Nachwuchsleistungssport: Blicke ins Nähkästchen

Für drei Tage war Leipzig in der vorigen Woche das Zentrum des deutschen Nachwuchsleistungssports. Am dreitägigen Symposium „Die Spitze im Blick“ nahmen rund 350 Nachwuchsleistungssport-Experten teil.

Drei Tage war beim Nachwuchsleistungssport -Symposium "Die Spitze im Blick".
Drei Tage war beim Nachwuchsleistungssport -Symposium "Die Spitze im Blick".

Das Symposium des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) und des Deutschen Olympischen Sportbunds informierte die Experten aus ganz Deutschland über die Kernthemen Talentauswahl und Trainierbarkeit und den Stand der Umsetzung des Nachwuchsleistungssportkonzepts 2020.

Es war zugleich die zentrale Veranstaltung des IAT im Jahr seines 25. Geburtstag, „das ganz im Zeichen der Zukunftsorientierung steht“, wie das IAT mitteilte.

Am Schlusstag (10. Mai) des Nachwuchsleistungssport-Symposiums drehte sich alles um die Frage „Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Technik und Taktik: Wann sollte was und wie trainiert werden?“

In Impulsvorträgen gaben Prof. Urs Granacher von der Universität Potsdam, Thomas Dreißigacker vom Deutschen Leichtathletik-Verband und die IAT-Wissenschaftler Uwe Wenzel, Karin Knoll, Ingo Sandau und Francisko Vizcaya einen kurzen Überblick. Während noch in den 70-er und 80-er Jahren von Krafttraining abgeraten wurde, wisse man heute, dass eine Trainierbarkeit von Kraft auch bereits in diesem Alter sehr wohl gegeben sei, erläuterte Granacher. Dabei diene das Training der Maximal- und Schnellkraft nicht nur der Förderung der Leistungsentwicklung, sondern auch der Sicherung der Belastungsverträglichkeit, der Verletzungsprophylaxe und der Unterstützung motorischer Lernprozesse.

Praxisnahe Wissenschaft

In anschließenden Foren hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, spezielle Fragen zu diskutieren. Dabei fand auch sportartübergreifender Erfahrungsaustausch statt. So suchten Segler bei Spielsportarten nach Antworten auf die Frage, wie man es schafft, dass die Sportler selbstständig und variabel im Wettkampf entscheiden. Denn im Gegensatz zu Hockey oder Handball, dürfen die Segel-Trainer mit einem Startgong gar keine Hinweise mehr geben. In allen Foren kam zum Ausdruck, wie wichtig die optimale Ausbildung gerade in jungen Jahren ist und welche Verantwortung Trainer damit im Nachwuchsleistungssport haben.

Als Abschluss wiesen die stellvertretende IAT-Direktorin Antje Hoffmann und Institutsleiter Ulf Tippelt noch einmal darauf hin, dass das Ziel der Veranstaltung der Einblick in die Breite und den Facettenreichtum im Nachwuchsleistungssport gewesen sei. Viele der angesprochenen Themen seien nun in kleineren Veranstaltungsformaten zu vertiefen – etwa dem Bundestrainerforum „Athletiktraining im Nachwuchsleistungssport“, welches die Trainerakademie Köln im November gemeinsam mit dem IAT veranstaltet.

In einer kurzen Zusammenfassung hob unter anderem Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund, die Wichtigkeit der praxisnahen Wissenschaft hervor. Dabei sei ganz wichtig, dass diese Erkenntnisse nun auch umgesetzt werden.

Erfolg als Ergebnis vieler Faktoren

Zuvor hatten auch Spitzensportler aus dem Nähkästchen geplaudert. Wie schafft ein Athlet den Sprung in den Elitebereich? Ist es allein Talent oder Fleiß oder Willensstärke? Erfolgreiche Athleten wie Jenny Wolf, Aline Focken, Max Hoff, Max Heß und Tom Grambusch gaben Einblicke in ihre ganz persönliche Entwicklung. Eines vereint alle Fünf: Erfolg ist das Ergebnis aus ganz vielen Faktoren.

