universität Leipzig und DOSB-Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung)
In jeder Ausgabe der DOSB-Presse, die wöchentlich erscheint, gibt es einen Kommentar zu aktuellen Themen des Sports, den wir hier als DOSB-Blog veröffentlichen. Diese mit Namen gezeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die offizielle DOSB-Meinung wieder.