Welche Bedeutung dabei die Persönlichkeitsentwicklung hat und welchen Einfluss Trainer haben – diese Fragen erörterten der ehemalige Hockeyspieler und –trainer und jetzige Sportdirektor des Fußball-Bundesligaklubs Hamburger SV, Bernhard Peters, sowie der Hockey-Damen-Bundestrainer Jamilon Mülders. Und Valentin Altenburg, Bundestrainer der U21-Auswahl des Deutschen Hockeybundes, fasste die Talentsichtung so zusammen: „Wir sollten nach allen suchen, die Bock haben, der Beste der Welt zu werden – und allen, die das Potenzial dazu haben, helfen, an der Spitze anzukommen.“

Große Resonanz erhielten auch die Antworten auf die häufig gestellten Fragen der Trainer, die IAT-Wissenschaftlerin Juliane Wulff vorstellte. In einer Poster-Session kam es zu einem regen Austausch zwischen Wissenschaftlern, Trainern und Funktionären. Frank Wieneke von der Trainerakademie Köln sagte: „Ich habe für die Talentfindung und -sichtung sehr viele Denkanstöße bekommen. Es waren hervorragende Beiträge.“ Für die Integration des Schwerpunktes „Trainer im Nachwuchsleistungssport“ habe Wieneke viele Ideen und Gedankengänge mitnehmen kön-nen. So zum Beispiel, dass Trainer Typen erkennen müssen und nicht nur klare, messbare Fakten den Ausschlag zum Erfolg geben.

Einen Blick über den Tellerrand gewährte die Tanzpädagogin Maud Butter der Palucca-Hochschule Dresden. Sie gehe in Dresdner Schulen und beobachte die Kinder im Sportunterricht, erzählte sie. Dabei lade sie jedes Jahr 3000 Mädchen und Jungen zum Eignungstest ein, etwa 300 würden sich daraufhin bewerben. „Am Ende nehmen wir 20 Kinder“, sagte Maud Butter.

In einem weiteren Hauptreferat informierte Dr. Ralf Doyscher von der Berliner Charité über funktionelle Tests, um das Verletzungsrisiko im Nachwuchsleistungssport zu beurteilen. Einige Verbände wie der Deutsche Turnerbund würden diese Tests bereits anwenden, da gerade in dieser Sportart die Belastung bereits im Kindes- und Jugendalter enorm sei.

IAT schaltet Literaturdatenbank Nachwuchsleistungssport frei

Pünktlich zum Nachwuchsleistungssport-Symposium hat das Institut für Ange-wandte Trainingswissenschaft (IAT) seine neue Literaturdatenbank Nachwuchsleistungssport freigeschaltet. Die LIteraturdatenbank (kurz LiDa) des Fachbereichs Information Kommunikation Sport des IAT richtet sich speziell an alle Nachwuchsleistungssportinteressierten. Dafür wurden aus den gut 50.000 Beiträgen der trainingswissenschaftlichen Datenbank SPONET die Studien mit Bezug zum Nachwuchsleistungssport zusammengestellt. Die LiDa Nachwuchsleistungssport bietet insbeondere Trainerinnen und Trainer einen idealen Einstieg, um schnell und unkompliziert nach nationalen und internationalen Studien und Veröffentlichungen zu verschiedenen Aspekten des Nachwuchsleistungssports zu recherchieren.

(Quelle: DOSB-Presse, Ausgabe 20)


  • Drei Tage war beim Nachwuchsleistungssport -Symposium "Die Spitze im Blick".
    Drei Tage war beim Nachwuchsleistungssport -Symposium "Die Spitze im Blick".
  • Leichtathlet Max Heß (l.) im Gespräch mit Frank Lehmann vom IAT.
    Leichtathlet Max Heß (l.) im Gespräch mit Frank Lehmann vom IAT.
  • Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund. Fotos: IAT
    Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund. Fotos: IAT